Kapitel 15

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Natürlich ließ mich das Schicksal an diesem Tag noch nicht in Ruhe. Warum auch? Jedenfalls stand ich gerade in einem der Speisesäle und wischte einen Tisch sauber. Im Raum befanden sich noch ein paar andere Frauen, die ebenfalls mit Putzen beschäftigt waren. Während der Arbeit sprachen sie miteinander und tauschten gegenseitig den neusten Klatsch aus. Ich hörte meist nur mit halbem Ohr zu, doch besonders heute lag meine Konzentration ganz woanders.
Meine Gedanken kreisten, so sehr ich mich dagegen wehrte, immer wieder um den Vorfall von heute morgen. Diesmal gingen mir jedoch etwas andere Gedanken durch den Kopf.

Hauptsächlich dachte ich daran, wie es zusammenpasste, dass mir der hochmütige, unfreundliche Prinz das Leben gerettet hatte. Besonders mir. Er konnte mich zwar unmöglich so sehr verabscheuen, dass er mich tot sehen wollte und deshalb nicht rettete, aber... Ach, keine Ahnung! Irgendwie verschaffte ihm die Tatsache, dass er mir das Leben gerettet hatte, meinen Respekt. Die Betonung lag auf irgendwie. Okay, Tia, zier dich nicht so! Der Mann hat dein Leben gerettet, also kannst du auch ein paar gute Gedanken über ihn zulassen. Konnte ich? Meiner Menschenkenntnis vertraute ich nicht wirklich. Oft hatte ich das Gefühl, einfach zu naiv für die Welt zu sein. Trotzdem, das sollte nicht an ihm oder einem anderen Menschen ausgelassen werden. Oder? Meine Güte, was war denn mit mir los?! Warum war ich denn nur so verwirrt?!

„... ist doch unglaublich, nicht wahr?" Sofie, die neben mir den Boden fegte, sah mich an in der Erwartung, ich würde ihr zustimmen. Was hatte sie eben gesagt? Seufzend schüttelte meine Mitbewohnerin den Kopf. „Du hast mir nicht zugehört, stimmt's?" Entschuldigend zuckte ich mit den Schultern. Der Blick, den sie mir zuwarf, glich der einer Mutter, die ihr Kind ansah und nicht wusste, was sie mit ihm anfangen sollte. „Was ist denn los mit dir? Warum bist du heute so abgelenkt?" Mir blieb keine Zeit zu antworten, da in diesem Moment die Tür zum Speisesaal aufging. Und wer kam herein? Ein Paar rehbrauner Augen. Ich war versucht, mir gegen die Stirn zu schlagen und laut zu stöhnen. Wie viel Pech konnte man an einem Tag haben? Gleichzeitig fragte ich mich, was der Prinz hier zu suchen hatte. Das Essen wurde erst in einigen Stunden serviert, was also machte er hier im Speisesaal?

Als die Frauen den Hohen Besuch bemerkten, stoppte jede in ihrer Arbeit und verbeugte sich oder knickste. Anne, die uns beaufsichtigte und der Tür gleichzeitig am nächsten war, trat vor und ergriff das Wort: „Eure Hoheit, welche Ehre! Können wir Euch irgendwie behilflich sein?" Der Prinz strich sich eine dunkelbraune Haarsträhne aus dem Gesicht, während seine Augen den Raum nach etwas absuchten. „Nun, um ehrlich zu sein..." begann er zu sprechen. Dabei streifte sein Blick mich und blieb an mir hängen. „...bin ich auf der Suche nach jemandem. Wenn möglich würde ich gerne mit dem Mädchen dort drüben sprechen." Er deutete auf mich. Alle Blicke im Raum hefteten sich schlagartig auf mich. Ich erstarrte. Anne zog eine Augenbraue hoch, sie schien zu merken, dass etwas nicht stimmte. Doch sie schluckte jede Bemerkung hinunter und antwortete stattdessen: „Aber natürlich, Eure Majestät." Auffordernd sah meine Chefin mich an. Als ich mich nicht bewegte, half Sofie nach indem sie mir das Putztuch aus der Hand nahm und mich sanft nach vorne schob. Dabei sagte sie nichts, sondern bedachte mich stattdessen mit einem Blick, der sagte: Ich hab keinen Schimmer, was hier vor sich geht, aber ich will später ALLE Details!

Nur mühsam gelang es mir, eigenständig einen Fuß vor den anderen zu setzen und vorbei an den immernoch starrenden Frauen zum Prinzen zu gehen. Unterwegs sah ich an mir herunter. Ich hatte mittags meine Kleidung gewechselt. Nun trug ich das lindgrüne Kleid, das ich auch bei meiner Ankunft im Schloss getragen hatte. Meine Haare waren einfach hochgesteckt, jedoch hatten sich bereits kleine Strähnen aus der Frisur gelöst. Immerhin konnte ich nun unverkennbar als Frau identifiziert werden, dachte ich. Vor dem Prinzen angekommen knickste ich kurz und vermied es dabei zu ihm aufzusehen, bevor er mit seinem Arm nach draußen wies, ebenfalls ohne mich dabei anzusehen. Ich ging zuerst hinaus, Annes bohrenden Blick dabei spürbar auf meinem Rücken. Dann folgte Prinz Kilian und verschloss die Tür hinter uns.

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