Höllenfeuer

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Der Tod, für die einen der schrecklichste Albtraum, das größte Grauen, für Andere der hellste Hoffnungsschimmer, der ersehnte Erlöser. Doch wie ist der Tod wirklich? Man hört Geschichten, Erzählungen, Märchen, Lügen. Menschen reden von Nahtod Erfahrungen, erzählen von einem Tunnel, einem Licht. Die einen sagen, am Ende des Tunnels warten all deine Lieben auf dich, die anderen behaupten, da sei einfach gar nichts, und du vergehst in Dunkelheit. Erzählungen über eine Waage, die deine Taten aufwiegen, all das Gute, all das Böse, alles was du bereust getan oder nicht getan zu haben. Geschichten über ein Himmelstor, strahlend und einladend, und über die alles versengende Hitze der Hölle, voller Feuer, Dunkelheit, Angst. Doch kann man den Geschichten glauben? Inwieweit kann man den Erzählungen Beachtung schenken? Die einen nennen es Nahtod Erfahrungen, andere tun es als Hirngespinst ab. Doch in einem sind sich alle einig, wenn du stirbst, sagen sie, zieht dein Leben vor deinem inneren Auge vorbei. Doch in dieser einen Sache, in der sich alle einig sind, liegen sie falsch. Denn wenn du stirbst, wenn dir dein Leben wirklich entgleitet, du deinen letzten Atemzug machst, dann ist da gar nichts. Keine Reue, keine Trauer. Keine Freude, keine Ruhe. Kein Schmerz, kein Frieden. Und sobald du dich der Dunkelheit ergeben hast und eingetaucht bist in die alles verschlingende Finsternis des Nichts, kannst du hoffen dass das Schicksal es gut mit dir meint, und du dort bleibst, für alle Zeit. Denn wenn nicht, kommst du an einen Ort, von dem es kein Entrinnen gibt. Ein Ort, erfüllt von Schmerz, Qual und Grausamkeit. Ein Reich der Finsternis, sein Reich der Finsternis. Und hat er deine Seele einmal mit kalten Händen gepackt, so lässt er sie niemals wieder los, und du gehörst ihm, für alle Ewigkeit.

Eine einsame Gestalt stand in dem spärlich beleuchteten Raum, nichts weiter als eine einzelne Kerze auf dem großen Holztisch erleuchtete den Raum. Ihr Flammenspiel spiegelte sich in den glänzenden Obsidian Wänden. Die Gestalt stand an der einzigen Glaswand des Raumes und überblickte eine weitläufige Fläche, erfüllt von flammernden Infernos und gleißenden Lavaströmen. Die beinahe unerträgliche Hitze erreichte jedoch nicht den abgelegten, eisigen Raum hier oben. Im Raum herrschte absolute Stille, wodurch man die qualvollen Schreie hören konnte, die aus weiter Ferne zu kommen schienen, und doch so nahe waren. In diesem Moment wurde die unheilvolle Stille durchbrochen von Flügelschlagen und im nächsten Moment landete ein einzelner Rabe am großen Holztisch, direkt neben der Kerze, und sein raues Krächzen hallte in dem Raum wieder. "Was bringst du mir für Neuigkeiten, mein Spion in den Lüften?", flüsterte der Mann am Fenster ohne sich umzudrehen. Der Rabe breitete seine Flügel aus und krächzte, er schien beinahe aufgeregt. Für jedwede andere Person mag dies nur das Krächzen eines Vogels sein, doch nicht für den Fürsten der Nacht. Er verstand jedes Krächzen seines Spiones, und was auch immer das Krächzen zu bedeuten hatte, es schien den Fürsten nicht zu gefallen. Seine von Natur aus dunklen, kalten Augen wurden noch düsterer und langsam wandt er sich von dem grausamen, flammenden Schauspiel hinter der Glaswand ab und drehte sich zu seinem Spion. "Dies könnte allerdings zu einem Problem werden.", wisperte er eisig und ging auf den Tisch zu um eine der zahlreichen Schubladen zu öffnen und eine kleine goldene Schatulle hervor zu holen. Er öffnete sie und es kam ein großer glänzender Rubin zum Vorschein. Der Schein der Kerze spiegelte sich in der glatten Oberfläche und verstärkte seine Farbenpracht, sodass sich ein roter Schimmer über den ganzen Raum legte. Vorsichtig, beinahe zärtlich, holte der Fürst den Rubin aus seiner schützenden Schatulle und hielt ihn in der Hand. Sein verzehrtes Spiegelbild blickte ihm entgegen, die bleiche, beinahe schon marnmorne Haut und die schwarzen, kalten Augen, in denen sich nun der rote Schein des Rubines spiegelte, welcher sie rötlich erscheinen ließ. Das Gesicht, welches von so vielen Gefürchtet wurde, das Gesicht, welches von so vielen verehrt wird, das Gesich, dem jeder mit Ehrfurcht begegnete, oder mit nackter Angst. Das Gesicht, welches früher oder später, jeder einmal zu Gesicht bekommen wird. Das Gesicht vom Fürsten der Finsternis, Herrscher der Nacht. Das Gesicht von Lucifer. Lucifer stand noch einen Moment mit dem Stein in der Hand da und betrachtete seine Reflektion, ehe er langsam den Kopf schüttelte, den Stein zurück in die Schatulle legte und diese vorsichtig wieder verschloss. Dann wandte er sich an den Raben, der ohne ein Geräusch zu machen geduldig gewartet hatte. "Wir dürfen nicht vorschnell handeln, Eile und Hast kann der Untergang eines jeden sein. Ich habe Zeit. Zeit mit Bedachtsamkeit vorzugehen. Nun in Eile zu verfallen und vorschnell zu handeln, könnte mich meinen größten Trumpf kosten, doch wenn ich mit Bedacht vorgehe, kann es mein größter Triumph werden." Sein Blick wanderte in die Ferne. "Fliege, mein Spion in den Lüften. Sei meine Augen, sei meine Ohren. Beobachte und berichte mir dann. Ich stehe kurz vor meinem Ziel, habe so lange darauf gewartet, ich kann noch etwas länger warten. Und jetzt flieg!", befahl er und der Rabe erhob sich in die Lüfte und mit einem letzten Krächzen verschwand er in der Dunkelheit. Lucifer verschränkte die Arme hinter dem Rücken und nahm seinen ursprünglichen Platz an der Glaswand ein. "Nun dauert es nicht mehr lange bis wir uns endlich gegenüberstehen, Killian Hunter."

Schattenwelt - Das nächste Kapitel Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt