Kapitel 13

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Gedankenverloren betrachtete ich die riesigen Rundbogenfenster, durch die strahlendes Morgenlicht schien und den breiten Gang erhellte. Die Sonnenstrahlen trafen sogar auf die unteren Spitzen der Kronleuchter, die alle paar Meter von der Decke hingen. Die Edelsteine daran brachen das Licht in wunderschöne Regenbögen. Der Boden war aus irgendeinem geschliffenen Stein und glänzte in einem hellen rosa. Genau diesen Boden sollte ich fegen. Eigentlich. Aber ich war zu beschäftigt damit, das Farbenschauspiel zu bewundern, das die Sonnenstrahlen verursachten. Seit der Begegnung mit dem König war etwas mehr als eine Woche vergangen.
Gleich nach diesem Zusammenstoß hatte ich Sofie von der Begegnung erzählt, und sie war ganz begierig alle Details zu erfahren. Dabei hatte sie wieder ihre Kinderaugen aufgesetzt, die mich voller Spannung angesehen hatten.

Ich hegte den Verdacht, dass Sofie den König mochte. Und ich konnte es ihr nicht übel nehmen. Soweit ich es beurteilen konnte, war der Mann sehr gutaussehend und besaß gute Manieren. Und die Freundlichkeit schien er nicht nur bei mir an den Tag zu legen. Nur kam ich nicht umhin, den Rangunterschied zu sehen. Sicher wusste sie selbst nur zu genau, wie unwahrscheinlich eine Beziehung zwischen ihr und dem König war, und doch schien es sie nicht zu stören. Vielleicht verdrängte sie diese Tatsache ja, vielleicht hatte sie sich auch damit abgefunden, den König lediglich aus der Ferne zu bewundern. Mit Sicherheit konnte ich nichts sagen, ich hatte mich nicht getraut sie danach zu fragen, aber eine Sache wusste ich: Ich wollte, dass Sofie glücklich wurde. Und sollte ich irgendwie eine Chance haben, ihr zu diesem Glück zu verhelfen, würde ich das tun.

Meine Gedanken wurden von herannahenden Schritten unterbrochen. Hastig nahm ich den Besen in die Hände und begann wieder zu arbeiten. Geschäftig sah ich auf den Boden, wo ich den Dreck zusammenkehrte. Dabei konzentrierte ich mich jedoch auf die Schritte. Mit ihnen kam ein Gemurmel, dann einzelne Wortfetzen. Ich erkannte die Stimmen zweier Herren. Als die Schritte plötzlich stoppten und sich nicht fortführten, sah ich irritiert auf. Die zwei Männer standen mitten im Gang, vielleicht zehn Meter entfernt von mir, und führten ihre Unterhaltung im Stand fort. Der erste von ihnen war ein Herr mitte vierzig, ein Adeliger. Mehr konnte ich nicht erkennen. Er redete eindringlich auf seinen Gegenüber ein und beachtete mich gar nicht. Der zweite jedoch hatte dunkelbraune Haare, rehbraune Augen und eine gelangweilte Miene aufgesetzt. Ich wollte mir augenblicklich auf die Stirn schlagen.

So viel Pech konnte man doch gar nicht haben! Innerlich stöhnend sah ich an mir herunter. Natürlich hatte ich heute wieder eine Hose, ein lockeres Hemd und meine geliebte Mütze angezogen. Das bedeutete, der Prinz würde in mir sofort den Küchenjungen wiedererkennen. Und dann? Dann konnte ich mich vermutlich auf was gefasst machen. Ich musste also so schnell wie möglich hier weg. Nur musste es gleichzeitig so aussehen, als würde ich arbeiten, damit es nicht nach einer Flucht aussah. Um nicht aufzufallen, senkte ich den Kopf und arbeitete mich langsam mit Kehrbewegungen in Richtung... naja, eben weg von den Beiden. Wurde ich dabei wirklich die ganze Zeit angestarrt? Oder kam es mir nur so vor, weil ich genau das vermeiden wollte? Egal, ich musste jetzt an etwas anderes denken. Bald war es nicht mehr weit, bis sich der Gang verzweigte. Gleich war ich gerettet...

Nur am Rande bekam ich mit, dass sich der Herr, mit dem der junge Prinz gesprochen hatte, sich verabschiedete und in die entgegengesetzte Richtung lief. Ich konzentrierte mich darauf, mich so unauffällig wie möglich weiterzuschleppen. Noch ein Schritt, und noch einer, und noch - „Küchenjunge, pass auf!" Ich registrierte nicht sofort, woher der Ruf kam oder was er bedeutete. Ich sah nur, wie ich im nächsten Moment von der Seite ein paar Schritte nach vorne gestoßen wurde. Durch die plötzliche Wucht stolperte ich und wäre beinahe gefallen, doch jemand packte mich an meiner Taille und hielt mich fest. Erschrocken starrte ich in das Gesicht des Prinzen. Im selben Augenblick erklang ein ohrenbetäubendes Klirren. Der Kronleuchter, unter dem ich zuvor gestanden hatte, war zu Boden gekracht. Wäre ich nicht zur Seite geschubst worden, hätte der Kronkeuchter mich zerschlagen.

Mein Lebensretter hielt mich in meiner Schräglage immernoch an der Taille fest, dadurch war ich gezwungen ihm ins Gesicht zu sehen. Sein Ausdruck war sehr ruhig, er schien nicht so sehr überrascht über unsere Lage wie ich. Doch ließ er mich schnell wieder los, sodass ich mich richtig aufstellen konnte. Dabei bemerkte ich jedoch, wie etwas von meinem Kopf rutschte. Die hastige Bewegungen von vorhin hatten die Mütze verrutschen lassen, und nun... fiel sie ganz herunter. Ehe ich reagieren konnte, fielen mir lange, dunkelblonde Strähnen ins Gesicht, und ich spürte, wie auch der Rest meiner Haarwolke mir um die Schultern fiel. Nun sah der Prinz mich überrscht an. Tadaaa, ich bin ein Mädchen! rief ich gedanklich, schlug mir gleichzeitig jedoch innerlich vor den Kopf. Irgendwie fühlte ich mich bloßgestellt. Und ängstlich. Der durchdringende Blick des Prinzen, in dem ich nichts außer Überraschung lesen konnte, machte mir irgendwie Angst. Eine gefühlte Ewigkeit standen wir beide wie erstarrt da und sagten kein Wort. Dann durchbrachen fremde Stimmen die Stille.

„Hoheit, wir haben Lärm gehört! Seid Ihr verletzt?" Ein paar Wachmänner kamen auf uns zu. Der Prinz drehte den Kopf zu ihnen. Ich dagegen sah meine Chance und rannte so schnell ich konnte davon. Ich glaubte zu hören wie jemand „Warte!" rief, aber da war ich schon um die nächste Ecke verschwunden.

Sound of SilenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt