Schweißgebadet wache ich auf. Es war nur ein Traum. So wie immer. Zu stark fühlte es sich wie die Realität an. So, als hätte er tatsächlich hier vor mir gestanden. Ich hätte schwören können, dass ich Stimmen gehört habe. Ob es Liams war, kann ich nicht sagen. Dazu habe ich ihn zu lange nicht mehr gehört. Am Telefon hört sich die Stimme, so wie ich es finde, immer etwas anders an.
Ich setze mich im Bett auf. Was sagte er? Ich solle die die Augen öffnen? Warum? Was ist nicht so, wie es scheint? Ich kann es mir nicht erklären und schiebe die Gedanken beiseite. Die Anderen sind immer noch unten. Auf der Uhr sehe ich, dass ich erst eine halbe Stunde geschlafen habe. Es ist komplett still, doch ich glaube etwas auf dem Flur zu hören. Ich raufe mir meine Haare: „Bitte, lass es keine Einbildung sein." Sonst werde ich echt noch irre. Ich stehe aus dem Bett auf und öffne langsam die Zimmertür.
Das Licht des Flurs strahlt mir entgegen. Ich blinzele ein paar Mal, damit meine Augen sich an die Helligkeit gewöhnen können. Erleichtert atme ich aus, als ich sehe, dass dort wirklich jemand steht. Gott sei dank, es war keine Einbildung. Ich bin doch nicht komplett bescheuert.
„Matthew, was machst du da?", entgegne ich mit schlitzförmigen Augen. Erst jetzt bemerke ich das Telefon an seinem Ohr. Er dreht sich zu mir um: „Okay ... Nein ... Ja, ich verspreche es dir ... Ciao." Dann legt er auf und kommt auf mich zu: „Habe ich dich geweckt?"
Ich schüttele mit dem Kopf: „Nein."
„Wer war das?", frage ich. Er ignoriert meine Frage, sondern mustert mein Gesicht: „Warum sind deine Haare nass?"
Auch ich überspiele seine Frage: „Es war Liam oder?" Immer wenn mir jemand nicht antwortet, geht es um ihn. Das habe ich mittlerweile herausgefunden. Er legt mir eine Hand auf die Schulter, doch ich weiche zurück: „Beantworte meine Frage, Matthew!"
Er sieht mich mit einem schwachen Lächeln an: „Ja, er war es." „Ich will mit ihm sprechen. Ruf ihn nochmal an! Geht es ihm gut?", sprudelt es aus mir heraus. Ich muss mit ihm sprechen und zwar jetzt. Aufregung macht sich in mir breit, dass er Kontakt mit ihm hatte und ich die Möglichkeit haben könnte ebenso mit meine, Bruder zu sprechen.
Matthew betrachtet mich mit ernster Miene: „Du kannst nicht mit ihm telefonieren. Und Charlie, ich kann dir auch nichts darüber erzählen! Versteh es doch!"
Irgendetwas sagt mir, dass da was nicht stimmt und das gefällt mir ganz und gar nicht: „Ich habe ja nur gefragt, wie es ihm geht. Ich will keine Details. Er ist mein Bruder! Verdammt nochmal!" Am Ende werde ich ungewollt lauter. Wie kann er mir einen Anruf oder ein paar Informationen nur verbieten? Es geht hier schließlich um meinen Bruder.
„Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Und jetzt hör auf zu fragen!" Er kommt mir wieder ein Stück näher.
„Was heißt den Umständen entsprechend gut?" Ich gehe einen Schritt zurück. Matthew bleibt stehen und sieht mir fest in die Augen: „Es wird alles gut werden. Kannst du aufhören, dir so viele Gedanken zu machen? Bitte. Wir können von hier aus nichts beeinflussen. Er wird das schaffen."
Er hat ja irgendwie recht. Auf der Stelle tut es mir leid, dass ich ihn angeschrien habe. Er hat es sich auch nicht ausgesucht, dass Liam dahin musste.
„Tut mir leid", murmele ich.
„Ist okay. Ich kann dich verstehen. Verrätst du mir jetzt, warum deine Haare vorne so nass sind? Hast du noch geduscht?", fragt er mit seiner ruhigen rauen Stimme.
„Ich habe schlecht geträumt, wie immer." Ich senke meinen Blick auf den Boden.
Matthew kommt zu mir und hebt mit zwei Fingern mein Kinn an: „Willst du darüber reden? Machmal hilft das." Ich nicke. Er geht zu meinem Zimmer und zieht die Tür zu, die ich vorhin offen gelassen habe. Vielleicht kann er mir tatsächlich helfen. Letzten Endes ist es nämlich eine Einstellungssache und wie man damit umgeht.

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Inexcusable
RomanceCharlie Bennett, ein Mädchen, das hautnah erfahren muss, wie es sich anfühlt sein ganzes Leben lang mit einer Lüge aufzuwachsen, muss in ein Camp, um dort die Wahrheit über ihre gesamte Geschichte zu erfahren. >> Es war wie ein Schlag direkt ins Ges...