„Es war einfach...unglaublich! Er war so nett und zuvorkommend! Zu MIR, einem einfachen Dienstmädchen..." Verträumt sah Sofie auf die Gartenanlage, durch die wir gerade zwei Wäschekörbe trugen. Das Grün der Blätter erschien durch die Sonne noch saftiger, und der Duft von Blüten umgab die warme Frühsommerluft. Lächelnd betrachtete ich meine schwärmende Freundin. Aufgrund meines Fiebers hatte ich tatsächlich beinahe zwei Tage durchgeschlafen, doch dann ging es mir wieder gut und ich war fast vollständig genesen. Heute war der erste Tag an dem ich wieder arbeiten konnte. So seltsam es klang: Es hatte mir ein wenig gefehlt. Die Zeit alleine im Bett war grauenvoll. Und ich hatte die Gespräche mit Sofie vermisst. Gerade erzählte sie mir, was ich in den letzten Tagen verpasst hatte. Anscheinend war es nicht wenig. Sie hatte mir soeben ausführlich von ihrer Begegnung mit dem König erzählt.
Und ich konnte mir während der ganzen Zeit ein Grinsen nicht verkneifen. Ich konnte nicht anders, als mir vorzustellen, wie aus Sofie und dem König etwas mehr wurde. Natürlich war das nur ein Tagtraum und ziemlich unwahrscheinlich. Dennoch: Mir gefiel diese Vorstellung. Sofie schien König Elias wirklich zu mögen, und das nicht unbegründet. Alles, was ich bisher von ihm mitbekommen hatte, sprach für ihn. Und Sofie hätte mit ihrem Witz, ihrer Schönheit und ihrer guten Seele nicht weniger als einen König mit einem Herzen aus Gold verdient. Leider würde sich diese Vision nicht so einfach umsetzen lassen wie sie in meinem Kopf entsteht. Doch ich würde Sofie bei egal was unterstützen, das schwor ich mir.
Zu ihren begeisterten Erzählungen fügte ich ab und an ein Nicken oder Lächeln hinzu, sonst verlief das Gespräch ziemlich einseitig. Sofie hing zu sehr in ihrer schwärmerischen Welt. Sie würde es wahrscheinlich nicht mal bemerken, wenn ich plötzlich anfangen würde zu sprechen. Ihre Tagträume erklärten wohl auch die Unachtsamkeit mit der sie neben mir lief. Sie übersah ein kleines Schlagloch im Boden, trat hinein, stolperte und ließ den Korb mit Wäsche fallen. Die frischgewaschene Wäsche fiel direkt in eine Schlammpfütze. „Oh nein!" rief Sofie entsetzt und kniete sich zu der verdreckten Wäsche. Ich stellte rasch meinen Korb ab und eilte zu ihr, um ihr beim Aufsammeln zu helfen. Vorsichtig hob sie ein Kleidungsstück hoch und betrachtete es mit erschrockener Miene. „Das ist ein Teil eines Kleides der Königinmutter!" Plötzlich begann Sofie zu zittern. „Was habe ich getan?! Man wird mich dafür bestrafen, wenn nicht sogar rauswerfen! Und selbst wenn nicht: Mit diesem Fehler ist mein ganzes gutes Benehmen für dieses Jahr hinfällig! So werde ich niemals eine Chance bekommen auf den Sommerball gehen zu dürfen!" Ein paar Tränen bildeten sich in ihren Augen.
Ich verstand ihre Worte nicht, nur, dass sie dafür einen riesen Ärger bekommen würde. Gerade wollte ich meiner Freundin einen Arm um die Schulter legen um sie zu beruhigen, als jemand um die Ecke bog und rief: „Was ist denn das für ein Lärm?! Was ist los?!" Es war Anne. Sofie zuckte bei ihrem Anblick zusammen. Im gleichen Moment war Anne bei uns angekommen und erkannte das Chaos. „Was ist denn hier passiert?! Himmel, die Wäsche der Königsfamilie! Ruiniert! Wer von euch hat das zu verantworten?" Von der fürsorglichen Anne an meinem Krankenbett war nichts mehr zu sehen, stattdessen sah sie uns mit unheilvoller Miene an. Bevor Sofie reagieren konnte, war ich bereits aufgestanden und deutete auf mich. Neben mir hörte ich jemanden nach Luft schnappen. Anne veränderte ihre Miene nicht, sondern packte mich am Arm und zog mich mit sich. „Komm mit! Und du -" wies sie Sofie an. „Sorgst dafür, dass dieses Chaos beseitigt wird!" Ein letzter Blick zu meiner Mitbewohnerin verriet mir, dass sie immernoch etwas benommen auf dem Boden kniete und uns erschrocken hinterhersah. Dann bogen wir um eine Ecke und ich verlor die Sicht auf sie.
