Kapitel 29

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Draußen regnete es in Strömen. Die dunkle Nacht wurde von hellen Blitzen und lautem Donnern durchzogen. Bereits seit Stunden versuchte ich einzuschlafen, hatte jedoch zu große Angst vor dem Gewitter. Darum schlug ich schließlich die Decke beiseite, stand auf und lief aus meinem Zimmer. Flink öffnete ich im Flur die Tür zum Nebenzimmer und linste hinein. Da lag er. Seelig schlafend wie ein Baby. Ich trat ein. „Erik?" Ein Grummeln kam als Antwort. „Bist du wach?" „Nein..." kam es gemurmelt und ziemlich unfreundlich zurück. In diesem Moment wurde das gesamte Zimmer taghell und es donnerte kräftig. Erschrocken ließ ich einen Schrei los. Sofort saß Erik kerzengerade in seinem Bett auf und sah mich an. Aus seinem Zopf waren einige braune Haarsträhnen herausgefallen und fielen ihm nun unordentlich ins Gesicht. Sein Blick war mürrisch. Es war der genervte Blick eines Dreizehnjährigen, der mitten in der Nacht gegen seinen Willen geweckt wurde. Als er jedoch mein ängstliches Gesicht sah, wurden seine Züge sanfter. „Na komm, Kleine!" Er schlug seine Decke auf und rutschte ein wenig zur Seite. Ich musste nichts sagen, er hatte mich schon verstanden. Erleichtert eilte ich zu ihm und krabbelte auf sein Bett. Unter der Decke kuschelte ich mich an seine Brust und fühlte, wie sich seine warmen Arme um mich schlossen. Nun fühlte ich mich beschützt und konnte friedlich einschlafen.

Blinzelnd öffnete ich die Augen. Ein Gähnen entwich mir, als ich ohne aufzustehen meine Arme streckte. Sofort spürte ich den Muskelkater der sich über Nacht gebildet hatte. Der kam von meiner Schrubbeinlage gestern. Ich hatte es tatsächlich bewerkstelligen können, den ganzen Saalboden innerhalb eines Tages zu putzen. Allerdings hatte ich bis tief in die Nacht schaffen müssen. Tief in die Nacht... Moment mal! Erschrocken setzte ich mich auf und sah mich um. Ich lag in meinem Bett, so wie sonst auch jeden Morgen. Heute jedoch fand ich diesen Fakt sehr beunruhigend. Wie war ich hier her gekommen? Ich hatte bis tief in die Nacht gearbeitet... und dann? Ich musste wohl irgendwann vor Müdigkeit eingeschlafen sein. Aber... Wie kam ich dann bitte hierher in mein Bett? In diesem Moment ging die Tür auf und Sofie trat mit einem Eimer voll Wasser zum Waschen ein. Als sie sah, dass ich wach war, lächelte sie. „Oh gut, du bist wach." Unbeholfen nickte ich, dann sah ich sie irritiert an und fuchtelte mit meinen Händen in der Gegend herum. Sofie ignorierte diese Geste aus irgendeinem Grund, also schrieb ich meine Verwirrung auf und hielt ihr das Blatt hin.

Wie bin ich hier her gekommen? Ich war doch gestern die ganze Zeit den Ballsaal putzen.

Meine Mitbewohnerin zuckte mit den Schultern. „Und?" Verstand sie nicht? Oder machte sie das absichtlich?

Wie zum Kuckuck bin ich bitte in meinem Bett gelandet, wenn ich mich nicht erinnern kann dort eingeschlafen zu sein?!

„Du kannst dich wirklich nicht erinnern?" fragte sie, offensichtlich scheinheilig. Sie wusste etwas. Heftig schüttelte ich den Kopf. Ein Schmunzeln, was wohl ein untedrücktes Grinsen war, bildete sich auf ihrem Gesicht. „Dann willst du es wohl besser auch nicht wissen." Mein entsetztes Gesicht ließ sie schließlich in schallendes Gelächter ausbrechen. „Ich mach nur Spaß! Obwohl..." Sie wurde wieder ein bisschen ernster. „Aber ehrlich, gestern war nichts besonderes."
Sie erhob sich und sammelte ein paar am Boden liegende Kleidungsstücke ein. Währenddessen erzählte sie wie selbstverständlich: „Du bist gestern nur von seiner Hoheit schlafend aufgefunden, eingesammelt und hier abgeliefert worden."

BITTE WAS?! War ich versucht zu schreien, doch ich beherrschte mich. Mein Gesichtsausdruck sagte sowieso genug. Sofie konnte sich nicht mehr halten und fing an zu kichern. „Du glaubst nicht wie geschockt ich war, als es geklopft hat und plötzlich der Prinz vor unserer Kammer stand mit dir in seinen Armen. Ich dachte zuerst du wärst tot, weil du dich nicht geregt hast. Dann hat mir Prinz Kilian erklärt, dass er dich schlafend gefunden hat und sichergehen wollte, dass du heil hier ankommst. Man, die Situation war echt seltsam, das sag ich dir!" Meine Miene hatte sich nicht geändert. Zusätzlich stieg mir Hitze in die Wangen. Spontan wollte ich vor Scham im Boden versinken.

Kilian. Der Prinz. Hatte mich gefunden. Schlafend. Und zu meinem Zimmer getragen.
Wie konnte ich ihm je wieder unter die Augen treten?

Sound of SilenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt