Kapitel 62: Gift

654 47 12
                                    

Das Erste was ich sah, waren die vielen Menschen, die mich von den Tribünen her anstarrten. Ihr Applaus dröhnte in meinen Ohren, als ich wie ferngesteuert aus dem Vorbereitungszelt herauslief.

Ich hätte die Menge nach bekannten Gesichtern abgesucht, doch ich war zu nervös und angesichts dessen, was ich vor mir sah, wollte ich lieber nicht meinen Blick abwenden.

Ich befand mich auf einem kreisförmigen Kampfplatz, der mit lauter Felsen und Geröll gespickt war.

Auf meiner gegenüberliegenden Seite war ein Nest zwischen dem Stein ausgebreitet, in dem ein einziges Ei schimmerte. Das goldene Ei.

Und vor dem Nest-

Von wegen klein. Der Peruanische Viperzahn war um die fünf Meter groß und in seinen Augen funkelte pure Mordlust. Ich wollte nicht wissen, wie groß die Drachen der Anderen gewesen waren.

Sein Panzer schimmerte bronzen im Sonnenlicht und beinahe hätte ich ihn schön gefunden, könnte er mich nicht jeden Moment umbringen.

Bei dem Blick mit dem er mich bedachte, zitterten meine Knie. Gegen den sollte ich kämpfen?

Noch bevor ich irgendwie reagieren konnte, schoss das Drachenweibchen schon auf mich zu. Sein Nest ließ es einfach hinter sich.

Im letzten Moment sprang ich zur Seite und rollte mich ungeschickt über einem Felsen ab.

Das Publikum stöhnte auf, als der Kiefer des Drachen an der Stelle zuschnappte, an der ich gerade noch gestanden hatte.
Als er direkt wieder nach mir langte, wurde mir klar, dass er mich nicht als Bedrohung ansah, sondern als Beute.
Panisch duckte ich mich unter seinem Maul hinweg und sprintete an dem Tierwesen vorbei.

Doch ich hatte seine Wendigkeit unterschätzt und wieder blickte ich in seine roten Augen.

Als ich seinem nächsten Biss auswich, stolperte ich über einen Stein und landete rücklings auf dem Boden.
Panisch umklammerte ich meinen Zauberstab, als das Monster sich über mich beugte.

"Aguamenti!"

Ein Wasserstrahl schoss aus meinem Zauberstab und traf den Viperzahn in einem seiner Augen.

Während er brüllend den Kopf nach hinten warf, rollte ich mich zur Seite und sprang auf.

Prüfend schielte ich zu dem Drachennest herüber. Es war noch ungefähr zwanzig Meter von mir entfernt. Ich würde es niemals schnell genug bis dahin schaffen, bis der Drache mich kriegte, doch so konnte ich den Kampf schon einmal in die richtige Richtung lenken.

Mit einem Blick auf den brüllenden Viperzahn hechtete ich auf das Drachennest zu, den Zauberstab fest umklammert.

Der nächste Angeriff kam von oben.
Im letzten Moment hörte ich das Knattern seiner Flügel, bevor abermals spitze Zähne nach mir schnappten.

So schnell ich konnte, wich ich nach links aus, doch ein Zahn des Drachen streifte meine rechte Schulter.

Ein unglaublicher Schmerz explodierte in mir und es fühlte sich an, als würde er durch meine Haut ätzen.
Ein Blick auf meine Schulter zeigte mir, dass die Wunde dampfte. Das Fleisch darum herum nahm eine leicht gräuliche Färbung an.

Gift, schoss es mir durch den Kopf, der Peruanische Viperzahn kämpft nicht mit Feuer, sondern mit Gift!

Panisch drückte ich meine Hand auf die Wunde.
Ich wusste nicht, wie schnell das Gift des Viperzahns sich im Körper ausbreitete, doch schon nach kurzer Zeit spürte ich nur noch ein dumpfes Pochen an der Stelle, an der er mich erwischt hatte.
Allmählich wurde mein Arm schwer.

She Who Can Not Be Named Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt