Szene 24

1.3K 120 25
                                    

Mit einem lauten Knall werfe ich meine Zimmertür hinter mir zu. Mein Vater nervt. Seitdem er und Nora praktisch ein Paar sind, meint er, sich wieder in meine Angelegenheiten mischen zu müssen.

Ich atme einmal tief durch, dann hole ich die Geige aus ihrem Koffer und beginne, vor mich hinzuspielen. Natürlich ist das alte Thema wieder aufgekommen: meine Zukunft. Gerade hat mir mein Vater freudestrahlend berichtet, Herr Leitner, mein ehemaliger Geigenlehrer an der Hochschule, würde mich wieder in seine Violinklasse aufnehmen. Gleich nach den Semesterferien könnte ich anfangen. Ich habe ihn fassungslos angestarrt und bin, ohne ein Wort zu sagen, in mein Zimmer gestapft. Dieser Fehler wird mir sicherlich nicht noch einmal passieren. Das stundenlange Üben, das Gefühl, kein Leben mehr zu haben, nur, um am Ende doch nicht sein Ziel zu erreichen.

"Elisabeth!" Mein Vater klopft vorsichtig an meine Zimmertür. "Ich wollte doch nur vernünftig mit dir reden."

"Du kannst mit mir reden, wenn du wieder zur Besinnung gekommen bist!", rufe ich durch die verschlossene Tür.

"Und du hast mir etwas versprochen, erinnerst du dich?"

Stöhnend werfe ich mich auf mein Bett. "Boah, Papa, du bist echt das Letzte, weißt du das? Langsam wünschte ich, wir hätten diese Geige nie zurückgeholt."

Vorsichtig öffnet sich meine Tür und Thomas Kopf lugt durch den Spalt. "Ich weiß, dass die letzten Tage für dich nicht einfach waren.", beginnt er zaghaft. "Aber früher wolltest du immer Geige studieren, das war dein größter Wunsch. Und jetzt hättest du die Möglichkeit. Warum bist du so stur? Herr Leitner hat mir versichert, dass deine Karriere noch nicht verloren ist, trotz der drei Jahre, in denen du nicht mehr gespielt hast."

"Warum verstehst du nicht, dass ich es einfach nicht mehr will?", schreie ich wütend in mein Kopfkissen. "Ich werde mich nicht mehr von dir herumkommandieren lassen. Ich bin volljährig und kann allein über mein Leben entscheiden." Am schlimmsten ist eigentlich, dass er es gewagt hat, bei meinem Lehrer anzurufen, ohne mich davor zu fragen.

Mein Vater seufzt laut. "Ich werde dich einfach noch mal darüber nachdenken lassen.", meint er schließlich. Das klingt ja fast diplomatisch.

"Danke.", erwidere ich in ironischem Unterton und winke ihn aus meinem Zimmer.

"Und ich habe noch geglaubt, Felix würde dich dazu bringen.", murmelt Thomas noch, bevor er die Tür hinter sich schließt.

"Lass! Felix! Aus! Dem! Spiel!", rufe ich ihm hinterher, um ja sicher zu gehen, dass er mich gehört hat. Felix kann mich mal. Und der Rest der Welt auch.

Nach dem Gespräch mit Sabrina habe ich mich heute morgen endlich dazu überwinden können, Felix eine Nachricht zu schreiben. Ich habe ihm erklärt, wie wir die Geige zurückbekommen haben. Und ich habe ihn gebeten, sich bei mir zu melden, damit wir reden können. Er hat die Nachricht gelesen, aber nicht geantwortet. Und das wird er auch nicht mehr, sonst hätte ich schon längst etwas von ihm gehört. So ein beschissener Tag. Und mein Vater hat dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt. Herzlich Willkommen in Elisabeth Leibachs Leben.

In Gedanken suche ich die Noten des Vivaldi Violinkonzerts heraus und beginne, das Vivace in halsbrecherischen Tempo zu üben. Langsam flaut meine Wut ab und übrig bleibt der nüchterne Gedanke, dass ich bei meinem Glück mit den Männern wahrscheinlich als alte Jungfrau sterben werde. Nie hätte ich gedacht, dass eine Zurückweisung von Felix so weh tun könnte.

Das Klingeln meines Handys reißt mich aus den Tiefen der Musik. Sofort schlägt mein Herz schneller, werde aber sofort enttäuscht, als ich Johannas und nicht Felix Name auf dem Bildschirm erblicke.

"Hey, was gibt's?"

"Hi Bettie, Sabrina ist bei mir und wir wollten fragen, ob du Lust hast auf einen Mädelsabend. Selbstgemachte Pizza und Urlaubsfotos?"

An deiner SaiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt