Ellie saß in ihrem Zimmer im Schneidersitz auf dem Boden, die Geige in der Hand und starrte aus dem Fenster. Vorgestern hatten sie und Jakob eine Einladung von Felix erhalten. Er feierte seinen elften Geburtstag mit einigen Freunden, die meisten waren aus Jakobs und seiner neuen Klasse.
Seit die Jungs an das örtliche Gymnasium gewechselt waren, kannte Ellie niemanden mehr. Ehrlich gesagt wunderte es sie, dass Felix sich überhaupt dazu herabließ, die kleine Schwester seines besten Freundes zum Geburtstag einzuladen, immerhin war sie erst neun Jahre alt und würde wahrscheinlich auch das einzige Mädchen sein. War sie nicht ein bisschen zu uncool für die vielen Jungs?
Das Schuljahr war bereits in vollem Gange und Ellie hatte immer mehr das Gefühl, dass sich ihr bester Freund und Komplize weniger und weniger für sie interessierte. Die meiste Zeit, die Felix im Haus Leibach verbrachte, nahm er sich für Jakob. Außerdem hatten die beiden Jungs nun viel länger Schule als Ellie und meistens übten sie gemeinsam oder machten irgendwas in Jakobs Zimmer, wo sie nicht dabei sein durfte. Zugegeben, Ellie hatte auch ihre eigenen Freunde, mit denen sie sich immer wieder traf und wo ihr Bruder sicher auch nicht dabei sein sollte. Aber trotzdem fühlte sie sich häufig ausgeschlossen.
Nur für den anstehenden Kammermusikwettbewerb probten die drei gemeinsam, die einzige Zeit, in der Ellie das Gefühl hatte, von den Jungs respektiert zu werden. Nichts wünschte sie sich mehr, als dass alles wieder so war wie früher. Deshalb hatte sie einen Schlachtplan aufgestellt: Sie würde Felix das beste Geschenk von allen machen, dann würde er schon sehen, dass er sie nicht unterschätzen sollte. Nur was war das beste Geschenk?
So saß sie da, grübelte vor sich hin und wusste nicht weiter.
Während sie aus dem Fenster starrte, summte sie eine Melodie vor sich hin, von der sie nicht wirklich wusste, woher diese kam. Gedankenverloren nahm sie die Geige und versuchte, die Melodie nachzuspielen. Es klang gar nicht schlecht...Auf einmal sprang sie wie vom Blitz getroffen auf und stürmte die Treppe hinunter.
"Mama, ich brauche deine Hilfe.", rief sie, als sie ins Musikzimmer stürmte, wo ihre Mutter erschrocken die Geige absetzte.
"Himmel, Ellie!", rief sie. "Was ist denn passiert?" Das Mädchen holte tief Luft.
"Du musst etwas für mich aufschreiben. Ich komponiere für Felix ein Stück zum Geburtstag."
Julia hob eine Augenbraue. Das war mal wieder typisch Ellie. Mit einem Seufzer legte sie die Geige zurück in den Kasten und sagte: "Na schön, du willst also etwas komponieren. Dann spiel doch erst mal vor."
Das Mädchen nahm ihre Geige und fing an, die zarte Melodie zu spielen. Anerkennend nickte Julia mit dem Kopf.
"Und das soll für Felix Geburtstag werden? Aber wäre es nicht besser, das Stück für Cello zu schreiben, damit er es spielen kann?"
Ellie zögerte. Schließlich stahl sich ein breites Lächeln auf ihr Gesicht. "Es wird ein Duett. Für uns beide. Damit er nicht vergisst, dass ich eine Freundin von ihm bin."
Julia musste Lachen. "Das ist das Süßeste, was ich je gehört habe.", meinte sie. "Aber ich glaube nicht, dass Felix dich einfach so vergisst. Schau, immerhin hat er dich zu seinem Geburtstag eingeladen, auch, wenn ihr nicht mehr so viel miteinander macht, wie früher."
Ein paar Sekunden grübelte Ellie vor sich hin.
"Trotzdem.", meinte sie schließlich. "Ich komponiere für Felix ein Stück."
Gesagt, beschlossen. Gegen Ellies Willen hatte niemand eine Chance. Mit einem Seufzer erhob sich Julia, um ihren Laptop zu holen. Das Notenprogramm darauf würde Ellies Vorhaben einfacher machen. Also setzten sich Mutter und Tochter zusammen, um zuerst die Geigenstimme, die Ellie im Kopf herumgespukt war, zu notieren. Immer wieder überlegte es sich das Mädchen anders und änderte ständig Töne oder Notenwerte, doch nach einer geschlagenen Stunde war sie endlich zufrieden mit dem Ergebnis.
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An deiner Saite
Teen FictionNach dem tödlichen Unfall ihrer Mutter und ihres Bruders versucht Elisabeth zu vergessen. Sie will einfach nur noch das Leben einer normalen Achtzehnjährigen führen, um die Vergangenheit, in der sie Profimusikerin werden sollte, hinter sich zu lasse...