Szene U

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Mit hektischen Schritten eilte Jakob durch die Wohnung.

„Keiner verlässt das Haus, bis meine Geige nicht wieder aufgetaucht ist!", ertönte seine panische Stimme durch die Hausflure.

Ellie lehnte kichernd im Türrahmen ihres Zimmers. „Wo soll die denn hingekommen sein? Deine Geige wird schon niemand gestohlen haben."

„Das kannst du nicht wissen. Also hilf mir lieber suchen!"

Ellie packte ihren Bruder am Arm. „Jetzt mal langsam. Wo hast du sie zuletzt gesehen?"

Jakob schien nicht lange überlegen zu müssen. „Ich habe in meinem Zimmer geübt."

„Und dann?"

„Ich muss in 15 Minuten am Bahnhof stehen, sonst komme ich zu spät zur Probe. Ich habe jetzt keine Zeit für solche Spielchen.", brauste er auf.

„Du hast deine Geige zusammengepackt, die Noten in die Tasche gesteckt, alles mit runter genommen...", half Ellie ihrem großen Bruder auf die Sprünge.

„Ja...nein!"

Plötzlich erhellten sich Jakobs Gesichtszüge. „Im Bad!"

Er sprintete die Treppe nach oben und verschwand hinter der Badezimmertür.

„Sie war in der Badewanne!", rief Jakob triumphierend und hob seinen Geigenkasten in die Luft. „Hab dich lieb, Schwesterherz, bis heute Abend!" Damit wuschelte er der vollkommen verdatterten Ellie einmal durch die Locken, schnappte seinen Rucksack und zog mit einem lauten Rums die Haustür hinter sich zu.

„So ein Spezialist...", murmelte Ellie kopfschüttelnd und verzog sich in ihr Zimmer. Sie musste noch dringend die Tonsatzaufgaben bis Montag fertigbringen und dann ging ja auch die Schule wieder los. Da würde ihr keine Zeit mehr für Generalbass und Chorsätze bleiben.

Doch die Ruhe währte nicht lange. Ein lautes Klopfen ließ Ellie aus der Welt der Musiktheorie auftauchen.

„Ellie, was meint Jakob damit, ihr seht euch heute Abend?", ertönte die Stimme ihrer Mutter durch die Tür.

Stöhnend vergrub das Mädchen das Gesicht in den Händen.

„Ach nichts hat er damit gemeint!", rief sie zurück.

Doch Julia ließ nicht so einfach locker und öffnete mit Schwung Ellies Zimmertür.

„Wo bist du heute Abend?", fragte sie und stemmte beide Hände in die Hüften. Mit einem Seufzer entschied sich Ellie, die Wahrheit zu sagen.

„Klara veranstaltet heute im Jugendraum eine kleine Abschiedsfeier, weil morgen das letzte Konzert ist und sie nächste Arbeitsphase nicht mehr dabei ist. Alle gehen dort hin."

„Und wann hattest du vor gehabt, mir das zu sagen?", fragte ihre Mutter mit strengem Blick.

Ellie zuckte ergeben die Schultern. „Keine Ahnung.", murmelte sie. „Jetzt weißt du es ja. Ich wollte bei Isi übernachten und morgen mit ihrer Familie zum Konzert fahren. Darf ich?"

Julia seufzte tief. „Du weißt genau, was ich davon halte. Du warst gerade erst krank, außerdem beginnt die Schule am Montag und die Geige ist in der letzten Woche ja auch mehr als vernachlässigt worden."

„Mama, ich war auf Orchesterwoche. Vernachlässigt habe ich die Geige sicherlich nicht. Es ist ja nur ein Abend und ich bin wieder voll fit. Außerdem sind alle vom Orchester da, bitte, bitte, bitte! Jakob darf ja auch gehen."

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