~Kapitel 29~

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„Mist! Schneller ihr beiden!", schreit Carolina über die Sirenen hinweg. „Was ist hier los?", frage ich fast schon weinend.

Carolina schaltet das fahle Licht neben ihrem Bett ein. Emely und ich sitzen schockiert auf unseren Matratzen und verstehen nicht, was hier vor sich geht.

„Zieht euch endlich an!", befiehlt sie hektisch. Ich löse mich aus meiner Starre und ziehe mir zügig die Uniform über. Auch Emely gehorcht und zieht sich um. Plötzlich fliegt die Tür auf: „Ich nehme Charlie mit! Kümmere du dich um sie!" Er zeigt auf Emely, die genauso wie ich noch komplett planlos ist.

Carolina nickt: „Okay." Sie scheint Angst zu haben.

Matt greift kraftvoll nach meiner Hand: „Los!"

Kurz sieht er zu Carolina: „Viel Glück!" Dann reißt er mich mit sich aus dem Raum. Auf dem Flur sind Sirenen, die im roten Licht blinken.

Sie lösen nur noch mehr Panik in mir aus. „Was ist das?", frage ich ängstlich.

„Der Stützpunkt wird angegriffen", schreit er, damit ich ihn auch hören kann. Im ersten Moment verstehe ich nicht, was das heißt. Doch als es mir bewusst wird, läuft es mir eiskalt den Rücken runter. Hier sind Leute, die uns umbringen wollen. Oder verstehe ich da was falsch? Ich hoffe, dass ich es falsch interpretiere, doch dann kommen mir Matts Worte in den Kopf. Weißt du noch, wie man mit Waffen umgeht? Er hatte eine Vorahnung, dass das passieren würde. Der Flur füllt sich immer mehr und es ist das erste Mal, dass ich ihn so voller Menschen sehe. Er drängelt sich mit mir durch die Masse hindurch.

„Liam!", rufe ich panisch aus. Was ist mit ihm? Er muss mitkommen. Matt zieht mich zu seinem Zimmer. Dort steht mein Bruder. Kreidebleich im Gesicht. Leere Augen. Angst.

Mir fällt auf, dass er die Krücken nicht bei sich hat. Wie soll er so laufen? Er kommt auf uns zu. „Wir müssen uns Waffen besorgen. Sonst haben wir keine Chance", bestimmt Matthew.

Liam nickt bloß.

„Kannst du laufen?", fragt Matt ihn, woraufhin Liam schwer schluckt. Er weiß, dass es nicht geht, aber er nickt. Matt nimmt es hin - was anderes bleibt uns gar nicht übrig: „Dann los!  Wir müssen zu dem Waffenraum." Sein Griff um mein Handgelenk wird enger: „Wenn uns Leute mit Waffen entgegenkommen, hälst du dich an meine Anweisungen."

Was sollte ich anderes tun? Schließlich bin ich hilflos. Matt wartet nicht ab, sondern rennt los. Liam ist hinter uns. Wir rennen die Treppen runter. Unten sieht Matt sich um, ob irgendwo Feinde zu sehen sind. Liam ist langsamer als wir, hält sich aber gut. Hinter uns in dem Getümmel höre ich Emelys Stimme: „JULIAN!!!  WARTE!"

Selbst bei dieser enormen Lautstärke kann ich ihre Stimme deutlich ausmachen. Sie tut mir leid, da sie anscheinend mit ihm gehen will, aber er sie möglicherweise nicht hören kann. Und selbst wenn, was will er machen? Er ist genauso unerfahrnen wie sie. Matt zieht mich durch einen hinteren Gang. Durch die Eingangshalle können wir nicht. Da sind zu viele Gegner. An jeder Ecke stellen wir uns eng an die Wand und sehen um uns herum, ob jemand dort ist. Meine Beine zittern und ich habe Angst. Ich fühle mich nicht sicher. Als würde jeden Moment jemand um die Ecke gerannt kommen und uns erschießen.

Nach gefühlt hunderten von Gängen kommen wir an dem Raum mit den Waffen an. Die Tür steht offen. Matt zieht mich herein. Ein paar andere sind hier und wollen sich ebenso ausrüsten. Matt lässt mich los und geht alleine in den Raum, um uns Waffen zu holen. Ich lehne mich erschöpft an die Wand. Ich bin müde. Das ist zu viel für mich. Liam ist neben mir. Er hat sich auf den Boden gesetzt und reibt sich den Fuß. Sein Gesicht ist schmerzverzerrt. Ich hocke mich zu ihm: „Geht es?"

Er schüttelt den Kopf: „Nein." Es schockt mich. Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet. Es ist das erste Mal, dass er seinen Schmerz nicht versteckt. An sich ist das gut, aber nicht in dieser Situation. Er muss das schaffen. Ich umarme ihn, doch Liam reagiert nicht darauf.

Inexcusable Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt