Szene 8

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Den ganzen Tag habe ich versucht, Sebastian auf dem Handy zu erreichen, doch er hebt nicht ab. Na super. Das habe ich mal wieder fabelhaft hinbekommen. Mit meinem Vater habe ich nicht über den gestrigen Vorfall gesprochen, dazu bin ich noch nicht bereit. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wo mir der Kopf steht und meinen Kopf brauche ich im Moment wirklich dringend. Der Countdown für die schriftlichen Prüfungen läuft, aber ich kann mich auf nichts konzentrieren.

Wieder versuche ich, bei Basti anzurufen, wieder wird mein Anruf abgelehnt. Ich frage mich, ob dieser Vorfall das Ende unserer Beziehung besiegelt. Es würde mich nicht wundern und wenn ich tief in mich hineinschaue, verletzt mich dieser Gedanke weniger als ich vermutet hätte. 

Mittlerweile ist es drei Uhr am Nachmittag und ich sitze in meinem Zimmer an meinem Schreibtisch und versuche, mich auf das Buch "Das Parfüm" zu konzentrieren, das ich vor den Abiprüfungen dringend noch lesen muss.
Chancenlos.

Mit einem Seufzer stehe ich auf und hole Sportkleidung aus meinem Kleiderschrank. Dann muss es eben auf die harte Tour sein. Ich ziehe meine Laufschuhe an und verlasse das Haus. Auf meinem IPod habe ich eine Playlist erstellt, die hauptsächlich aus Hip-Hop und Rap besteht. Der gleichmäßige Rhythmus hilft mir, mich zu entspannen und meinen Kopf auszuschalten.
Früher hätte ich einfach die Geige ausgepackt und solange gespielt, bis ich alles um mich herum vergaß. Früher wäre ich nie auf die Idee gekommen, joggen zu gehen. Früher habe ich auch nie Hip-Hop gehört.


Nach einer dreiviertel Stunde komme ich wieder zu Hause an. Verschwitzt und erschöpft ziehe ich meine Schuhe aus und gehe ins Bad, um zu duschen.
Ich muss mit Basti reden, das ist klar. Indem er mich ignoriert, benimmt er sich wie ein pubertierendes Mädchen, nicht wie ein achtzehnjähriger Abiturient.  Und wenn er nicht ans Telefon geht, werde ich ihm wohl einen Überraschungsbesuch abstatten müssen.
Ich steige aus der Dusche, ziehe mich an, glätte meine Haare und schminke mich. Dann schnappe ich mir mein Fahrrad und fahre zu der Wohnung von Bastis Familie.

Als ich das Hinterrad meines Fahrrads an einen Laternenpfosten schließe, sehe ich schon, dass Licht in seinem Zimmer brennt. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch klingele ich an der Tür. Nach ein paar Sekunden höre ich das Surren des automatischen Türöffners. Ich drücke die Haustür auf und betrete das Treppenhaus. 

Bastis Familie wohnt im dritten Stock. Obwohl es sich um ein Mehrfamilienhaus handelt, ist die Wohnung ziemlich groß und Basti und seine beiden kleinen Schwestern haben jeder ein eigenes Zimmer. 

Ich sehe , dass die Wohnungstür bereits einen Spalt geöffnet worden ist, also ziehe ich mir die Schuhe aus und betrete die Wohnung.

"Hi, Bettie!", ruft mir seine Mutter aus der Küche zu.

"Hallo, Maren", antworte ich und stecke kurz den Kopf durch die Küchentür, um sie zu begrüßen. Dann klopfe ich leise an Bastis Zimmertür.

"Ja?", kommt es von drinnen.

Ich hole einmal tief Luft, dann betrete ich sein Zimmer. Als er mich sieht, springt er vom Bett auf, bleibt aber einen Meter entfernt vor mir stehen.

"Kann ich mit dir reden?", frage ich vorsichtig. Basti zuckt mit den Schultern. Eigentlich bleibt ihm eh keine andere Wahl.

"Hör zu, es tut mir leid. Alles, was vorgefallen ist.", beginne ich langsam. Basti zieht die Augenbrauen hoch.

"Wirklich? Was genau tut dir leid? Dass du mir alles über dein wirkliches Leben verschwiegen hast? Dass du eigentlich Elisabeth heißt? Dass du früher ein Geigenstar warst? Was genau tut dir leid?"

Ich erstarre. Sein Blick ist so kalt, dass ich gar nicht weiß, wie ich reagieren soll. 

"Woher... wie.." Mehr kommt nicht aus meinem Mund.

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