~Kapitel 54~

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Wie in Zeitlupe drehe ich mich um und sehe zuerst in ein mir vertrautes Gesicht. Nur einen Meter steht er von mir entfernt und lächelt mich breit an. Ich halte mir meine Hände vor den Mund blinzele ein paar Mal, um sicher zu gehen, dass er es auch wirklich ist. Im nächsten Moment falle ich ihm weinend um den Hals. Natürlich sind es Freudentränen.

Meine Arme krallen sich um den Körper meines Gegenübers, der noch seine Uniform trägt und sich mindestens genauso freut mich zu sehen, wie ich ihn. Er gibt mir einen Kuss auf die Haare: „Hey." „Liam", lächele ich weinend. Er streicht mir beruhigend über den Rücken: „Alles ist gut." „Ich hatte solche Angst um dich", schluchze ich. Er drückt mich von sich, um mich anzusehen: „Das glaube ich dir. Hast du nicht geschlafen?"

Ich wische mir die Tränen von der Wange: „Doch, aber nicht richtig." „Du siehst aber auch nicht gerade erholt aus", bemerke ich. Er hat eine Wunde an der Stirn. Fast an der gleichen Stelle wie damals als er das erste Mal von dem Einsatz zurückgekommen ist und ich ihn im Dunkeln gesehen habe. Sonst sieht er müde aus. Augenringe zieren seine Lider und ein paar blaue Flecken sind zuerkennen, aber nichts ernstes.

Lizzy steht auf und kommt zu uns. Sie nimmt Liam kurz in den Arm und sieht ihn fragend an: „Wo kommst du her?" Erst jetzt bemerke ich Matt, der breitgrinsend hinter Liam steht. „Matt", rufe ich freudig und hüpfe ihm in die Arme. Lizzy steht mit offnem Mund neben mir: „Das ist Matt?!" Matt legt einen Arm um mich und hält Lizzy die Hand hin: „Du musst Lizzy sein." Lizzy nimmt die Hand erstaunt entgegen. „Wow, der ist heißer, als ich gedacht hätte", raunt sie mir zu, doch Matt scheint es gehört zu haben, denn er sieht mich grinsend an.

„Wäre ich nicht in Nick verliebt, wäre ich allerdings noch mehr hin und weg", lacht sie. Liam sieht sich suchend um und weiter hinten bleibt er bei einer Gruppe von älteren Jungs hängen, die alle um jemanden herum stehen. „Apropos Nick, guck mal Lizzy!" Liam zeigt auf diese Gruppe von Jungs. Einer von ihnen sticht heraus und dieser jemand blickt gerade in unsere Richtung. Nick. Lizzy stampft einmal wütend aber irgendwie auch erleichtert auf den Boden: „Verdammt, Nick!"

Sie beginnt zu rennen und bleibt erst stehen, als sie bei ihm ankommt und ihm in die Arme springt. Ich lächele Liam an: „Ihr habt es beide geschafft." Liam legt einen Arm um mich: „Natürlich. Ich bin der beste. Weißt du doch." Ich schüttele grinsend den Kopf. „Jetzt will ich aber wissen, was hier los ist. Warum habt ihr euch gestritten?", wird er ernst.

Der fette Junge und seine Freunde stehen etwas ahnungslos rum. „Sie haben Justin beleidigt und gesagt, dass sie sich an ihm rächen wollen." Die Jungs werden sichtlich nervös, bei dem Anblick von einem beziehungsweise gleich zwei Soldaten. Mir bereitet das Ganze noch mehr Spaß. Liam merkt deren Unsicherheit ebenfalls und macht sich einen Spaß daraus: „Ihr wollt euch also an meinem Bruder rächen? Das finde ich interessant. Nicht? Wart ihr es nicht, die ihn immer zu irgendwas drängen wollten und wenn jemand nicht nach eurer Pfeife tanzt, wollt ihr euch rächen? Niveaulos."

Ich hatte Liam kurz von Justins Problemen erzählt, hätte aber nicht gedacht, dass er sich das gemerkt hat. „D... Sie ... sind ... also Justins Bruder?", stammelt der Junge. Ich muss mir ein Lachen verkneifen. „Da siehst du's selbst. Du kennst ihn nichtmal und verlangst Sachen von ihm, die er tun soll. Keine Ahnung um was es da ging, aber ganz ehrlich, von dir würde ich mich auch nicht rumkommandieren lassen. Und wenn man ein bisschen Grips hat, macht das auch kein anderer. Also lass ihn gefälligst in Ruhe, sonst bekommst du ernsthaft Probleme! Haben wir uns verstanden?"

Liam klingt dabei richtig wütend und ernst, sodass man echt Angst bekommen würde, wenn man ihn nicht kennt. Die Jungs nicken alle stark und ich bin mir sicher, dass sie Justin in Zukunft in Ruhe lassen werden. „Ja, Sir", sagt der Junge und macht, dass er hier wegkommt. Seine Mitläufer sputen ihm zügig nach. Ich falle Liam um den Hals: „Du bist echt der beste, Liam."

Liam lacht: „War gut oder?" „Wow. Danke, Liam", ertönt plötzlich die Stimme von Justin. Wir fahren auseinander und lächeln Justin an, der mit großen Augen vor uns steht. Matt lächelt mich an und verschränkt unsere Finger miteinander: „Ihr seid eine tolle Familie." „Du hast aber auch eine wunderbare Familie", beteuere ich.

Liam klopft Justin auf den Rücken: „Kein Problem, kleiner. Brüder halten zusammen." Justins Augen leuchten auf, als er ihn als „Bruder" bezeichnet. „Es tut mir echt leid, dass ich bei unserem ersten Treffen so verdammt dumm war. Ich war wohl überfordert mit allem. Danke, dass du mir geholfen hast. Ich freue mich, euch als meine Geschwister bezeichnen zu dürfen", sagt Justin stolz.

Liam legt seinen Arm um ihn: „Alles ist gut, Justin. Ich verstehe dich. Ich habe gelernt, dass man als Familie zusammenhält und immer füreinander da ist. Egal, welche Fehler man macht." Er wirft mir dabei einen Blick zu. Er hat recht. Jeder macht Fehler und das ist normal. Die Kunst ist es zu ihnen zu stehen und zu lernen auch anderen verzeihen zu können. Jeder Mensch hat diese Fehler. Letztendlich wächst man aus ihnen.

Man lernt aus ihnen und gibt sein bestes, um sie in der Zukunft zu vermeiden. Ohne diese Makel wären wir nicht wir. Wir wären anders und möglicherweise würden wir nicht zu denen heranwachsen, die wir einst sein werden. Fehler gehören dazu.

„Ihr seid so süß zusammen", trällert Emely. „Eine richtige Familie", fügt sie hinzu. Wir grinsen uns alle an und nehmen uns in den Arm. „Ist noch niemanden aufgefallen, dass die drei alle das gleiche Grinsen haben?", bemerkt Max verdattert. Wir müssen alle lachen. Eine Familie hat Gemeinsamkeiten. Das ist das schöne an einer Familie. Sie haben viele Ähnlichkeiten. Und wenn eines dieser Merkmale vielleicht nicht so schön ist, hat es trotzdem jeder.

Und jeder lebt damit. Untereinander sind einem die Makel der anderen egal. Man hält zusammen egal was kommt. Eine Familie ist füreinander da. Man lacht und weint zusammen. Man streitet, doch vergibt auch wieder. Das alles gehört zum Leben dazu. Eine Familie ist was besonders und man schätzt in viel zu wenigen Momenten, wie wertvoll die Zeit doch ist, die man zusammen verbringt.

Ihr könnt mir glauben, ich bin jetzt schon durch so einige Phasen gegangen, wo ich gemerkt habe, dass es das letzte Mal gewesen sein könnte, wo ich eine Person gesehen habe. Ich habe es bereut nicht immer gezeigt zu haben, wie wertvoll die Person doch ist und wie viel sie mir bedeutet. Jetzt nehme ich mir vor die gemeinsame Zeit mehr zu genießen.

Klar kann man nicht ständig denken, das könnte das letzte Mal sein, aber man sollte es jedenfalls im Hinterkopf behalten.

Ich bin stolz auf mich, dass ich das alles geschafft habe. Noch stolzer bin ich, weil ich es gemeinsam mit den wichtigsten Personen in meinem Leben geschafft habe. Dazu gehören meine Freunde, sowie Matt und meine Familie, die mich immer unterstützen und für mich da sind.

Es ist wie der Psychologe gesagt hat. Man muss an den Menschen festhalten, die einem wichtig sind und die einem gut tun. Denn das sind die, die dich ein Leben lang begleiten werden. In guten, sowie in schlechten Zeiten.

Wenn sie es nicht tun, dann sind es die falschen Menschen.

„Ich habe euch alle lieb", lächele ich in die Umarmung.

„Wir haben dich auch lieb", lachen meine beiden Brüder und Matt.

Ich will sie nie verlieren, denn sie sind die Personen, denen ich alles anvertrauen würde und bei denen ich weiß, dass sie in jeder noch so schlimmen Situation zu mir halten werden.

Inexcusable Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt