Szene Y

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Piep. Piep. Piep... Das nervtötende Geräusch wollte einfach nicht mehr aufhören. Ellies Kopf fühlte sich an, als hätte ihr jemand mit aller Kraft einen Knüppel übergezogen. Alles pochte unangenehm und fühlte sich so unendlich schwer an, dass sie es nicht einmal schaffte, die Augen zu öffnen. Irgendwann versank sie, trotz des nicht enden wollenden Pieptons, wieder in der Dunkelheit.

"Sie hatte mehr als Glück als Verstand. Dank Ihrer schnellen Reaktion, Herr Leibach, wird sie keine bleibenden Schäden davontragen. Wahrscheinlich wird Ihre Tochter in den nächsten Stunden aufwachen. Bleiben Sie bei ihr." Die Stimme schlich sich langsam in Ellies Unterbewusstsein, doch sie konnte sie einfach nicht zuordnen. Wo war sie?

Auf einmal spürte das Mädchen, wie eine warme Hand nach ihrer tastete und ihre Finger umschloss.

"Ellie, bitte komm zu mir zurück."

Die Stimme klang brüchig und flehend, als gäbe es kaum noch Hoffnung, dass alles wieder gut werden würde. Es war ihr Vater. Vorsichtig blinzelte Ellie, aber das Licht war so hell.

"Papa...", murmelte sie, doch es kam nicht viel mehr als ein Krächzen heraus. Thomas erhob sich sofort und beugte sich über seine Tochter.

"Ich bin hier mein Schatz, es wird alles gut.", sagte er und griff auch nach der anderen Hand. Endlich schaffte es das Mädchen, die Augen ganz zu öffnen. Langsam wurde das verschwommene Bild ihres Vaters klarer. Er hatte gerötete Augen und sah aus, als hätte er tagelang nicht geschlafen.

"Papa?", wiederholte Ellie. Ihr Kopf versuchte verzweifelt, einen klaren Gedanken zu fassen, schaffte es aber nicht, Anschluss zu finden. "Wo bin ich?"

"Du bist im Krankenhaus. Die Ärzte haben gesagt, du hättest zu viele von den Schlaftabletten genommen." Thomas Stimme brach kurz, doch dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. "Sie sagen, du hättest versucht, dir das Leben zu nehmen." Schließlich löste sich doch ein leiser Schluchzer aus seiner Kehle. "Ellie, wie konntest du mir das antun?"

Für einen Augenblick starrte das Mädchen ihren Vater fassungslos an. Sie hatte versucht, sich umzubringen? Angestrengt versuchte Ellie, die letzten Bilder, an die sie sich erinnerte, abzurufen.

Es war Nachmittag gewesen. Der Regen hatte gegen die Fensterscheibe getrommelt, als gäbe es kein Morgen mehr. Die Tage waren kürzer geworden und die Blätter der Bäume gelb und braun, bis sie allmählich abfielen. Ellie hatte in ihrem Bett gelegen, an die Decke gestarrt und gehofft, dieser elende Tag würde endlich vorübergehen. Hatte sie sich irgendeine Serie auf Netflix angesehen? Sie wusste es nicht mehr. Eigentlich wollte sie nur noch schlafen, denn dabei musste das Leben keinen Sinn ergeben. Doch ihr Körper war nicht mehr in der Lage, von alleine ins Land der Träume zu driften. Dazu war ihr Körper zu wenig ausgelastet, weil sie den größten Teil des Tages im Bett verbrachte. Und dann... dann erinnerte sie sich an nicht mehr viel. Zurück blieb ein Gefühl von Gleichgültigkeit. Was mit ihr passierte, war nicht mehr wichtig geworden.

"Ich habe gerade meine Frau und meinen Sohn verloren. Und jetzt auch noch fast dich. Wie konntest du mir das antun?" Thomas vergrub sein Gesicht in den Händen. "Habe ich vielleicht nicht gut genug auf dich geachtet? Sag mir, was ich falsch gemacht habe!"

Langsam hob Ellie ihre Hand und strich durch den Haarschopf ihres Vaters.

"Es tut mir leid.", flüsterte sie. "Ich weiß nicht, was passiert ist."

Thomas nahm seine Hände von seinem Gesicht und blickte ihr fest in die Augen. "Versprich mir, dass das nie wieder passieren wird."

"Ich verspreche es."

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