Kapitel 22: Gemischte Gefühle

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Zack war stinksauer.

Sobald wir in unser Abteil zurückgekehrt waren und Hermine ihm den Grund für meine geröteten Augen, die ich versuchte zu verstecken, geschildert hatte, war er wütend aufgesprungen und wollte wissen, wo Draco sich jetzt befand. Ich hatte Zack noch nie so aufgebracht gesehen.

"Zack, setz dich wieder, bitte." Ich strich ihm über den Arm, immer noch mit leicht zittriger Stimme, "Wir können jetzt eh nicht viel machen. Malfoy triezt ständig andere, da war das gerade glaube ich sogar harmlos. Ich wollte ihm eh die Freundschaft kündigen."

Ich warf Hermine einen unbeholfenen Seitenblick zu und dachte an Matthew, der mich seit ich denken konnte runtermachte. Daher konnte ich generell ganz gut mit solchen Situationen umgehen. Entweder man bot seinem Widersacher die Stirn und versuchte, den Kampf zu gewinnen oder man ließ es reaktionslos über sich ergehen, bis er sein Interesse verlor.

In diesem Falle war der Kampf mit Malfoy noch lange nicht zu Ende und Zack konnte ich inzwischen wahrscheinlich eh nicht mehr davon abbringen. Beinahe tat Malfoy mir Leid, doch mein Mitleid hatte ich schnell abgelegt: er verdiente es nicht.

Unsere Laune war den ganzen Abend lang noch im Keller, einerseits, da Zack sich immer noch nicht besänftigen ließ und ich immer noch ziemlich niedergeschlagen war, andererseits da Hermine sich Sorgen um Potter und Weasley machte, die den ganzen Tag lang nicht dagewesen waren. Wo auch immer die beiden jetzt steckten, gut konnte das nicht ausgehen.

Auf einmal musste ich an unsere erste Ankunft denken, bei der wir Hagrid verpasst hatten und in ein Geschäft eingebrochen waren, um durch einen Geheimgang nach Hogwarts zu gelangen. Damals hatten wir unsere erste Bekanntschaft mit Fluffy, dem dreiköpfigen Bewacher des Steins der Weisen, gemacht, woraufhin wir Eden, Zacks Eule, hatten retten müssen.

Kurz zupfte ein leichtes Grinsen an meinen Mundwinkeln, bevor ich Malfoy entdeckte, der provokativ den wütenden Blick von Zack erwiderte. Ich sah schnell weg und zwang mich, nicht an die Auseinandersetzung von vorhin zu denken.

Gespielt genervt knuffte ich Zack in die Seite. "Zack! Lass gut sein, der will dich nur provozieren."

"Der kotzt mich sowas von an", knurrte der Ravenclaw und setzte einen noch finstereren Blick auf.

Ich atmete erleichtert auf, als die Einführungszeremonie begann und Zack so gezwungen war, seine Aufmerksamkeit dorthin zu richten.

Ich kannte niemanden außer Ginny und Luna, freute mich aber für die Weasley, als sie nach Gryffindor, zum Rest ihrer Familie, zugeteilt wurde. Auch als Luna unserem Haus zugeordnet wurde, schloss ich mich dem Applaus, der eher bescheiden ausfiel, zusammen mit Zack an.

Dieser lieferte sich mit Malfoy das ganze Abendessen lang weiter ein Blickduell, sodass ich, sobald wir entlassen wurden, als Erste aufstand und in meinen Schlafsaal stürmte.

Zum Glück mussten wir Ravenclaws nicht wie die Gryffindors oder Slytherins vorerst noch unser Passwort für den Gemeinschaftsraum herausfinden, sondern einfach eine kluge Antwort auf eine beliebige Frage geben.

Die Gänge waren noch ruhig, als ich die Treppen hinauf stürmte, um mich möglichst schnell in mein Bett zu werfen und den heutigen Tag am besten komplett zu vergessen.

"Guten Tag Sir Benthan!", rief mir das Portrait von Sir Jeromé Benthan hinterher, das ich letztes Jahr kennengelernt hatte, "wie schön, sie wieder zu sehen!"

Doch ich hatte nicht den Nerv zu antworten.

Ich hörte nur noch ein gemurmeltes "die Jugend von heute", bevor ich den Ravenclaw-Gemeinschaftsraum betrat.

She Who Can Not Be Named Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt