~Kapitel 16~

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Der gestrige Abend verlief wie gewollt. Emely und Julian trafen sich alleine. Nick sagte kurzfristig ab und ich ging mit Matt spazieren. So wie jeden Abend. Es hat sich so eingespielt und ich bin überaus froh darüber. Wir redeten über alles mögliche. Es ist immer so befreiend. Ich weiß nicht, wie er das hinbekommt, aber er ist echt gut darin. Man hat Spaß und ich habe es geschafft nicht über meine ganzen Probleme nachzudenken.

Matt äußert sich nicht über Liams Verhalten, was verständlich ist. Er kann schließlich nichts für das bescheuerte Handeln meines Bruders. Mit Matt vergesse ich die schlechten Dinge und so kann es weiter gehen, bis der Monat vorbei ist. Ich habe meinen täglichen Ablauf, der zwar immer gleich, aber trotzdem gut auszuhalten ist.

Jetzt sitze ich beim Mittagessen. Neben mir ist Matthew und gegenüber sitzt Carolina. Wir unterhalten uns gerade, als Carolina auf die Tür zeigt: „Da ist ja Liam. Wann ist der denn gekommen? Ich habe ihn noch gar nicht gesehen."

Mein Herzschlag erhöht sich um das Doppelte. Sie winkt ihn zu uns: „Liam! Komm mal her!" Nein! Rufe ich innerlich. Er soll nicht kommen. Bitte nicht. Ich will aufstehen, doch eine Hand legt sich auf meine und drückt leicht zu. Es sieht keiner, da meine Hand unter dem Tisch ist. Panisch sehe ich zu Matt, der mir ein beruhigendes Lächeln schenkt. Trauriger Weise hält das diesmal nicht lange an.

Carolina steht auf, als Liam sich nähert und neben unserem Tisch stehen bleibt: „Liam, was ist passiert?" Ich lasse mir meine Haare vor das Gesicht fallen, damit er mich nicht gleich erkennt, wenn er es nicht schon getan hat.

„Ist halb so schlimm. Eine Schusswunde und einen verstauchten Knöchel. Nichts weiter", säuselt er.

Aus der Situation heraus sehe ich ihn an. Es ist das erste Mal, dass ich seine Stimme höre. Carolina zeigt auf mich: „Das ist Charlie. Sie ist eine der Schülerinnen, die für einen Monat hier sind." Unsere Blicke treffen sich. Seine grünen Augen sehen matt aus. Man erkennt nichts darin. Keine Trauer, keinen Schmerz, keine Freude. Pure Leere. So wie ich mich ihm gegenüber fühle. Ich schenke ihm ein erwartungsvolles Lächeln, dass aber mehr von Enttäuschung geprägt ist.

„Hey", entgegnet er etwas unsicher. Ich antworte nicht gleich. Es folgt eine Pause.

Ich schüttele unter dem Tisch die Hand von Matt ab und stehe auf: „Wenn du sonst nichts zu sagen hast, Liam. Dann musst du dich auch nie wieder mit mir abgeben." Es ist mir egal, dass Carolina das gerade mitbekommt, denn es ist die Wahrheit. Liam öffnet seinem Mund, als wolle er was sagen, doch es kommt nichts heraus. Kopfschüttelnd gehe ich an ihm vorbei. Ihm keines Blickes würdigend. Er hat es nicht verdient. Und ich will ihn auch nicht mehr ansehen müssen.

Ich höre wie Matt mir hinterher ruft: „Charlie, warte!" Ich warte aber nicht, sondern gehe stur weiter.

Ich stelle das Tablett weg und spute aus der Kantine. Schritte hallen hinter mir wieder, die Matt gehören. Er hält mich an den Schultern zurück: „Hey, warte doch! Du kannst mich nicht einfach bei denen lassen."

Ich drehe mich wütend zu ihm um. „Du sollst dich nicht meinetwegen mit ihm streiten. Das zwischen mir und ihm ist was anderes. Geh zurück zu ihm!", fordere ich ihn sauer auf. Ich will unter keinen Umständen daran Schuld sein, dass deren Freundschaft zerbricht.

„Ich streite mich nicht nicht mit ihm. Trotzdem bin ich lieber bei dir", schnauft er, während er mir tief in die Augen blickt. „Na, komm! Wir gehen raus."

Ich widerspreche nicht. Wie von alleine bewegen sich meine Füße in Richtung des Ausgangs. Draußen nieselt es und es ist kalt. Ich habe meine Jacke dummerweise nicht mitgenommen. Das macht die Kälte nicht gerade erträglicher.

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