Eine Weile lang wurde ich einfach nur von Anne mitgeschleift. Ab und zu hörte ich sie soetwas murmeln wie: „Warum musst du auch sofort etwas anstellen..." und „Sei froh, dass du noch nicht so lange hier bist und gerade erst hohes Fieber überstanden hast." Ein wenig unbehaglich wurde mir bei ihren Worten schon. Wenn ich noch Glück hatte, was wäre dann wohl mit Sofie passiert? Weitere Gedanken darüber konnte ich mir nicht machen, da Anne plötzlich vor zwei großen Toren stehen blieb. Als sie diese aufstieß und mit mir eintrat, vergaß ich für einen Moment ihre Anwesenheit und achtete nur mit Staunen auf meine Umgebung. Wir standen in einem riesigen, runden, leeren Saal. An den Wänden reihten sich riesige Rundbogenfenster, die fast bis an die Decke gingen. Die Decke wurde am Rand von Säulen gestützt, in deren Stein ein aufwendiges Rankenmuster eingearbeitet worden war. Das viele Licht, das durch die Fenster gelangen konnte, ließ die Gold - und Marmortöne des Bodens, und der Wände noch mehr erstrahlen. Im Saal verteilt waren Kronleuchter angebracht. Ich stellte mir vor, wie deren Kerzenlicht bei Nacht ein noch atemberaubenderes Ambiente geben würde. Ich hatte zwar nicht aktiv verfolgt wo wir hingelaufen waren, jedoch war ich mir ziemlich sicher, dass es sich bei diesem Raum um den Ballsaal handelte. Er war wunderschön. Nicht protzig und doch sehr edel.
Ein Räuspern riss mich aus meinen Gedanken zurück ins Hier und Jetzt. Anne tippte ungeduldig mit ihrem Fuß auf den Boden. Dann hielt sie mir plötzlich einen Eimer hin. „Hier!" Irritiert nahm ich ihn entgegen und fragte mich dabei, wo sie den auf einmal her hatte. Darin befand sich etwas. Als ich in den Eimer griff und es herausholte, erkannte ich einen Schrubber und ein Stück Kernseife. Unsicher sah ich Anne an. Was sollte ich damit? „In drei Wochen wird in diesem Palast der Sommerball stattfinden. Vorrangig wird er hier abgehalten. Um ihn für Gäste tauglich zu machen, muss er entsprechend vorbereitet werden. Du wirst den Boden des Saals putzen, und zwar alleine. Du gehst nicht ins Bett ehe dieser Boden nicht so sauber glänzt dass ich mich darin spiegeln kann!" Tat er das nicht schon ohne mein Zutun? Anne ließ sich von meinem Schweigen nicht beirren. „Jetzt hol dir Wasser und mach dich an die Arbeit!" Mit diesen Worten verließ sie den Saal und knallte eine der Türen zu.
Ein Seufzer verließ meinen Mund, als ich erneut meinen Blick über den Saal wandern ließ. Er war wirklich groß. Wie sollte ich den Boden alleine putzen können? Damit würde ich sicher ein paar Tage beschäftigt sein! Und so lange kam ich ohne Schlaf nicht aus... Abgesehen davon hatte ich noch nie einen Boden geschrubbt. Ich wusste nicht genau was ich machen sollte. Glücklicherweise hatte ich ein paar Mädchen schon häufiger bei dieser Aufgabe beobachtet, vielleicht brachte mich das weiter. Entschlossen atmete ich einmal tief ein, bevor ich nach dem Eimer griff um mich zu einer Wasserquelle zu begeben.
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Sound of Silence
FantasyDie siebzehnjährige Tia reist aus ihrer Heimat in ein fremdes Land, um dort eine Arbeit am Königshof zu finden. Das neue Leben ist fremd und völlig ungewohnt. Sie kann sich zunächst nur schwer einleben, vor allem durch ihr besonderes Handicap. Zusät...