Kapitel 46

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Als ich mich zu der Stimme umdrehte, erkannte ich König Elias. Der junge Mann neben mir sah ein wenig enttäuscht aus, verbeugte sich aber und meinte: „Selbstverständlich, Majestät. Bitte entschuldigt mich." Damit verließ er uns und verschwand in der Menge. Mit einem Lächeln wandte sich der König an mich. Schnell knickste ich. „Guten Abend, Miss... Tia war es, nicht wahr?" Überrascht sah ich ihn an. Woher kannte er meinen Namen? Er lachte kurz über mein verwundertes Gesicht. Es klang warm und freundlich. „Sofie redet viel von dir. Wo wir davon sprechen: Wo ist sie? Ich war ein wenig verwundert, als ich dich unter den Damen gesehen habe. Von Anne meinte ich, ihre Auswahl sei auf Sofie gefallen." Klang er etwa ein wenig enttäuscht? Beinahe musste ich mir ein Lachen verkneifen. Dann holte ich rasch das Schreibheft und den Stift aus der Rocktasche des Kleides und schrieb:

Ja, eure Majestät, das ist wahr. Allerdings hat Sofie mir in ihrer Güte ihren Platz gegeben, weil sie wusste aus welch wichtigen Gründen ich den Ball besuchen wollte.

Interessiert hob der König eine Augenbraue. „Wie interessant. Und welche Gründe wären das?" Erschrocken wurde ich rot und sah zu Boden. Wieso hatte ich das aufgeschrieben? Warum hatte ich nicht einfach behauptet, dass ich schon immer auf einen Ball wollte oder sowas? Mein Gegenüber sprach unterdessen mit einem unterdrückten Grinsen im Gesicht seine Vermutungen aus. „Könnten diese mysteriösen Gründe etwas mit der Anwesenheit meines Bruders zu tun haben?" Sofort wurde ich noch eine Spur röter, war gleichzeitig aber erleichtert darüber, ihm zumindest einen Teil der Wahrheit sagen zu können. Denn, obwohl mein Verstand sich weigerte es einzusehen, ich war tatsächlich auch hier, weil Kilian hier war. Nun ja, bis meine Hoffnungen zunichte gemacht wurden.

Unter anderem Ja, Majestät.

Es fiel mir erstaunlich leicht, das vor dem König zuzugeben. Aber wieso? Ich kannte ihn schließlich nicht so gut wie Kilian. Und er war der König dieses Landes, eine Autoritätsperson. Vielleicht vertraute ich ihm ja, weil Sofie es tat. Und wegen seiner Art, die sich auch jetzt wieder zeigte. Überraschenderweise lächelte er über mein Geständnis. „Nun, er wird sich sicher über deine Anwesenheit freuen. Und darf ich an dieser Stelle erwähnen, wie zauberhaft du in diesem Kleid aussiehst!" Zum ersten Mal an diesem Abend erschien ein ehrliches Lächeln auf meinen Lippen. Sein Kompliment war ehrlich, nicht einfach höflich, und genau das munterte mich auf. Dankbar sah ich ihn an. „Nun, es war schön dich zu sehen, aber ich muss mich leider noch mit ein paar  wichtigen Menschen sprechen. Richte Sofie Grüße aus und" Kurz hielt er inne, bevor er etwas leiser weitersprach: „Sag ihr, dass ich es sehr bedauerlich fand nicht mit ihr tanzen zu können." Mein Lächeln wurde breiter, ja, es verwandelte sich beinahe in ein Grinsen. Schnell knickste ich noch einmal und nickte ihm zu, bevor er in der Menge verschwand. Dabei hörte ich nicht auf zu lächeln. Ich wusste es. Der König mochte Sofie! Das hatte er mir gerade selbst gesagt! Naja, indirekt jedenfalls. Oh, ich freute mich so für die Beiden! Wenn ich das Sofie erzählen würde...

„Hey, Küchenjunge..." Ich erstarrte. Einen Moment lang überlegte ich mir, einfach wegzurennen. Dummerweise gehorchte mein Körper nicht, sondern drehte sich zu der mir nur allzu bekannten Stimme um. Da stand Kilian, keinen Meter von mir entfernt und sah mich mit einem unsicheren Lächeln an. „Du siehst wunderschön aus." Innerlich war ich hin und hergerissen zwischen Freude und Wut. Wie konnte er es wagen, so etwas zu sagen, wenn er gerade noch mit einer anderen getanzt hatte?! Andererseits war es sein gutes Recht. Ich durfte nicht einmal wütend sein, denn es gab ja eigentlich keinen Grund dafür. Wir waren nicht zusammen, aber trotzdem konnte ich dieses Gefühl nicht abstellen, betrogen worden zu sein. Nichtsdestotrotz lächelte ich matt als Antwort. Kilian räusperte sich nervös, bevor er sein typisches Grinsen aufsetzte. Vom höflichen Prinzen war nichts mehr zu sehen. Er war wieder ganz so, wie ich ihn kannte. „Was sagst du? Willst du ein Tänzchen mit mir wagen?" Einige Sekunden vergingen, in denen er mir abwartend seine Hand hinhielt. Zunächst zögerte ich, dann gab ich jedoch auf. Warum machte ich mir etwas vor: in seiner Gegenwart war ich machtlos. Frustriert über meine innere Freude legte ich meine Hand in seine und ließ mich zur Tanzfläche führen. Dabei versuchte ich vergeblich das Kribbeln in meiner Hand und meinem Bauch zu ignorieren.

Sound of SilenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt