Szene 18

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Dvoraks Amerikanische Suite schwirrt mir im Kopf herum, als ich die Augen öffne. Ich habe keine Ahnung, woher dieser Ohrwurm stammt, aber nichts könnte meine Gefühle in diesem Moment besser beschreiben. Ich bin glücklich. So glücklich, wie ich es schon lange nicht mehr gewesen bin. Mein Körper fühlt sich ganz leicht an, als wäre er für einen Moment von aller Last befreit. Vielleicht habe ich in den letzten Stunden etwas davon an Felix abgegeben.

Er liegt neben mir, sein Arm liegt auf meiner Hüfte. Schlafend sieht er mindestens fünf Jahre jünger aus. Ich hole tief Luft und atme seinen Geruch ein, der unmöglich zu beschreiben ist. Er riecht einfach nach Felix.

Ich traue mich nicht, ihn zu wecken, aus Angst, dass dieser friedliche Moment zerstört wird. Denn das wird er, da bin ich mir fast sicher. Trotzdem kann ich es mir nicht verkneifen, mit meinen Fingern leicht über seinen Bauch zu fahren, weiter über die Brust bis zu seinem Gesicht.

Ich habe mit Felix geschlafen. Wie konnte das schon wieder passieren? Nicht, dass ich mich beschweren möchte. Es war fantastisch, denn jetzt weiß ich, dass er mich definitiv so kennt wie kein anderer. Nie ist Basti auch nur einmal so vorsichtig und zärtlich mit mir umgegangen, als wäre ich etwas unglaublich Wertvolles, das sich jederzeit in Luft auflösen könnte. Trotzdem ist die ganze Situation irgendwie seltsam. Wir sind doch lange einfach nur Freunde gewesen. Wann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem sich das Blatt gewendet hat? War es noch vor dem Unfall, danach, oder vor ein paar Wochen, als wir uns das erste Mal wieder begegnet sind?

Ich bin so in Gedanken vertieft, dass ich fast erschrecke, als ich bemerke, wie Felix Blick auf mir ruht.

"Morgen.", murmelt er verschlafen.

"Morgen.", antworte ich und schenke ihm ein leichtes Lächeln, das er sofort erwidert. Ich atme erleichtert auf. Wenn er lächelt, ist alles in Ordnung zwischen uns. Und dieses Lächeln ist so echt, dass ich keine Zweifel habe.

Felix Finger spielen mit meinen Locken. Die Stille, die sich zwischen uns ausbreitet, ist angenehm. Einfach nur zusammen daliegen. In diesem Moment ist alles vergessen, was den Frieden zerstören könnte.

"Du machst mich echt fertig, du schaust so verführerisch aus mit deinen zerzausten Haaren und deinem verschlafenen Gesicht. Als hättest du ne Wahnsinns Nacht hinter dir."

Ich muss kichern, gleichzeitig wird mir ganz heiß. "Was redest du denn da für einen Unsinn? Hast du irgendwas genommen?" Ich schnipse vor seinem Gesicht herum.

Felix lacht leise und sagt neckend: "Hätte ja funktionieren können. Ich habe es jedenfalls gehofft." Er wickelt immer wieder eine meiner Korkenzieherlocken um seinen Finger.

"Vielleicht kriegst du mich mit solchen Sprüchen ja doch rum, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass du in deiner Freizeit Kitschromane liest und die besten Sätze auswendig lernst." Bevor er etwas erwidern kann, überwinde ich die letzten Zentimeter, die uns voneinander getrennt haben und küsse ihn. Vermutlich werde ich mich nie daran gewöhnen können. Jedes mal setzt mein Herz einen Schlag aus und legt dann einen Marathon zurück.

"Weißt du, was komisch ist?", frage ich Felix, als wir uns wieder voneinander lösen.

"Hm?"

"Irgendwie habe ich wieder Lust, Geige zu spielen."

Ein noch breiteres Lächeln stiehlt sich auf seine Lippen. "Für was habe ich mich gestern noch mal entschuldigt?", fragt er grinsend.

Ich muss lachen. "Noch mehr hätte ich Lust, mal wieder was mit dir zusammen zu spielen. Irgendwelche Duette, das haben wir irgendwie unser ganzes Leben verpasst."

"Wirklich? Ich glaube, mir fielen da ein paar Sachen ein, die ich viel lieber mit dir zusammen machen würde."

Sein Grinsen ist noch breiter geworden. Ich mache ihn fertig? Eher andersherum. "Du bist unglaublich, weißt du das?", sage ich kopfschüttelnd.

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