"Du schaffst das, mein Schatz.", flüsterte Julia in den wirren Haarschopf, während sie Ellie ganz fest drückte."
Ich will aber nicht, dass ihr beide geht!", schluchzte das Mädchen. "Warum denn gerade jetzt?"
"Das war so nicht geplant, das weißt du."
Dank einer spontanen Idee ihres Agenten durfte Julia nun eine Woche früher auf Tournee gehen, die Reise würde nicht nur durch die Vereinigten Staaten führen, sie machten nun auch noch einen Abstecher nach Kanada. Ihre Tochter hasste sie dafür, das wusste Julia. Das Mädchen sollte am Montag auf dem örtlichen Gymnasium in die Musikklasse eingeschult werden, doch weder sie, noch Thomas waren zu Hause. Ihr Ehemann hatte schon vor fast einem Jahr als Dozent bei einem Meisterkurs in Madrid zugesagt, der in der folgenden Woche stattfinden sollte. Im Klartext bedeutete das, Ellie würde allein zu ihrer Einschulung gehen müssen. Julia hatte Jakob das Versprechen abgenommen, seine Schwester wenigstens in die Aula zu begleiten, wo die Begrüßung stattfinden würde, doch das Mädchen machte immer noch einen Aufstand, als würde sie ihre Eltern nie wieder sehen.
"Du kannst mich jederzeit anrufen.", versprach Julia, obwohl beide wussten, dass sie ihr Versprechen nicht würde halten können. "Und ich bin mir sicher, dass du eine Menge netter Kinder kennenlernen wirst."
Nun rollten Tränen über Ellies Gesicht.
"Und was ist, wenn ich alle aus meiner Klasse blöd finde?", fragte sie verunsichert."Ich bin mir ganz sicher, dass wenigstens ein nettes Mädchen in deine Klasse kommt.", sagte Julia mit einem Lächeln im Gesicht.
"Wirklich?"
"Ja, die Tochter eines Kollegen von mir ist auch bei dir in der Musikklasse. Sie soll sehr gut Cello spielen. Ich bin mir sicher, dass du dich gut mit ihr verstehen wirst."
"Kennst du sie denn?", hakte Ellie misstrauisch nach. Lachend schüttelte ihre Mutter den Kopf.
"Nein, leider nicht, aber ich bin mir sicher, dass Lena ein wirklich nettes Mädchen ist. Vielleicht wirst du dich ja mit ihr anfreunden."
"Ich versuche es.", meinte Ellie schulterzuckend.
Julia gab ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn und drückte sie noch einmal ganz fest.
"Dann haben wir doch schon mal ein Problem gelöst. Du wirst sehen, es wird ganz einfach. Euer Klassenlehrer wird euch die Schule zeigen und alles Wichtige erklären. Ich habe dich und Jakob für das Mittagessen in der Mensa angemeldet, dann müsst ihr euch nichts kochen. Die Fahrzeiten vom Bus stehen auf einem Zettel, den ich auf deinen Schreibtisch gelegt habe. Am Mittwoch hat das Schulorchester die erste Probe. Jeder, der mitspielen will, muss kurz bei dem Dirigenten vorspielen, aber das wird für dich kein Problem sein. Du gehst einfach mit Jakob und Felix in den Probesaal, sie werden dir alles erklären. Es kann also nichts schief gehen."
Das Mädchen nickte. Was sollte auch schief gehen.
"Bringst du mir was mit aus Amerika?", fragte sie schließlich.
"Aber klar, mein Schatz." Eine weitere Umarmung, dann trat Julia aus der Haustür und verschwand in dem wartenden Taxi.
Das Haus wirkte so leer ohne ihre Eltern, dachte Ellie. Nur leise vernahm sie von oben den vertrauten Klang von Jakobs Geige.
Langsam tapste Ellie die Treppe hoch und klopfte vorsichtig an seiner Zimmertür. Das Geigenspiel brach ab und sie hörte ein knappes "Ja?". Das Mädchen öffnete die Zimmertür einen Spaltbreit und lugte in das Zimmer."Jakob?" Sie sah, wie ihr Bruder die Violine mit einem Seufzer beiseite legte und die Tür ganz öffnete.
"Was ist denn los?"
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An deiner Saite
Teen FictionNach dem tödlichen Unfall ihrer Mutter und ihres Bruders versucht Elisabeth zu vergessen. Sie will einfach nur noch das Leben einer normalen Achtzehnjährigen führen, um die Vergangenheit, in der sie Profimusikerin werden sollte, hinter sich zu lasse...