Kapitel 28: Valentinsboten

848 59 5
                                    

"Guten Abend Sam, wie waren deine Weihnachtsferien?"

Tom schenkte mir ein warmes Lächeln.

Ich hob eine Augenbraue. "Das fragst du mich mit zwei Monaten Verzögerung ... Warum hast du dich so lange nicht mehr bei mir blicken lassen?"

Seit Weihnachten waren schon wieder einige Wochen vergangen und ich ging in großen Schritten auf meinen dreizehnten Geburtstag zu. In jeder dieser Nächte war ich von dem immer wiederkehrenden Alptraum, in dem ich diesen schrecklichen Gang entlangschritt, terrorisiert worden und litt unter massivem Schlafmangel.

"Ich will eine Nacht mal in Ruhe schlafen! Das ist mir ein kurzes Gespräch mit dir wert! Wo hast du gesteckt, Riddle?", schimpfte ich mit verschränkten Armen.

Jedes Mal, wenn Tom mich im Schlaf besuchte, hatte ich danach eine traumlose Nacht, weshalb er beimahe schon wie ein Retter für mich war.

Mit meinen Augenringen sah ich inzwischen aus wie ein Waschbär und da konnte Riddle sich ja wenigstens mal fünf Minuten Zeit nehmen, um mir einen angenehmen Schlaf zu ermöglichen! Was sollte eine armselige Erinnerung von vor fünfzig Jahren denn sonst zu tun haben!?

"Sam, ich hatte einige Dinge zu erledigen, aber jetzt habe ich wieder mehr Zeit für dich. Ich besuche dich mindestens einmal die Woche, okay?", erwiderte Tom in versöhnlichem Ton. Sein charismatisches Lächeln ließ mich ihm vergeben. Einmal die Woche war schon einmal etwas.

"Ja", gab ich nach, "danke."

Tom nickte. "Das muss schwer für dich sein, mit deinen Träumen. Aber keine Sorge, das ist bald vorbei.
Bald können wir uns treffen und dann kannst du wieder durchschlafen! Versprochen."

Ich biss mir auf die Lippe. "Was meinst du damit, Tom?"

Der Slytherin schmunzelte. "Das wirst du noch früh genug herausfinden. Gute Nacht, Sam."

Ich wusste, dass das Gespräch vorbei war und wie aufs Stichwort löste sich der leere Raum um mich herum, zusammen mit Tom, auf.

"Wir haben Valentinstaaag!", schrie Lisa wie von der Tarantel gestochen durch den Schlafsaal.

Ich war gerade dabei, mir meinen Zopf neu zu flechten und folgte neugierig dem Gespräch, in das Mandy nun mit einstieg.
"Ein Tag, wie jeder andere auch, Lisa. Was erwartest du?"

Lisa verschränkte daraufhin die Arme. "Heute ist der Tag der Liebe! Mit etwas Glück kriegen wir Liebesbriefe! Oder stellt euch vor, ihr könntet nach einem Date gefragt werden! Vielleicht von Adrian Pucey! Oder Cedric Diggory! Ah, ich will mich nicht entscheiden!"

Sue Li und ich wechselten einen skeptischen Blick, bevor wir fluchtartig den Raum verließen. Wenn Lisa einmal angefangen hatte zu reden, hörte sie meist nicht so schnell auf. Und die arme Mandy war diejenige, die sich diesmal alles alleine anhören musste.

"Na hoffentlich werden wir davon heute größtenteils verschont werden", seufzte ich, bei dem Gedanken an hormongesteuerte Mädchen, die kreischend im Kreis umherliefen. Die Hoffnung auf einen Valentinstagsgruß hatte ich schon in meiner Zeit im Waisenheim aufgegeben. Da bekam man höchstens verschimmelte Pralinen von Matthew vorgesetzt.

Sue Li zuckte die Schultern. "Na ja, irgendwie ist der Gedanke schon aufregend, dass heute die Chancen auf einen Liebesbrief höher stehen. Wenn man dann seinen Schwarm sieht..."

Ich umklammerte ihren Arm und grinste sie an. Der Valentinstag war vergessen. "Du hast einen Schwarm? Wer ist es!?"

Sue Li errötete. "Ich-"

Wir blieben im Eingang der Großen Halle wie angewurzelt stehen.

"Was zum-", setzte ich an.

Die normalerweise mit Bannern und Gemälden gesäumten Wände waren mit großen, blassrosa Blumen geschmückt und von der Decke rieselte herzförmiges Konfetti. Eines davon begann schon, sich in Sue Li's Haaren festzusetzen. Ich fühlte mich wie auf dem Kindergeburtstag einer Fünfjährigen. Fehlte nur noch die rosa Traumtorte!

She Who Can Not Be Named Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt