Kapitel 56

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Am nächsten Tag ging ich zu Elias ins Arbeitszimmer. Da ich gestern praktisch den ganzen restlichen Tag mit meinem Vater verbracht hatte, konnte ich nicht mehr mit dem König sprechen. Dabei musste ich unbedingt meinen Dank loswerden. Er hatte so viel für mich getan! Lächelnd dachte ich an gestern, während ich beschwingt durch die Gänge lief. Stundenlang hatten Vater und ich uns gegenseitig erzählt, wie es uns in den letzten Monaten ergangen war. Er erzählte mir, dass er ganz in der Nähe von James Haus untergebracht worden war und zwar etwas abgenommen hatte, aber immer gut umsorgt war. Und dass er ständig nach mir gefragt hatte und mich sehen wollte. „Natürlich wusste ich, dass es nicht ging." erinnerte er sich. „Aber was kann ein Vater gegen den Wunsch tun, sein Kind wiederzusehen?" Lächelnd hatte ich in seinem Arm gelegen und einfach seine Stimme genossen. Ihm muss es ähnlich gegangen sein. Er drängte mich geradezu, alles zu erzählen, selbst die kleinste Nichtigkeit. Der Glanz in seinen Augen war nicht zu übersehen. Irgendwann fragte ich ihn, was los sei. Er lächelte traurig und strich mir über den Kopf. „Du klingst genau wie deine Mutter. Du hast ihr schon immer so ausgesehen wie sie. Aber jetzt, wo ich deine Stimme höre... Es ist, als wäre sie hier." Seltsamerweise stimmten seine Worte mich nicht traurig, sondern erfüllten mich mit gewissem Stolz. Es war ein bisschen so, als hätte Vater mir mit diesen Worten einen Teil von Mutter zurückgebracht. Überhaupt war seine Nähe ein einziger Trost. Mindestens so tröstlich wie die von Kilian. Gerade dachte ich darüber nach, ob sich Vater und der Prinz wohl schon begegnet waren, als ich bereits vor dem Arbeitszimmer des Königs stand. Ehe ich mir gedanklich überlegt hatte, was ich überhaupt sagen wollte, waren meine Hände bereits schneller und klopften an die Tür.

Von innen drang ein dumpfes „Herein!" bevor ich eintrat. Elias saß an einem großen Schreibtisch aus dunklem Holz und hatte sich über einige Papiere gebückt. Als er aufsah, lächelte er mich an. „Hallo Tia! Kann ich dir behilflich sein?" „Ich...ähm...naja..." Tatsächlich wollte ich so viel sagen, fand jedoch einfach nicht die passenden Worte dafür. "Danke." stieß ich schließlich aus und versuchte diesem simplen Wort die immense Bedeutung zu geben, die ich empfand. Er lächelte als Antwort. "Du musst mir nicht danken. Das war selbstverständlich. Vor allem aber war nicht ich es, der die Idee hatte. Kilian kam bereits vor einigen Wochen auf mich zu mit dem Anliegen, den König von Lavinia, deinen Vater, wiederzufinden. Er ist auch der Hauptverantwortliche für die Suchaktion gewesen, ich habe ihm lediglich die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt." Mit halb geöffnetem Mund sah ich ihn an, bevor mir meine Manieren wieder einfielen und ich den Kiefer zuklappte. Weniger überrascht war ich dadurch jedoch nicht. Kilian war dafür verantwortlich? ER hatte meinen Vater gefunden? Plötzlich schien mir sein Verhalten klarer. "War er deshalb in letzter Zeit vielleicht etwas..." Ich suchte nach einem passenden Wort, das nicht beleidigend klang. Abweisend? Kurz angebunden? Kalt? Ausweichend? Ignorierend? "Beschäftigt?" kam mir Elias zu Hilfe. "Ja, er hat fast seine volle Zeit darauf konzentriert. Und wie ich mitbekommen habe, war es nicht gerade einfach, deinen Vater ausfindig zu machen. Er wurde gut versteckt gehalten." Ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus. Zugleich war ich ungemein erleichtert, dass Kilians kürzliche Distanz zu mir nicht deshalb entstanden war, weil er mich nicht mehr mochte. Genau das Gegenteil war der Fall. Dieser Gedanke versetzte meinen gesamten Körper in Aufregung. "Kann ich ihn dann auch sprechen? Ich muss ihm danken!" Meine Stimme klang deutlich ruhiger als ich mich fühlte, doch das seltsame Quieken, das mir am Ende entwich, verriet meine wahre Stimmung. Kaum merklich grinste der König, bevor das Lächeln auch schon wieder verschwand und er mir bedauernd mitteilte: "Ich fürchte, das wird noch warten müssen. Kilian ist zurzeit nicht im Schloss. Er befindet sich noch immer in Lavinia, um als mein Botschafter dort zu wirken, die restlichen Minister über die jetzige Lage zu informieren und zu beratschlagen, wie wir weiter vorgehen sollen."." Oh..." machte ich. Die Enttäuschung, die darin lag, konnte ich nicht verbergen. In diesem Augenblick wurde mir bewusst, wie sehr ich Kilian eigentlich VERMISSTE. Nicht nur weil ich mit ihm reden musste. Ich vermisste unsere Gespräche, seine Art mich aufzumuntern und seine Nähe. Mitfühlend sah Elias mich an. "Soll ich ihm sagen, dass er dich aufsuchen soll, sobald er wieder da ist?" Schwach lächelte ich. "Das wäre nett." Wir verabschiedeten uns noch, bevor ich den König wieder seiner Arbeit nachgehen ließ.

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