Szene 11

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Ich wache auf, weil mir kotzübel ist. Außerdem sticht eine unsichtbare Nadel immer wieder pochend auf meinen Kopf ein. Stöhnend will ich mich umdrehen, doch da ist nichts mehr. Ich plumpse zwischen die Sitze, offenbar habe ich auf der Rückbank eines Autos geschlafen. Als ich mich aufrichte, werden die Kopfschmerzen noch schlimmer.

Was zum Teufel mache ich hier? Wo bin ich? Ich spähe über die Sitze und entdecke Felix schlafend auf dem Fahrersitz in einer Position, die unmöglich bequem sein kann. Wieder erfasst mich eine Übelkeitswelle und ich öffne hastig die Autotür und stolpere nach draußen. Alles was bis jetzt noch in meinem Magen war, entleert sich auf dem Asphalt. Mit einem weiteren Stöhnen richte ich mich auf und sehe mich um. Die Luft ist kühl, wahrscheinlich ist es noch früh am Morgen. Wir stehen auf einem Rastplatz, um uns herum parken weitere Autos und Lastwagen. Hundert Meter weiter kann ich eine Tankstelle ausmachen. Langsam stolpere ich auf das Gebäude zu, in der Hoffnung, möglichst schnell eine Toilette zu finden.

Als ich endlich das Damen WC gefunden habe und einen Blick in den Spiegel werfe, weiß ich, warum mich alle Menschen, denen ich gerade begegnet bin, so seltsam angeschaut haben. Meine Schminke ist verlaufen und hat sich rund um meine Augen in schwarzen Schlieren verteilt. Im Gegensatz dazu sieht mein Gesicht leichenblass aus. Natürlich habe ich auch immer noch mein Ballkleid an, doch es ist zerknittert und stinkt nach Rauch und verschüttetem Alkohol. Meine dünne Strumpfhose ist an den Knien aufgerissen und rechts klebt getrocknetes Blut an den Fäden. Allerdings kann ich mich nicht erinnern, hingefallen zu sein.

Nach einem Gang auf die Toilette halte ich am Waschbecken mein Gesicht unter den Wasserstrahl, trinke gierig das Leitungswasser und versuche, die Schminke abzuwaschen. Das Ergebnis ist nicht gerade sehenswert - mein Potential zum Waschbär hat sich nun verdoppelt.
Als ich wieder das Gefühl habe, vorzeigbar zu sein, stöckele ich in meinen hohen Schuhen zurück zum Auto. Dass mir immer noch alle morgendlichen Reisenden Seitenblicke zuwerfen, versuche ich weitestgehend zu ignorieren. Nach der Katzenwäsche fühle ich mich aber schon etwas besser. Die Übelkeit ist einem flauen Gefühl gewichen und mein Schädel pocht nur noch dumpf.

Als ich das Auto wieder gefunden habe - es ist das einzige mit dem Kennzeichen aus unserem Landkreis - öffne ich die Fahrertür, um Felix zu wecken. Er schläft wie ein Stein, denn weder das laute Rauschen der Autobahn, noch der kühle Wind, der in das Auto bläst, können ihn wecken. Seine Augenbrauen sind zusammengezogen, als würde er schlecht träumen, der Mund ist leicht geöffnet.
Sanft rüttele ich an seiner Schulter. Mit einem Zucken schlägt Felix die Augen auf und schaut zu mir hoch.

"Guten Morgen.", sage ich, doch meine Stimme ist kühl. Er hat mir einiges zu erklären, denn die großen Buchstaben über dem Raststätten Eingang waren wenig aufschlussreich: "Hannover-Wülferode Ost". Was um alles in der Welt machen wir in Hannover?!?

Felix gibt einen undefinierbaren Laut von sich, der definitiv nicht glücklich wirkt.
"Wie spät ist es?", fragt er. Auf einmal scheint er hellwach zu sein.

Ich zucke die Schultern. "Ist das wichtig? Mich würde eher interessieren, warum ich mich auf einem Rastplatz befinde?"

Doch Felix hat mir anscheinend nicht zugehört und stattdessen den Motor angelassen. Das Armaturenbrett zeigt 6 Uhr 30 an.
"Ellie, steig ein. Wir müssen weiter, sonst kommen wir zu spät."

"Zu spät zu was?"

Doch Felix gibt mir keine Antwort. Mit einem Seufzer steigt er aus dem Auto und bugsiert mich auf den Beifahrersitz. Ich will protestieren und versuche, mich aus seinem eisernen Griff zu befreien, aber er hält mich fest und schließt die Beifahrertür hinter mir.

Eine Minute später befinden wir uns wieder auf der Autobahn. Ein Schild zeigt 146 Kilometer bis Hamburg an. Das ist die falsche Richtung! Doch anscheinend ist sich Felix dieser Tatsache bewusst, denn er rast mit fast 170 Stundenkilometer auf der linken Spur an allen Fahrzeugen vorbei.

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