~Kapitel 3~

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Ich sitze mit Lizzy und Nicklas in einer Ecke der Pausenhalle. Die beiden streiten sich über irgendetwas belangloses. Das geht schon seit gefühlt einem Monat so. Mal streiten sie über wichtige mal über eher unwichtigere Themen. Früher hatten die beiden eine echt gute Beziehung, doch in letzter Zeit gibt er mehr Auseinandersetzungen, als schöne Zeiten. Lizzy leidet unter den ständigen Streits und auch Nicklas scheint alles andere als glücklich zu sein. Ich habe Lizzy gesagt, dass sie die Beziehung beenden muss, wenn es nicht mehr funktioniert. Andererseits kann ich verstehen, dass die beiden zusammen eine Menge durchgemacht haben und das alles nicht einfach so hinwerfen wollen.

Ich beneide sie für ihre Stärke. Dass sie nicht alles wegschmeißen, nur weil es vielleicht gerade mal nicht so gut läuft. Stattdessen versuchen sie eine angebrachte Lösung zu finden. Was ich allerdings zugeben muss ist, dass den beiden eine Auszeit gut tun würde. Diese werden sie auch bald bekommen, ob sie wollen oder nicht. In kurzer Zeit geht es in die Camps und dann sehen sich die beiden einen Monat lang nicht.

Lizzy geht in das Künstlercamp und Nicklas kommt mit mir ins Militärcamp. Er geht aber im Gegensatz zu mir gerne dorthin. Bei ihm lief das genaue Gegenteil ab, als bei mir Zuhause. Seine Eltern wollten, dass er in das Wissenschaftscamp geht, anstatt ins Militärcamp. Und bei mir wollten meine Eltern umbedingt das Militärcamp, oder auch das von mir genannte Sportcamp.

„Du hast doch eh nie Zeit dich mit mir zu treffen. Was soll ich dann auf deinen Fußballspielen?", beschwert sich Lizzy.

„Du kannst dir ja meine Spiele ansehen und danach unternehmen wir was zusammen", kontert Nicklas. Zeit ist bei den beiden das häufigste Streitthema. Lizzy will so viel Zeit wie möglich alleine mit ihrem Freund verbringen, während Nicklas gerne etwas mit seiner Mannschaft machen will.

Lizzy verschränkt beleidigt die Arme vor der Brust: „Ich gehe doch nicht mit deiner ganzen Mannschaft zusammen irgendwo hin. Dazu kommt, dass ich das einzigste Mädchen dort bin."

Nicklas schüttelt genervt den Kopf: „Erstens sind da auch andere Mädchen dabei, die weitaus nicht so verkrampft sind wie du und zweitens ist es alleine deine Einstellung. Alles ist beschissen, wenn andere dabei sind. Du glaubst doch nicht, dass ich mich jeden Nachmittag mit dir in dein Zimmer lege und irgendwelche Schnulzenfilme gucke."

Okay, das war gemein. Ich meine, ich kann ihn verstehen, aber das kann man auch anders ausdrücken. Sie will schließlich nur mehr Zeit mit ihm alleine verbringen. Lizzy ist entsetzt und ich sehe, dass sie mit den Tränen kämpft: „Dann geh doch mit einem der Mädchen aus, die nicht so verkrampft sind wie ich."

Eigentlich will ich mich ohne Ausnahmen aus deren Angelegenheiten raushalten, aber jetzt bin ich rein theoretisch gezwungen was dazu zu sagen: „Nicklas, geht's noch? Sie will doch nicht jeden Tag mit dir alleine verbringen. Sie will nur, dass du dir mehr Zeit für sie nimmst, weil du immer mit deinen Kameraden rumhängst."

Nicklas schnauft: „Du tust so, als würden wir uns nie sehen." Energisch steht er auf und lässt uns alleine.

Lizzy stützt ihren Kopf auf den Händen ab und schließt seufzend ihre Augen: „Ich kann das nicht mehr. Ständig streiten wir uns."

„Hey, alles wird gut. Es ist normal, dass man sich streitet", versuche ich sie aufzumuntern.

Die Klingel signalisiert uns, dass der Unterricht wieder beginnt. Mit schweren Schritten läuft Lizzy hinter mir her. Der Unterricht verläuft so wie immer vor den Ferien. Es läuft rein nichts mehr. Lizzy kritzelt auf ihrem Block herum. Ein gebrochenes Herz nach dem anderen. Heute Nachmittag kommt sie mit zu mir. Dann können wir uns mal richtig darüber unterhalten. Ich weiß, dass sie es nicht immer einfach hat. Ihre Eltern sind getrennt und sie lebt bei ihrer Mutter. Oft muss sie sich um ihre zwei kleineren Geschwister kümmern, weil ihre Mutter arbeitet. In Nicklas hat sie einen gewissen Halt gefunden.

Sie war so glücklich, als die beiden zusammen gekommen sind. Man hat richtig die Liebe in der Luft gespürt und jetzt spürt man den Hass. Nur dass der Hass viel unausstehlicher ist, als die Liebe. Leider kommt Hass meistens in Verbindung mit der Liebe und nur bei der ganz starken Verbundenheit kann der Hass nicht viel anrichten.

Der Tag vergeht und am Nachmittag werden wir von meiner Mutter von der Schule abgeholt. Wir fahren zu mir nach Hause, wo wir es uns richtig gemütlich machen und mal über alles reden.

„Wenn er nicht weiß, was er an dir hat, dann hat er dich auch nicht verdient. Ich meine, ich bin mit ihm befreundet und wir beide wissen, dass er ein echt netter Junge ist. Aber die Liebe ist nunmal etwas anderes. Ihr müsst den Punkt finden, wo ihr beide sagt, dass es nicht mehr geht, sonst kommt es dazu, dass ihr euch immer mehr streitet, bis ihr euch nicht mehr in die Augen sehen könnt. Und wenn ihr den richtigen Zeitpunkt findet, dann könnt ihr noch befreundet bleiben. Dann reicht es vielleicht nicht für eine feste Beziehung, aber Freundschaft ist doch genauso gut. Es wäre schade, wenn ihr euch komplett voneinander entfernt." Ich fühle mich, als hätte ich jahrelange Erfahrung in Sachen Beziehungen und dabei hatte ich nicht einen Freund.

Ich warte noch auf den richtigen, der leider noch nicht in meinem Leben aufgekreuzt ist. Lizzy sieht mich an: „Ich glaube, dass du nicht ganz unrecht hast. Ich will ihn nicht verlieren. Er ist mir wichtig."

„Wenn er dir viel bedeutet, dann überlege genau, was du tust. Glaub mir, du willst eine wichtige Person nicht los lassen müssen", gebe ich ihr einen Rat. Damit habe ich meine Erfahrung gemacht. Es ist schrecklich eine wichtige Person nicht mehr in der Nähe zu haben.

„Du denkst an Liam oder?"

Ich nicke. Aber ich will mir nicht ständig Gedanken um ihn machen. Ich will ihn mal vergessen. Es hört sich so verbrecherisch an, doch er hat es auch getan. Er hat mich hinter sich gelassen. Weggeworfen wie ein Blatt, dass man nicht mehr braucht. Jetzt weht das Papier hilflos und völlig alleine im Wind herum. Um es herum sich andere Blätter, die aber durch den Wind immer unerreichbar sein werden. Letztendlich muss jeder mit sich selbst klar kommen.

Ich schiebe die Gedanken beiseite: „Weißt du was? Heute denke ich nicht mehr an ihn. Bald sehe ich ihn und dann wird schon alles laufen. Wir machen uns jetzt einen schönen Nachmittag. Auf was hast du Lust?"

Ihr scheint die Idee zu gefallen. „Wie wär es mit einer Partie Schach?", grübelt sie.

Sofort beginnen meine Augen zu leuchten: „Das ist perfekt." Besser kann man sich nicht ablenken. Ich mag Schach. Möglich das ich nicht die beste bin, aber Lizzy und ich sind ungefähr auf dem gleichen Stand und so macht es auch echt Spaß. Es ist ein Spiel bei dem man mal wirklich nachdenken kann und das so schnell nicht langweilig wird.

Ich springe auf und hole das Spiel aus meinem Schrank. Wir beginnen.

Eine Dreiviertelstunde später schaffe ich es Lizzy Schachmatt zu setzen. Sie ist echt nicht schlecht, weswegen ich mich anstrengen musste. Allerdings muss ein gutes Schachspiel genauso verlaufen. Einfaches Gewinnen ist langweilig. Ich grinse vor mich hin, während Lizzy es noch nicht ganz aufgegeben hat und noch nach einem Ausweg sucht.

Schließlich sieht ihre Niederlage ein: „Ja, hast gewonnen. Herzlichen Glückwünsch." Wir beenden unsere Partie und räumen alles auf. Lizzy muss nach Hause, um auf ihre Geschwister aufzupassen. Ich weiß, dass sie zwar gerne Zeit mit ihren Geschwistern verbringt, aber es trotzdem nicht schön für sie ist, wenn sie deswegen von Freunden oder Veranstaltungen früher nach Hause muss.

Zum Abschied umarmen wir uns kurz. Dann verschwindet sie. Ich schließe die Tür und gehe zurück in mein Zimmer, wo ich gerade noch sehe, dass mein Handy blinkt. Ich werden angerufen.

Schnell schnappe ich mein Smartphone und gehe ran: „Hallo?" Auf dem Bildschirm ist eine mir unbekannte Nummer. Rauschen auf der anderen Seite der Leitung. Erneut frage ich: „Hallo. Wer ist da?"

Keine Antwort.

Ich will auflegen, doch dann höre ich eine Stimme, die ich seit Ewigkeiten nicht mehr gehört habe und von der ich als letztes erwartet hatte, sie so schnell wieder zu Ohren zu bekommen.

Inexcusable Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt