Angst machte sich in mir breit. Sie kroch in jede Faser meines Körpers. Nur am Rande bekam ich mit, wie Kilian mich hinter sich schob und sich gleichzeitig auf den maskierten Mann stürzte. Der Prinz trug keine Waffe bei sich, doch das schien ihn nicht zu stören. Er konnte auch mit bloßen Händen kämpfen und wich dem Dolch des Angreifers geschickt aus. Ich konnte meine Augen jedoch nicht von dem maskierten Mann und seinem Schlangentatoo wenden. Er war einer von Ihnen. Ein Rebell. Was machte er hier? Warum hatte er diesen Mann umgebracht? Waren sie auf der Suche nach mir? So ein Unsinn. Oder? Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen und sah versteinert zu, wie Kilian um unser beider Leben kämpfte. Der Rebell benahm sich jedoch seltsam. Seine Angriffe schienen mehr passiv, er schien den Prinzen gar nicht wirklich verletzen zu wollen. Stattdessen flüchtete er zum Fenster und wollte sich hinausstürzen, doch Kilian bekam ihn an seiner Maske zu fassen und hielt ihn fest. Er riss so fest daran, dass sie zerriss. Durch die Wucht wurde der nun entblößte Kopf des Rebells nach hinten gerissen. So sah ich für einen Moment sein Gesicht. Atemlos keuchte ich. Dieses Gesicht würde ich überall erkennen. Es hatte sich vor neun Monaten in mein Gedächtnis eingebrannt. Dann sprang er aus dem Fenster und war verschwunden. Kraftlos sank ich zusammen und kauerte auf dem Boden. Kilian sah ihm schwer atmend nach. „Er ist weg. Hat den Sprung überlebt." Die Worte murmelte er mehr zu sich als zu mir. Meine rechte Hand umfasste die Narbe an meinem linken Unterarm. Er ist weg, Tia. Alles ist gut, du bist in Sicherheit. Vergeblich versuchte ich mich mit diesem Gedanken zu beruhigen.
Kilian wandte sich unterdessen dem am Boden liegenden Minister zu. Dieser lag bereits in einer roten Pfütze. Prüfend hob der Prinz eine leblose Hand an, dann verfinsterten sich seine Züge. Vorsichtig legte er die Hand wieder auf den Boden und hob nun stattdessen den Dolch des Mörders auf, welcher ihn kurz vor seiner Flucht hatte fallen lassen. Dann sah er zu mir. „Tia? Hey, alles in Ordnung?" Zitternd versuchte ich aufzustehen, schwankte jedoch und kniete mich wieder hin. „Hey, was ist los? Bist du verletzt?" Mit besorgter Miene stieg er über den Leichnahm und wollte zu mir, doch im selben Moment erklangen Schritte. Einen Augenblick später war ein Dutzend Wachen anwesend. „Was ist hier los? Wir haben Lärm gehört und da - " Die Wache unterbrach sich selbst, als sie das Szenario fassungslos ansah. Ein zerschlagenes Fenster, dessen kaputte Glasscherben überall herumlagen. Kilian, der vor einer ausblutenden Leiche stand. Mit einem blutverschmierten Dolch in der Hand. Der Prinz merkte, wonach das aussah und ließ den Dolch sofort auf den Boden fallen, was nur noch verdächtiger wirkte. Gerade wollte er zu einer Erklärung ansetzen, doch da traten bereits zwei Wachen an seine Seite und hielten ihn fest. Die Wache, die zuvor gesprochen hatte, räusperte sich nun etwas unsicher, fuhr aber dann mit fester Stimme fort: „Prinz Kilian, ich stelle Euch hiermit unter Arrest wegen des Verdachts auf Mord. Der König wird sich der Sache annehmen und über euer Schicksal urteilen." Die Wachen packten ihn und zerrten ihn mit sich wie einen Verbrecher. „Was soll das?! Ihr habt den Falschen! Der Mörder ist abgehauen, hört mir doch zu! Lasst mich los!" beschwerte sich Kilian wütend und wollte sich losreißen, doch man hielt ihn fest. Ehe ich mich versah hatte man ihn fortgetragen.
Jemand berührte mich an der Schulter. Erschrocken zuckte ich zusammen und sah zu den beiden Wachmännern hoch, die zurückgeblieben waren. „Mädchen, ist alles in Ordnung mit dir? Hat er dich verletzt?" Geistesabwesend schüttelte ich den Kopf und wich gleichzeitig vor der Hand des Mannes zurück. Dieser wirkte etwas irritiert und sah zu seinem Kollegen. Dieser zuckte mit den Schultern und winkte ab. „Lass sie. Die kriegt sich wieder ein. Komm, wir müssen zu den anderen!" Damit ließen sie mich allein und verschwanden hinter der nächsten Ecke. Ein paar Momente herrschte Stille. Was war gerade passiert? Ein Rebell war in den Palast gelangt und hatte eiskalt einen Minister getötet. Kilian hatte mit ihm gekämpft, doch er ist geflohen. Nun hielt man Kilian für den Mörder. Er sollte verurteilt werden. Er war vor meinen Augen abgeführt worden! Endlich erwachte ich aus meinem Schockzustand und schlug entsetzt die Hände über den Kopf. Nein, das konnte nicht wahr sein! Das durfte alles nicht passieren! Endlich kehrte Kraft zurück in meine Beine und ich konnte hastig aufstehen. Schnell sah ich mich um. Wohin waren die Männer gegangen? Verschwommen erinnerte ich mich an die Richtung. Entschlossen rannte ich hinterher. Ich musste etwas unternehmen. Ich musste sie aufhalten! Doch egal wie schnell ich durch die Gänge rannte, ich fand kein Paar rehbrauner Augen. Stattdessen sah mich jeder, der an mir vorbeilief, an als sei ich gestört. Als meine Kräfte schließlich versagten, lehnte ich mich erschöpft gegen eine Wand und schloss die Augen. Dabei wünschte ich mir, Kilian würde jeden Moment grinsend auf mich zukommen und mir sagen, dass das alles ein Scherz war. Er tat es nicht.
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Sound of Silence
FantasyDie siebzehnjährige Tia reist aus ihrer Heimat in ein fremdes Land, um dort eine Arbeit am Königshof zu finden. Das neue Leben ist fremd und völlig ungewohnt. Sie kann sich zunächst nur schwer einleben, vor allem durch ihr besonderes Handicap. Zusät...