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"Sagen Sie, was führt Sie in solch abgelegene Gegend, mein junger Freund?", fragte der alte Mann neugierig während er neben Killian über die verlassene Ebene wanderte. "Wir sind nur auf der Durchreise.", antwortete Killian wage, doch der alte Mann ließ nicht locker. "Auf der Durchreise, wohin? Jenseits dieses Dorfes liegen nur eisige Kälte und weite schneebedeckte Ebenen. Es ist eine einsame und trostlose Gegend." Killian blieb stehen. "Wenn dies so ist, was machen Sie dann so weit entfernt vom Dorf?", fragte er misstrauisch. Der alte Mann lachte leise. "An manchen Tagen schätze ich die Stille und Einsamkeit, wenn man nichts hört als seine eigenen Gedanken, das kann durchaus entspannend sein." Killian lachte leise und ging weiter. "Da haben Sie allerdings Recht. Etwas Ruhe und Einsamkeit braucht man zwischendurch, wenn ich ehrlich bin waren diese Stunden hier draußen genau das was ich brauchte. Etwas Zeit für mich, weit weg von dem Chaos.", murmelte er zustimmend. "Dem Chaos?", wiederholte der Mann fragend. Killian nickte. "Das Chaos das ich wohl als Leben bezeichne. Ich bin nicht alleine hier, ich bin unterwegs mit ein paar Freunden, wenn man es so nennen mag. Vielleicht ist der Begriff zusammengewürfelter Haufen treffender. Wir reisen jetzt schon eine ganze Weile zusammen durch die Welt, bleiben nie lange an einem Ort. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich schätze ihre Gegenwart, die Gegenwart jedes Einzelnen, selbst unserer Neuzugänge, auch wenn Sie manchmal äußerst eigenwillig sind, ganz zu Schweigen von ihren moralischen Ansichten, die wohl nicht existieren. Doch hin und wieder sehne ich mich zurück in die Zeit, bevor ich sie getroffen habe. Wo es nur mich und meine Aufgabe gab." Killian stockte plötzlich, als sein Jägerinstinkt anschlug. Warum erzählte er das diesem Fremden? Das war so gar nicht seine Art, und trotzdem hatte dieser alte Mann irgendwas an sich, was Killian dazu veranlasste ihm seine Seele zu offenbaren, seine Geheimnisse. Er sah zu dem alten Mann der ihn nur mit unergründlicher Miene musterte. Diese Augen, diese undurchdringlichen schwarzen Augen, die ihn zu durchbohren schienen, ihn zu lesen wie ein offenes Buch. Sie ließen Killians Jägersinn erwachen, ließen all seine inneren Alarmglocken läuten, sein Instinkt schrie geradezu, sich von diesem Mann fernzuhalten, und doch blieb Killian wo er war. So abschreckend diese Augen auch sein mögen, sie hatten auch etwas hypnotisches, etwas vertrauliches. Sie ließen in Killian ein Gefühl erwachen, dass sich nicht in Worte fassen lässt, eine Vertrautheit, einen Drang, sich diesem Mann anzuvertrauen. Killian wäre diesem Drang beinahe verfallen, doch dann spürte er, wie sein Jäger Alter Ego die Kontrolle übernahm, und im nächsten Moment waren alle Gefühle, alle Emotionen tief verschlossen, im letzten Winkel seines Bewusstseins, alles was über blieb war eine kalte, emotionslose Logik. Dieser Mann war ein Fremder, diesem Mann war nicht zu trauen, dieser Mann war gefährlich. "Ich denke hier sollten sich unsere Wege trennen.", meinte Killian trocken. Der alte Mann sah ihn überrascht an. "Aber mein junger Freund...", begann er, doch Killian unterbrach ihn. "Freunde sind wir ganz und gar nicht, nur Reisende die sich zufällig auf ihren Wegen begegnet sind. Doch wie Sie sagten, schätzen wir beide die Ruhe und den Frieden der Einsamkeit, daher schlage ich vor wir gehen getrennte Wege." Ohne ein weiteres Wort zu verlieren drehte sich Killian um und ging los. Der Fremde folgten ihm nicht, sondern sah ihm nur hinterher, wie seine Gestalt immer kleiner wurde, bis sie kaum mehr zu erkennen war. Da veränderte sich das Aussehen des alten Mannes. Er richtete sich auf, straffte die Schultern und hob den Kopf. Die abgetragenen Klamotten veränderten sich zu einem seidenen schwarzen Mantel, der bis zum Boden reichte, und den alten Mann umfloss wie Schatten. Seine Miene, die vorher so vertrauenswürdig und offen war, verfinsterte sich und auch die schwarzen Augen veränderten sich, schienen noch dunkler zu werden und bekamen einen feurigen Schein. Wo vor einer Minute noch ein hilfloser, alter Mann gestanden hatte, erhob sich nun niemand geringeres als der Fürst der Hölle. Er hob einen Arm und ein Rabe landete darauf. Er musterte seinen Gebieter mit seinen schwarzen Knopfaugen und wartete auf seine Befehle. Da begann Lucifer zu sprechen, seine vorher so warme und vertrauenserweckende Stimme war nun nur noch ein eisiges und doch in gewisser Weise hypnotisches Flüstern. "Der Junge sträubt sich nach wie vor. Beinahe hatte ich ihn wo ich ihn haben will, doch der Jäger in ihm erwacht jedes Mal aufs Neue. Er hindert ihn daran, zu mir zu kommen. Suche nach meinen Untergebenen, sie vernachlässigen ihre Aufgabe, ihre Mission ist noch lange nicht zu Ende, sie sollten ihn in meine Arme treiben, nun sollten sie leichtes Spiel haben. Die dunkle Saat ist gesät, jetzt liegt es an ihnen." Der Rabe stieß ein heiseres Krächzen aus und erhob sich in den dunklen Himmel. Lucifer sah ihm nicht nach, sondern fixierte die Richtung in der Killian verschwunden war. "Wenn sie versagen dich in meine Arme zu treiben, gibt es auch noch andere Wege dich zu bekommen. So oder so, du wirst mir gehören. Ich würde es bevorzugen dich mit intakter Seele zu erhalten, doch sollten sie scheitern, bin ich bereit deine Seele zu opfern, um zu erhalten was mir gebührt, mein Jäger des Todes."

Als Killian wieder die Kontrolle zurück bekam, war er bereits kurz vor dem Dorf. Er griff sich an den schmerzenden Kopf und versuchte die Orientierung wieder zu erlangen. Als er sich wieder gefasst hatte, fielen ihm die Ereignisse die sich gerade zugetragen hatten wieder ein. Ein Teil von ihm verspürte den Drang, umzudrehen und zurück zu dem alten Mann zu gehen, sich zu versichern das es ihm gut geht, doch ein weitaus mächtigerer Teil in ihm hielt ihn davon ab. Wenn sein Jäger alter Ego übernommen hatte, musste es einen Grund geben. Es hatte ihn noch nie im Stich gelassen, hatte sich noch nie geirrt. Doch es hat ihn auch noch nie dazu veranlasst vor etwas davon zu laufen, normlerweise führte es ihn immer in den Kampf. Das musste bedeuten, wer oder was dieser Mann auch immer gewesen sein mag, der Jäger in ihn hat sich dazu entschieden, dass eine Auseinandersetzung mit ihm zu gefährlich sei. Anscheinend hatten Sie ihr Monster gefunden, und wie Killian es befürchtet hatte, war es weitaus schlimmer als nur ein außer Kontrolle geratener Werwolf. Er wirbelte herum und eilte zurück an die Stelle wo er die anderen zurück gelassen hatte, doch dort waren nur noch Damien und Davina die sich angeregt miteinander unterhielten. Von den anderen fehlte jede Spur. Da bemerkten die beiden Vampire Killian und Damien kam sofort auf ihn zu. "Killian...", begann er, doch Killian unterbrach ihn. "Wo zum Teufel sind alle?", fragte er gefährlich leise. Davina und Damien wechselten einen kurzen Blick ehe Damien antwortete: "Das ist eine komplizierte Geschichte."

Schattenwelt - Das nächste Kapitel Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt