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"Ich weiß, es ist noch in dir. Dieser Durst nach Blut, das Verlangen deine Zähne in die warmen Adern eines lebenden Menschen zu schlagen, um den Rausch zu spüren, wenn das frische Blut deine Kehle hinunter rinnt. Dieser Damien ist noch in dir, hol ihn heraus. Lass deinem wahren Ich freien Lauf. Hör auf dich selbst zu verleugnen! Komm zurück zu mir, Bruder." Damien stürmte auf Aiden zu, Hass stand in seinen Augen. "Ich will das nicht hören, so bin ich nicht mehr!", rief er wütend. "Ja! Da ist er, der Zorn, der Blutrausch. Du willst mich töten, mich zerfetzten, lass es raus, mein Freund, werde wieder zu einem von uns!" In Damien stieg eine unglaubliche Wut auf, gemischt mit einem Gefühl das er bisher immer unterdrückt hatte, Blutdurst. Er wollte Aiden zerreißen, ihn davon abhalten weiter zu reden. Aiden erkannte genau, dass seine Worte Wirkung zeigten. "Werd wieder zu dem Ripper der du immer sein sollst!", flüsterte er ihm ins Ohr. Damien umfasste Aidens Kehle, seine Nägel bohren sich in dessen Hals. Ein dünner Blutrinnsal rann über seine Hand und tropfte auf den Boden. Damien Augen wurden schwarz und seine Zähne wurden länger, spitzer und glänzten weiß im silbernen Mondlicht. Er wollte Aiden den Kopf abreißen. Da fiel sein Blick auf Davina. Sie stand einfach nur da, den Blick auf ihn gerichtet, bewegte sich nicht, doch in ihren Augen nahm Damien Abscheu, Angst und Schrecken wahr. "Nein!", rief Damien und wich zurück. Er drängte den Blutdurst zurück, sperrte ihn wieder weg, es kostete ihn alle Kraft, seinen gesamten Willen, doch er schaffte es. Schwer atmend blieb er stehen und schüttelte den Kopf. "So will ich nicht mehr sein, so will ich nie wieder sein. Ich habe meine Vergangenheit hinter mir gelassen, habe dich hinter mir gelassen. Ich werde nie wieder zu diesem Ripper. Lieber sterbe ich.", keuchte er. Aidens gerade noch so triumphierende Miene verfinsterte sich. "Wenn du darauf bestehst.", knurrte er wütend. Im nächsten Moment hielt er einen langen Pfahl in der Hand. "Dann stirbst du halt.", rief er und stürzte sich auf Damien. Der konnte gerade noch ausweichen bevor der Pflock ihn durchbohren konnte. Sofort wirbelte Aiden herum und holte aus. Der Pfahl verfehlte zwar sein Ziel, doch Damien verlor das Gleichgewicht und schlug hart am Boden auf. Für einen Moment lag er benommen da. Das war Zeit genug für Aiden. Er beugte sich über Damien und hob die Hand, um Damiens Leben ein für allemal ein Ende zu setzen.

In Johns Kopf drehte sich alles, vor seinem inneren Auge sah er Damien, blutverschmiert, auf einen Berg Leichen stehen. Er versuchte die Bilder zu verdrängen, doch erfolglos. Den anderen schien es gleich zu gehen, heimgesucht von Schreckensbildern standen sie da wie angegossen, und sahen nur schweigend dabei zu, wie sich Damien und der fremde Vampir gegenüberstanden. Selbst Davina stand da wie paralysiert. Auch sie schien von solchen Bildern heimgesucht zu werden. John versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, doch es gelang ihm nicht. Irgendwas hielt ihn davon ab. Irgendwer. Die Erkenntnis durchschoss ihn wie ein Stromschlag. Hier stimmte was nicht, hier war Magie im Spiel, oder so etwas ähnliches, denn Magie hätte keine Wirkung auf John. John schloss die Augen und atmete tief ein, drängte mit aller Kraft die Bilder zurück und rief nach seinen inneren Jäger, doch er konnte ihn nicht erreichen. Das hatte er noch nie gekonnt. Killian hatte es ihn so oft gezeigt, hat ihm so oft erklärt, was er zu tun hatte, doch er konnte einfach keine Verbindung aufbauen, es schien beinahe so, als würde sich sein Jäger vor ihm verschließen. Oder er ließ ihn einfach nicht raus. Vielleicht war ja gar nicht der Jäger das Problem, sondern John. Auf einmal legte sich ein Schleier der Gelassenheit über John, alles andere wurde ausgeblendet, er war allein. Da war nur er, und sein Jäger, irgendwo tief in ihm, bereit heraus zu kommen. Bisher war John nie bereit ihn gewähren zu lassen. Er hat es immer zu Verdrängen versucht. Hat sich selbst angelogen, wollte es nicht wahrhaben. Hat an seiner Vergangenheit festgehalten, an John Miller. Doch John Miller existierte schon lange nicht mehr. John Miller starb an dem Tag, an dem er aus der Tür heraus trat und auf Killian traf. Killian! Killian brauchte ihr Hilfe, das konnte John spüren. Doch John Miller kann Killian nicht helfen. Er brauchte den Jäger, er brauchte seinen Cousin, er brauchte John Hunter. Kaum hatte er die Worte zu Ende gedacht schien die Welt plötzlich den Atem anzuhalten. John konnte spüren wie der Jäger in ihn hochstieg, ihn erfüllte. Sein Jägerinstinkt erwachte zum Leben, und plötzlich konnte er sie alle spüren, die Vampire, die Werwölfe, die Hexe, und diese dunkle Macht die aus den Tiefen der Hölle zu kommen schien, ausgestrahlt von Aiden. Mit einer kalten Emotionslosigkeit schob John diese Macht von sich weg, verbannte sie aus seinen Gedanken, verschloss sich vor ihren Einfluss. Dann öffnete er die Augen, und hatte binnen Sekunden die Lage erfasst. Tessa, Scott, Tyler und Davina die allesamt wie erstarrt dastanden, Damien der am Boden lag und Aiden, der mit einem Pflock in der Hand über ihn gebeugt stand, der Blutdurst war ihm ins Gesicht geschrieben. Er holte aus um Damien den Pfahl ins Herz zu rammen. Alles geschah wie in Zeitlupe. John, der reflexartig, ohne lange darüber nachzudenken einen Schritt nach vorne machte, das Handgelenk des Vampires packte, noch während es auf seinen am Boden liegenden Gegner herunterschoss, und wie John es mit einer instinktiven Präzession umleitete, direkt in die Brust des Vampires, der überrascht ein schmerzerfülltes Zischen von sich gab, als der Pfahl tief ins Fleisch eindrang. John überließ die Kontrolle voll und ganz dem Jäger, der den Pfahl immer weiter in Aiden hinein trieb, solange, bis er endlich das Herz erreichte hatte. Er spürte für einen kurzen Augenblick einen Wiederstand, als das Holz auf das Herz traf, doch dann bohrte es sich hinein, durchbohrte es, so weit, dass es am Rück wieder heraus trat. Im Blick des Vampires lag Unglauben, als er John ansah. Seine Haut begann langsam grau zu werden, Risse bildeten sich und die Haut begann herab zu rieseln, wie Asche. "Verdammte Jäger.", brachte er gerade noch heraus, ehe er vollends zu Staub zerfiel. 

Schattenwelt - Das nächste Kapitel Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt