Szene 25

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Wie versteinert warte ich auf seine nächste Reaktion und bete, dass er mir zuhören wird. Mit einer geschickten Bewegung legt Felix das Cello seitlich auf den Teppichboden neben den Stuhl, auf dem er bis eben gesessen hat. Dann kommt er langsam auf mich zu und öffnet das Fenster. Die ganze Zeit ist sein Blick auf mich gerichtet. Mein Herz klopft wie wild, gleichzeitig merke ich, dass mein ganzer Körper zu zittern begonnen hat, weil mir so kalt ist. 

"Hi.", bringe ich heraus. Durch den Fensterspalt kann ich die Wärme aus dem Raum spüren, sodass mir Gänsehaut über den Rücken läuft. 

"Regnet es?" Felix Blick scannt meinen Körper mitsamt der pitschnassen Kleidung einmal von oben bis unten ab. Ich muss furchtbar aussehen.

Wider allen Willens muss ich lachen. "Ja, es regnet."

Kurz zucken Felix Mundwinkel nach oben, doch gleich darauf hat er sich wieder unter Kontrolle und sein Blick wird kalt. "Ellie, was willst du hier?"

"Mit dir reden.", flüstere ich. "Und ich werde dich solange nerven, bis du mir erklärt hast, was los ist. Und dann lasse ich dich in Ruhe, versprochen."

Für einen Moment scheint Felix mit sich zu ringen, schließlich öffnet er das Fenster weiter und lädt mich mit einem Nicken ein, zu ihm zu klettern. Der Fenstersims ist nicht hoch, nicht viel höher als einen Meter. Trotzdem lande ich relativ ungeschickt auf der anderen Seite im Trockenen.

"Also gut. Reden wir.", sagt Felix und verschränkt die Arme vor seiner Brust. Sein abwartender Blick ruht so intensiv auf mir, dass ich nicht sicher bin, ob mir heiß oder kalt werden soll.

"Das funktioniert aber nur, wenn du mir versprichst, endlich mit der Wahrheit herauszurücken. Wahrheit gegen Wahrheit, das ist der Deal."

Felix zuckt nur mit den Schultern, doch ich werte es als Zustimmung.

"Ok.", seufze ich, nachdem er offensichtlich nicht mehr zu sagen hat. "Warum geht das nicht mit uns? Was habe ich denn falsch gemacht?"

"Nichts. Ich bin einfach nicht gut für dich. Und auch nicht für deine Familie." Er sagt das so emotionslos, als hätte er gerade das Wetter für die nächsten Tage angekündigt.

"Nicht gut für mich?", wiederhole ich fassungslos. "Felix, du bist das Beste, was mir und meiner Familie je passiert ist. Wie kannst du so was sagen?"

"Das habe nicht ich gesagt, sondern du." Ich merke, wie er krampfhaft versucht, seinen Schmerz vor mir zu verbergen, doch er schafft es nicht. Dafür kenne ich Felix viel zu gut. Und mir ist auch klar, worauf er anspielt: auf unseren letzten Streit, bei dem ich etwas gesagt habe, das mir nie hätte herausrutschen dürfen. Wie betäubt stehe ich vor ihm und weiß nicht, wie ich reagieren soll.

"Wir haben gesagt, Wahrheit gegen Wahrheit. Also, was ist vor zwei Jahren passiert?" Sein Ton ist fordernd.

Für einen Augenblick bin ich unfähig zu antworten. Ich schaffe es einfach nicht, ihm in die Augen zu sehen, als ich schließlich doch die Wahrheit herauspresse. "Ich habe zu viele Schlaftabletten geschluckt.", erkläre ich leise. "Die Ärzte haben geglaubt, ich hätte versucht, mich umzubringen."

Ich vermute, er hat so etwas Ähnliches schon geahnt, denn seine Reaktion fällt verhältnismäßig  nüchtern aus.
"Weil ich gegangen bin?"

"Wer sagt denn, dass ich es wirklich versucht habe?"

"Und, hast du es?"

"Nein. Es ist einfach passiert. Weil mir die Konsequenzen egal waren."

Felix nickt, als wären meine Gründe absolut nachvollziehbar. "Dann stimmt es nicht, was du gesagt hast?", fragt er leise, fast hoffnungsvoll.

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