Kapitel 49

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Der Schrei war laut und durchdringend. Im ganzen Raum wurde es still. Alle drehten sich zu mir um. Selbst der König sah zu mir. Irgendwo in der Menge entdeckte ich Sofie, die mich entgeistert ansah. Erschrocken erkannte ich, dass ich geschrien hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde war ich im Schock gefangen, dann wuchs die Entschlossenheit in mir. Kilian war wichtiger als irgendein dummer Schwur den ich mir vor Jahren geleistet hatte! Mit schnellen Schritten trat ich nach vorne, und die Menge machte mir ohne zu Zögern Platz. Vielleicht wegen des Schocks, vielleicht aus Neugier. Als schließlich die gesamte Menge hinter mir stand und ich ihre Blicke in meinem Rücken spüren konnte, atmete ich einmal tief durch bevor ich das Wort an den König richtete. „Eure Majestät, ich war dabei als es passierte. Prinz Kilian sagt die Wahrheit!" Es war seltsam, meine Stimme nach so langer Zeit wieder zu hören, doch ich versuchte mich nicht beirren zu lassen und sprach weiter. Dabei vermied ich Kilians Blick. Ich durfte mich jetzt nicht davon ablenken lassen, was er nun wohl von mir dachte. „Bei dem Angriff war ich dabei, ich konnte den Täter selbst sehen und habe auch eine Idee, aus welchem Grund er den Minister umgebracht hat!"  Lange sah der König mich an. Mir war bewusst, wie viel ich hier riskierte, doch es musste sein. Nach einigen Augenblicken trat einer der Wachmänner hervor und meinte: „Es stimmt, Eure Majestät. Ich habe gesehen, dass sie am Ort des Geschehens war." Weitere Sekunden vergingen, in denen der König mich und den Mann abwechselnd ansah. Schließlich winkte mich der König noch ein paar Schritte heran und meinte: „Fahre fort!"

Nachdem ich tief Luft geholt hatte, begann ich zu sprechen. „Der Angreifer trug ein Schlangentatoo am Hals. Er ist ein Rebell. Die Rebellen haben vor Monaten in Lavinia begonnen die Menschen in Angst und Schrecken zu verstetzen. Ihr Ziel ist es, die Monarchien in den Ländern zu stürzen um anschließend selbst als Diktatoren zu regieren und die Länder und ihre Bewohner auszubeuten. Nun sind sie wohl auch in Dyandra angekommen. Vermutlich haben sie das Schloss beobachtet und eine günstige Gelegenheit abgewartet, in der der Prinz und ein anderer Adliger alleine sind. Durch das Hinterlassen der Waffe konnte es so aussehen als hätte der Prinz jemanden ermordet. Die Folge daraus wärde, dass das Volk die Regierung in Frage stellt und so das Vertrauen und die Loyalität zum König verliert. Es wäre ein Leichtes für die Rebellen, daraufhin die Macht an sich zu reißen." Das waren viele Worte auf einmal, weswegen ich ein wenig außer Atem war. Ich musste wohl erst wieder lernen, wie man sich die Luft beim Sprechen einteilte. Forschend sah der König mich an und beugte sich mit dem Oberkörper etwas vor, als er fragte: „Woher weißt du von den Rebellen? Oder von diesem angeblichen Plan? Es könnte doch auch ein einfacher Zufall gewesen sein." Einen Moment lang schien die Luft vor Anspannung fast zu zerreißen. Ich haderte mit mir. Sollte ich wirklich mehr sagen? Konnte ich ihnen die Wahrheit sagen? Ja, ich musste, sonst würde es Kilian meinetwegen schlecht ergehen. Also gut, dachte ich ergeben und sagte laut: „Um diese Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten, muss ich ein Geständnis machen." Hinter mir hörte ich entsetzte Keucher, doch ich versuchte sie zu ignorieren. „Dieses Geständnis ist allerdings nur für die Ohren der königlichen Familie bestimmt."

Gegen meinen Willen stellte ich mir vor, wie ich wohl gerade aussah. Ein kleines Mädchen mit  verdrecktem Kleid und erhobenem Kinn vor einem edlen und erhabenen König, dass ihm Anforderungen stellte. Fast ging ich davon aus der König würde mich auslachen und wegschicken, stattdessen nickte er und richtete die Stimme an sein Volk: „Alle verlassen den Thronsaal bis auf zwei Wachen." Das Gemurmel der Menschen wurde so laut dass es wie das Summen eines Bienenstocks klang, doch sie gehorchten dem Willen des Königs und verließen den Raum. Zum Schluss waren nur noch der König, die Königinmutter, Kilian, zwei Wachen und ich übrig. Immernoch wagte ich es nicht, zu Kilian herüberzusehen. Was er wohl nun von mir dachte? Nun, da er mich sprechen hörte? Und was würde er erst von mir denken, wenn er die Wahrheit wusste? Schluss jetzt, Tia! Hier geht es darum, Kilian zu retten! Dabei muss ich das Risiko hinnehmen, dass er sich von mir abwenden wird. „Also," riss mich der König aus meinen Gedanken und nickte mir zu. „Ich habe deine Forderung erfüllt. Nun sprich! Ich hoffe, es ist wert, was du zu sagen hast." Nickend erwiderte ich: „Um alles zu erklären, muss ich etwas weiter ausholen. Ich bitte euch, mich ausreden zu lassen, bevor ihr etwas erwidert." Das Schweigen, das darauf folgte, nahm ich als Bestätigung auf. Nun gab es kein Zurück mehr. Angespannt straffte ich noch einmal meine Schultern, atmete tief ein und sagte schließlich mit klarer Stimme: „Mein voller Name ist Tiara Elena Rosalis, und ich bin die Prinzessin von Lavinia." Nun war es raus. Mir war vollkommen klar, wie albern das klang. Ich unterbrach mich mit einem Schlucken und versuchte dabei, den Augenkontakt zum König zu halten. Dieser sah mich mit unergründlicher Miene an. Schnell sprach ich weiter.

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