Szene C

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„Wie geht es ihm?", fragte Thomas besorgt, doch Julias Blick sagte ihm schon alles.

„Die Diagnose sieht nicht gut aus. Der Krebs ist wirklich weit fortgeschritten. Laut der Ärzte bleiben ihm noch maximal zwei Monate."

„Oh mein Schatz" Mit einem Seufzen nahm er Julia in seine Arme. „Das tut mir so leid."

Tränen rollten über die Wangen seiner Frau. "Wann wollen wir es den Kindern sagen?", flüsterte sie erstickt.

„Wir sagen ihnen die Wahrheit, aber noch nicht jetzt.", meinte Thomas. „Sie sind zum Glück noch so jung. Ellie wird sich in ein paar Jahren kaum noch an ihren Opa erinnern."

Julia nickte. „Er hatte ein gutes Leben.", meinte sie schließlich.

„Und er hat eine wunderbare Tochter hervorgebracht.", sagte Thomas und drückte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. Julia brachte ein schwaches Lächeln zustande.

„Seine Violine", meinte sie schließlich zögerlich.

Thomas hob die Augenbrauen. „Was ist damit?", fragte er.

„Ich habe mit ihm gesprochen. Sie soll Jakob gehören."

„Oh", mehr fiel ihm nicht ein. „Seine – seine Violine? Aber Jakob ist noch zu jung für ein solches Instrument."

„Ja, das ist er.", stimmte Julia ihm zu. „Jakob wird sie zu seinem 16. Geburtstag bekommen. Er muss noch lernen, wie man verantwortungsvoll mit so einem Instrument umgeht."

„Das sind noch fast zehn Jahre.", sagte Thomas besorgt. „Dem Instrument wird es nicht gut tun, wenn es so lange unbenutzt herumliegt."

Julia nickte nachdenklich. „Ich werde immer mal darauf spielen", erklärte sie schließlich. „Ich glaube, mein Vater ist damit einverstanden."

In diesem Moment klingelte es an der Tür. Von oben hörten sie ein Poltern, das eindeutig von Jakob herrührte, der die Treppe hinunterraste. Schon sauste er an seinen Eltern vorbei, um Felix die Tür zu öffnen.

„Es geht gleich los.", sagte er zur Begrüßung.

„Cool" Felix betrat das Haus, ließ jedoch Jacke und Schuhe an.

„Na dann, ihr zwei", sagte Thomas lächelnd und fuhr Jakob durch seine lockigen Haare. „Dann wollen wir mal."

Wie der Zufall es wollte, sollte Thomas in einer Woche Rachmaninoffs zweites Klavierkonzert spielen – ausgerechnet begleitet von Julias Orchester. Die Schlussfolgerung war, dass niemand auf die Kinder aufpassen konnte. Also wurden diese einfach mitgenommen. Wie so oft hatte auch Felix das Vergnügen, die Eltern seines besten Freundes auf die Probe zu begleiten. Schließlich war er in letzter Zeit ständig bei der Familie Leibach.

Seine Eltern waren beide berufstätig, meistens bis zum Abend. Wenn er nicht bei Jakob war, verbrachte er den Nachmittag im Hort, doch die Zeit bei Jakobs Familie schien ihm wesentlich besser zu gefallen. Felix passte sich voll ihrem Rhythmus an. Manchmal kam er direkt nach der Schule mit zu Jakob. Nach dem Essen legten die Jungs immer erst eine Übestunde ein. Während Jakob in seinem Zimmer Geige übte, verschanzte sich Felix mit seinem Cello ins Musikzimmer – zumindest so lange, bis Ellie gegen die Tür hämmerte und erklärte, sie bräuchte jetzt das Klavier. Felix hörte ihr gerne zu und versuchte sie zu ärgern, indem er probierte, die Melodien auf dem Cello nachzuspielen. Doch das gelang ihm meistens genauso wenig, wie es ihm Spaß machte. Solche Aktionen endeten in der Regel damit, dass Ellie ihn aus dem Zimmer schmiss und sagte, er solle gefälligst mit Jakob etwas proben.

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