„Wo möchtest du als erstes hin?"
Habe ich das gerade richtig verstanden? Hat er mich mit du angesprochen, obwohl er derjenige war, der diese "Nähe" nicht wollte?
Elegant fährt sich der Soldat durch seine hellbraunen Haare, während seine blauen, von der Sonne glänzenden, Augen den Kontakt zu den meinen suchen. Es verschlägt mir wortwörtlich die Sprache. Sie ziehen mich in ihren starken Bann und verursachen, dass sich die Welt anstatt mit uns, um uns dreht. Es ist als würde alles stehen bleiben. Für einen Moment.
Ein mir unbekanntes Gefühl breitet sich in meinem Bauch aus. Es ist ein Kribbeln, dass auf der einen Seite echt schön ist, doch auf der anderen Seite unbeschreiblich beunruhigend. Wie kann man nur so etwas fühlen? Man kann es mit Schmetterlingen vergleichen, die plötzlich durch einen Sturm anfangen herumzufliegen. Vorher lauerten sie ohne jegliche Regung in ihren Höhlen oder dort wo sie sich eben aufhalten und dann kommt ein Sturm an Gefühlen, den mein Körper und ich nicht kennen. Sie fliegen durcheinander, lassen sich von dem Wind mitreißen. Ich kann nur hoffen, dass man von außen nichts von der Unruhe in mir drinnen mitbekommt.
Das Kribbeln lässt mich für einen Bruchteil einer Sekunde von ihm wegsehen, da es nicht mehr auszuhalten ist. So viele positive Gefühle bin ich eindeutig nicht gewöhnt.
Sein raues Lachen lässt mich wieder zu ihm aufsehen: „Jetzt habe ich dich aus der Fassung gebracht oder?"
„Ich dachte, dass wir uns siezen?", bringe ich schüchtern hervor, als ich meine Stimme wieder finde.
„Und ich dachte, dass ich bei dir eine Ausnahme machen werde." Er lächelt mich charmant an, dass mir die Röte nur so ins Gesicht steigt.
„Dann will ich mich mal nicht beschweren", versuche ich meine Selbstsicherheit zurück zu ergattern, was mir mehr oder weniger gelingt.
„Anscheinend sind wir uns einig", verdeutlicht er siegessicher. „Also, wo willst du als erstes hin?", fügt er hinzu.
Ich überlege: „Mm... Ist es nicht sinnvoller, wenn du mir sagst, wo es hingeht? Ich weiß schließlich nicht mal, was es alles zu sehen gibt."
„Wie du willst. Dann komm!" Wir setzen uns wieder in Bewegung. Die Welt beginnt sich wieder zu drehen und alles nimmt seinen Lauf. Wir sind wieder ein Teil des gesellschaftliches Lebens und unsere kleine, so eben erschaffene Welt rückt in den Hintergrund.
Er zeigt auf einen Bereich mit vielen Bäumen, Bänken und Tischen, die auf einer Wiese stehen: „Das ist ein Aufenthaltsbereich. Dort verbringen wir gerne unsere Pausen oder freien Tage." Das Gras hat einen saftigen Grünton. Es scheint als wäre ein Halm exakt so groß, wie der andere. Haben die eventuell jeden Grashalm einzeln abgemessen und dann mit einer Schere auf genau 1,5cm gekürzt? Ich muss bei der Vorstellung lachen, dass der Hausmeister mit einem Lineal auf dem Rasen liegt und die Halme misst.
Matthew sieht zu mir: „Was ist so lustig?"
„Ich habe mir vorgestellt, wie der Hausmeister den Rasen abmisst, damit jeder Halm gleich groß ist", gebe ich zu und bereue es in der nächsten Sekunde. Das muss sich ja dumm anhören.
Er macht aber keine Geste, die mich für dumm verkaufen lässt, sondern lächelt vor sich hin: „Es gibt ein Gerät namens Rasenmäher, der so ähnlich arbeitet."
Gespielt beleidigt haue ich ihm leicht auf die Schulter: „Du weißt, wie ich das meine."
„Ach ja, weiß ich das?", gibt er ironisch von sich.

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Inexcusable
RomanceCharlie Bennett, ein Mädchen, das hautnah erfahren muss, wie es sich anfühlt sein ganzes Leben lang mit einer Lüge aufzuwachsen, muss in ein Camp, um dort die Wahrheit über ihre gesamte Geschichte zu erfahren. >> Es war wie ein Schlag direkt ins Ges...