Kapitel 9

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„Das hast du nicht gemacht!" Sofie starrte mich ungläubig an. Als Antwort zuckte ich mit den Schultern. Es war der Morgen nach dem seltsamen Zusammentreffen mit dem Prinzen. Wir standen im Schlosshof und hängten gerade verschiedene Wäschestücke zum Trocknen auf. Da wir alleine waren, hatte ich ihr von meinen Zusammenstoß erzählt.
Sie sah mich noch ungläubiger an. Dann verfiel sie auf einmal in schallendes Gelächter, das man sicher über den ganzen Hof hören konnte. Hastig ließ ich das Kleidungsstück, das ich eben noch in der Hand gehalten hatte, los und griff nach ihr um sie zu beruhigen. Wenn jemand mitbekam, über was sie lachen musste, würde es vermutlich großen Ärger geben.

Ein Grinsen konnte jedoch selbst ich nicht verbergen, als ich sie so lachen sah. Nach einer Weile beruhigte sie sich endlich. „Bist du denn lebensmüde?" brachte sie dann hervor. Schuldbewusst zog ich die Schultern hoch. Im Nachhinein war mir klar, dass ich nicht gerade klug gehandelt hatte.
Ich hab nicht nachgedacht. Er mag vielleicht ein Prinz sein, das gibt ihm aber noch lange nicht das Recht so unhöflich zu sein. Kopfschüttelnd sah sie auf meine Notiz. „Und du dachtest, da bringst du ihm halt einfach mal Manieren bei!" Wieder zuckte ich mit den Schultern und sah zu Boden. Ich weiß, das war dumm von mir. Grinsend schüttelte sie wieder den Kopf. „Nein, das war genial!" Mit einem stolzen Grinsen fuhr sie mit ihrer Arbeit fort. „Endlich sagt ihm mal jemand wo es lang geht. Oh, ich wünschte ich wäre dabeigewesen!" Ich war zwar nicht wirklich überzeugt davon, dass meine Aktion tatsächlich so toll war, aber immerhin munterte Sofies Art mich auf und ich schaffte es, das Ganze ebenfalls für ein paar Momente einfach nur witzig zu finden.

Mit uns und unserer Umwelt zufrieden gingen wir wieder an die Arbeit. Es war früher Abend als wir alle Wäsche fertig aufgehangen hatten. Erschöpft, aber zufrieden hoben wir die nun leeren Wäschekörbe hoch und liefen in Richtung nächster Dienstboteneingang. Kurz bevor wir die Tür erreichten, stockte ich. Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung war. Nicht ungewöhnlich, schließlich waren wir nicht die einzigen im Schlosshof. Diese Bewegung ließ mich jedoch instikiv wenden und nach ihrem Ursprung suchen. Quer über den Schlosshof, vermutlich zehn Meter entfernt von uns, standen zwei Personen. Einer hatte mir den Rücken zugewandt. Ich konnte nur erkennen, dass es ein älterer Herr sein musste. Den anderen Mann jedoch erkannte ich sofort. Prinz Kilian sprach nicht viel mit seinem Gegenüber, er schien eher zuhören zu müssen. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, nichts was ihn kümmerte oder besonders erfreulich war. Heute trug er eine Prinzenuniform, die ihn klar als eine höher stehende Person auswies. Beinahe gelangweilt ließ er seinen Blick darum über den Hof schweifen... und blieb an mir hängen.

Erschrocken drehte ich mich weg und lief hastig durch die Tür, wo mich Sofie schon erwartete. „Ist etwas?" Ich antwortete nicht. Zwar hatte ich seinen Blick nicht länger als einen Moment erwidert, doch das hatte ausgereicht um zu wissen, dass er mich nicht vergessen hatte. Unruhig dachte ich daran, was mir womöglich noch bevorstand.
Um Sofie nicht zu beunruhigen, tat ich trotzdem als sei nichts passiert und ging mit ihr zu unserem Zimmer.
Sobald ich auf das harte Bett gesunken war, spürte ich die Schmerzen in meinen Knochen. Wann würden sie wohl aufhören? Wann würde mein Körper sich endlich an diese harte Arbeit gewöhnen? Gedankenverloren starrte ich auf meine Handflächen. Die durch die Arbeit entstandenen Schrammen war mittlerweile zwadr verheilt, doch die Verbände trug ich dennoch zum Schutz meiner Haut. Sie war zu zart für grobe Handwerksarbeit. Seufzend ließ ich die Hände wieder sinken. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis sich dies änderte.

Ein Blick zu meiner Mitbewohnerin zeigte mir, dass sie bereits eingeschlafen war. Ihr Mund war offen, eine Haarsträhne hing in ihrem Mund und sie schnarchte leise. Der Anblick entlockte mir ein kleines Lächeln, bevor ich mich abwandte und zur Seite drehte und nach meinem Medaillon griff, dass ich auch im Schloss stets unter meiner Kleidung trug. Nachdenklich drehte ich den Anhänger in meinen Fingern und betrachtete ihn ganz genau, so wie ich es schon unzählige Male getan hatte. Das Medaillon war aus purem Silber und besaß eine ovale Form. Auf der Vorderseite war eine Rose eingraviert. Die zarten, halb geöffneten Blätter ließen vermuten, dass die Blume bald ganz aufblühen würde. Wenn sie denn echt wäre. Der Rand des Ovals war mit filigranen Ranken verziert.

Ich war versucht mir auch den Inhalt des Medaillons anzusehen. Natürlich wusste ich bereits, was sich darin befand, doch gerade deshalb traute ich mich nicht es zu öffnen. Schlussendlich tat ich es doch. Die linke Seite zeigte das Bild, welches ich selbst im Schlaf genau beschreiben konnte. Mein erster Blick fiel sofort auf die junge, hellblonde Frau mit den smaragdgrünen Augen. Ihr sanftmütiges Lächeln ließ mein Herz verkrampfen und meinen Atem nur noch stockend voran gehen. Mein Blick verschwamm. Ich konnte den Rest des Bildes nicht mehr wahrnehmen, das wollte ich auch gar nicht. Ihr Gesicht hatte ausgereicht, damit mich eine Welle der Trauer übermannte und stille Tränen meine Wangen hinunter liefen. Ich fühlte mich alleine. Alleine und verloren. Weinend schloss ich die Augen und drückte das Medaillon fest an mich. Ich vermisse euch so sehr, Mama.

Sound of SilenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt