Szene S

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"Elisabeth Leibach, wenn du nicht gleich deinen Hintern hier runter schaffst, fahren wir ohne dich!"

Mit hektischen Bewegungen schnappte Ellie die letzten Kleinigkeiten und stopfte sie in den giftgrünen Hartschalenkoffer.

"Ich komme gleich!", brüllte sie die Treppe hinunter.

Noten? Hatte sie. Geige? Auch. Drei verschiedene Konzertgarnituren? Dabei. Das Wichtigste hatte sie, der Rest wäre nicht so wichtig. Ach ja, die Schuhe. Hastig schnappte sich Ellie ihre schwarzen Ballerinas und kramte aus ihrem Schmuckkästchen noch eine schöne Kette hervor. Wechselkleidung, ihr Waschbeutel, Handy und Aufladekabel, alles dabei. Alles was sie jetzt noch vergessen hatte, war egal.

„Wie lange dauert das denn noch?"

Ellie zuckte zusammen, weil sie ihren Bruder gar nicht heraufkommen gehört hatte. Er stand mit verschränkten Armen in ihrem Türrahmen und betrachtete mit hochgezogenen Augenbrauen das Chaos, das in Ellies Zimmer Überhand genommen hatte.

„Jetzt bin ich soweit.", keuchte das Mädchen. „Du kannst mir ja den Koffer runter tragen, dann geht es noch schneller."

Jakob verdrehte die Augen, half aber seiner kleinen Schwester sofort.

„Auf, auf, auf, ihr zwei!", rief Julia nervös von der Haustür. „Wenn ich zu spät zu meiner Probe komme, seid ihr schuld. Dabei seid ihr mittlerweile zu alt, um noch als Ausrede gelten zu können."

Hastig hievte Ellie ihren Koffer und den Geigenkasten in den Kofferraum und stieg hinten auf den Rücksitz. Es war eine ungeschriebene Regel, dass ihr älterer Bruder immer vorne sitzen durfte und nie hätte sie es auch nur gewagt, das in Frage zu stellen.
Ein paar Sekunden später war Julia auch schon eingestiegen und los ging es in Richtung Flughafen Frankfurt.

Ellie lehnte sich erschöpft gegen das Fenster. Irgendwie war ihr im Moment einfach alles zu viel geworden. Hinter ihr lagen sechs intensive Tage mit dem Landesjugendsinfonieorchester, die nicht nur wegen der langen Probezeiten anstrengend waren. Heute hatten die Jugendlichen einen halben Tag frei bekommen, um ihre Taschen für die Konzertreise zu packen und noch einmal durchzuschnaufen. Doch diese Gelegenheit war Ellie irgendwie entgangen. Gleich in der Früh war sie an die Hochschule gefahren und hatte am Eröffnungsunterricht teilgenommen. Robert Leitner hatte mit seiner Violinklasse eine Stundeneinteilung vorgenommen und über das anstehende Jahr geredet. Ellie war froh, dass die Schule noch nicht begonnen hatte, noch mehr zusätzlichen Stress hätte sie wahrscheinlich auch nicht verkraftet. In diesem Jahr würde sie in die Oberstufe kommen und sie war sich überhaupt nicht sicher, ob sie die Schule neben dem Studium packen würde. Eins von beiden würde dran glauben müssen, momentan wohl eher die Schule.

Das Mädchen starrte aus dem Fenster, während die Landschaft an ihr vorbei sauste. Sie freute sich auf den Flug, da würde sie endlich mal zwei Stunden Ruhe haben. Das war ihr ja sonst nicht vergönnt.

Zwanzig Minuten später bremste Julia mit quietschenden Reifen auf einem Kurzhalteparkplatz. Hektisch dirigierte sie ihre beiden Kinder nach draußen, um die Koffer zu holen, gab ihnen einen schnelle Kuss zum Abschied und war im nächsten Moment wieder davongebraust.

„Sie müsste einfach mal ein bisschen entspannter sein.", murmelte Jakob kopfschüttelnd. Dann zogen die Geschwister ihre Koffer in die Eingangshalle, um die Gruppe zu suchen.

Schon von Weitem entdeckte Ellie die anderen Jugendlichen, den sie waren nur schwer zu übersehen. Alle waren beladen mit einem Koffer und den unterschiedlichst geformten Instrumentenkoffern.

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