Kapitel 29: Verdächtig

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"Guten Morgen, Sam! Schon wach?", begrüßte mich Mandy an einem Sonntagmorgen.

Ich sah von meinem Platz am Panoramafenster auf und schenkte ihr ein gequältes Lächeln. "Seit vier Uhr morgens. Ich bin im Gemeinschaftsraum aufgewacht", nachdenklich starrte ich wieder durchs Fenster, "so wie es aussieht, fange ich schon an, schlafzuwandeln."

"...nur um dann aufzuwachen und nicht mehr einschlafen zu können", vervollständigte Mandy meinen Satz.

Ich nickte niedergeschlagen. Die Mädchen und auch Zack und seine Kumpels wussten von meinen Schlafstörungen, doch sie hielten es für eine harmlose Phase, die bald vorbeiging, so wie bei Sue Li letztes Jahr.

Ich hatte ihnen weder von meinem Traum noch von Tom erzählt. In letzter Zeit hatten meine Schlafprobleme sogar zugenommen. Ich fühlte mich nachher noch ausgelaugter als sonst schon und wenn ich es schaffte, wieder einzuschlafen, träumte ich wieder und wieder den gleichen Traum, bis ich erneut schteiend aus dem Schlaf fuhr.

Inzwischen hatte ich mich an den Schlafmangel gewöhnt, doch ich glich trotzdem einer wandelnden Leiche.

"Heute ist doch der zweite Mai. Du hast Geburtstag!", riss Mandy mich strahlend aus meinen Gedanken.
Sie hielt ein kleines Fläschen hoch, dessen Inhalt aus einer klaren Flüssigkeit bestand.

"Ich weiß nicht, ob das als Geschenk zählt, aber das ist ein Wachtrank. Dann musst du nicht so abgekämpft durch die Gegend laufen."

Sie überreichte mir das Fläschchen und kaum hielt ich es in der Hand, nahm ich auch ein paar Schlucke vom Trank. Die Flüssigkeit rann bitter meine Kehle hinab, doch der eklige Geschmack wurde von der Energie verdrängt, die nun wie ein warmer Sonnenstrahl durch meinen Körper strömte.

Mandy schien dies zu bemerken, denn sie legte mir grinsend eine Hand auf die Schulter. "Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Sam!"

Ich schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. "Danke! Das ist das beste Geschenk, das du mir hättest machen können!"

Mandy stritt dies bescheiden ab, doch es sollte so bleiben: Es war für mich der glücklichste Tag seit langem, denn ich fühlte mich endlich mal wieder richtig wach.

Nachdem ich von all meinen Freunden Geschenke bekommen hatte und wir den Tag ein wenig mit Feiern verbracht hatten, ging ich mit Zack zu Professor Flitwick, um unsere Fächerwahlen für die dritte Klasse bei ihm abzugeben.

Bis zum Ende der Osterferien mussten wir uns entschieden haben und morgen begann schon wieder der Unterricht.

Ich fühlte mich inzwischen schon echt groß, denn ich war jetzt schon dreizehn und bald würde ich neue, fortgeschrittenere Fächer belegen. Ich hatte mich für Arithmantik und Alte Runen entschieden, was die meisten Ravenclaws ebenfalls gewählt hatten.

Außerdem hatte ich auch Pflege magischer Geschöpfe angekreuzt, da ich mein Wissen daraus nutzen konnte, um zusammen mit Dylan die Tierwesen in unserem Wald zu identifizieren. Ich musste an die katzenartigen Wesen denken, die er mir kurz vor meinem ersten Schuljahr in Hogwarts gezeigt hatte. Das war einfach schon wieder fast zwei Jahre her!

Gut gelaunt schritt ich voran, Zack dicht auf den Versen.

Ich konnte es kaum erwarten, die neuen Kurse zu belegen!

Die feuchte Kälte drang durch meine Kleidung und benetzte meine Haut darunter mit einer undurchdringliche Kühle, als ich, wie schon so viele Male vorher, durch die Dunkelheit lief.

Kaltes Wasser schloss sich mit jedem Schritt um meine Schuhsohlen und gab plätschernde Geräusche von sich, die durch den finsteren Gang hallten.

"Sssssaaaam", rief es mich aus der Dunkelheit, auf die ich zuging.

She Who Can Not Be Named Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt