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Der Bann löste sich im selben Moment in dem die Asche von Aiden vom Winde verweht wurde. "Was war das?", stöhnte Tessa und hielt sich den schmerzenden Kopf. Auch Scott und Tyler schienen benommen, doch Davina hatte sich schnell erholt und ging zu Damien der nach wie vor erstarrt am Boden lag und John anstarrte, der sich über ihn erhob. Sein Mantel wehte im Wind, und für einen Moment sah Damien Killian vor sich, wie er so dastand, den Pflock in der Hand und zu seinen Füßen die letzten Überreste eines Vampires. Dann klärte sich Johns Blick wieder, das eisige Funkeln des Jäger Alter Ego, den sie schon so oft bei Killian gesehen hatten, doch erst ein einziges Mal für einen kurzen Moment in Johns Augen, verschwand wieder, und der John den sie alle kannten kam wieder zum Vorschein. "Was zum...", begann er verwirrt und ließ den Pflock fallen um ein paar Schritte zurück zu weichen. Davina half Damien auf, ohne das einer der beiden den Blick von John löste. Auch Scott und Tyler hatten sich von ihrer anfänglichen Desorientierung erholt und starrten John an, der immer noch zu begreifen versuchte, was gerade geschehen war. Er fühlte sich anders, mächtiger. Seine Sinne waren immer noch geschärft, er spürte ganz genau die Anwesenheit der Schattenwesen und ohne groß darüber nachzudenken analysierte sein Verstand die Umgebung und stellte Notfallpläne zusammen, wie er wen am besten ausschalten könne, selbst jetzt, wo der Jäger nicht mehr die Kontrolle hatte, war er immer noch präsent. Er war ein Teil von John geworden, genau dass hat Killian ihm die ganze Zeit über versucht beizubringen, seinen Jäger anzunehmen. "Du hast es geschafft, nicht wahr?", fragte Tessa leise. John nickte, immer noch überwältig von der Veränderung. Tessa lächelte. "Dann können wir dich also endlich ganz offiziell John Hunter nennen?" John Hunter. Er hatte es wirklich geschafft, hatte endlich seinen inneren Jäger gefunden, und alles was es gebraucht hatte, war ein großkotziger Vampir und ein paar Horrorbilder. Doch nun war er endlich ein echter Schattenjäger. Genauso wie... "Killian!", rief John und erwachte aus seiner Starre. "Wir müssen sofort nach New Orleans, ich habe da ein ganz miese Gefühl. Und das sage ich jetzt nicht als Pessimist sondern als Jäger.", drängte er. Tessas Lächeln verschwand und sie nickte zustimmen. "Bildet einen Kreis und macht euch bereit, ich werde jeden einzelnen von euch kanalisieren müssen, um genügend Macht zu haben, uns alle sicher dorthin zu bringen." Scott und Tyler sahen sich zwar kurz zweifelnd an, doch dann ergriffen sie Tessas ausgestreckte Hand. Auch Damien und Davina gesellten sich zu den anderen. John warf noch einen letzten Blick auf die Asche, die vom Wind in den schwarzen Himmel getragen wurde, bis sie nicht mehr zu sehen war, ehe er sich abwandte und den Kreis schloss. Tessa begann leise Worte zu murmeln, die Magie umschloss die kleine Gruppe, floss von einem zum anderen, verband sie alle miteinander, nährte sich von ihnen, wuchs mit jedem von ihnen, bis ein einziger Wirbelsturm der Macht entstand. Selbst John wurde davon eingeschlossen, doch im Gegensatz zu den anderen, drang die Magie nicht in ihn ein sondern umfloss ihn bloß. Unwillkürlich öffnete John die Augen und wurde zuerst geblendet von dem strahlenden Licht das von den anderen ausging, ehe sich seine Augen daran gewöhnt hatte. Die anderen hatten die Augen geschlossen, wurden umwirbelt von einem unnatürlich weißen Licht, das mit jedem Wort von Tessa heller wurde. Plötzlich schien sich der Boden unter John aufzutun und das Licht verschwand. Für einen kurzen Moment schien die Welt aufgehört zu haben, sich zu drehen. John starrte in diese endlose Finsternis. Er konnte immer noch Tyler und Davinas Hände spüren, doch er sah sie nicht mehr, er sah niemanden von ihnen. Verschlossen für die Ewigkeit, vertrieben in die Dunkelheit, das Licht des Jägers als Pforte bestimmt, es ausgehen muss damit das Böse nicht entrinnt. Die Worte schienen aus der Leere zu kommen, schienen da zu sein und auch wieder nicht. Doch im nächsten Moment wurde John der Leere entrissen und landete hart am Asphalt. "Was war das?", stöhnte er, während er sich wieder aufrappelte. Tessa zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Tut mir leid, an der Landung muss ich wohl noch üben.", murmelte sie. "Nein, ich meine diese Stimme." Nun sahen ihn alle verwirrt an. "Welche Stimme?", fragte Damien mit gerunzelter Stirn. "Na, die Stimme in dieser Leere." Die anderen sahen sich irritiert an, ehe ihre Blicke wieder zu John wanderten. "Wovon redest du bitte?", hackte Tessa vorsichtig nach. "Kommt schon, dass müsst ihr doch auch mitbekommen haben, irgendeiner von euch!", rief John, doch als nur alle wortlos den Kopf schüttelten, begann John an sich selbst zu zweifeln. "Vielleicht ist das noch eine Nachwirkung deines Jägers. Oder seine Antwort auf die Magie.", vermutete Tessa. John hob eine Augenbraue. "Mein Jäger quält mich also mit nicht existenten Visionen einer unendlichen Leere und einer kryptischen Stimme die in Reimen spricht. Na der hat echt einen eigenen Humor.", knurrte John, doch ehe er weiter darüber nachdenken konnte, erbebte die Erde. Zeitgleich wirbelten alle herum, und trauten ihre Augen nicht. Der gesamte Himmel war schwarz, die Sterne waren verdeckt von einer unnatürlichen Dunkelheit, die sich wie ein Schleier über die Stadt legte. Diese Dunkelheit schien ein Zentrum zu haben, außerhalb der Stadt. John konnte es spüren. Und er konnte Killian spüren, genauso wie etwas anderes, jemand anderen. Eine unglaubliche, dunkle Macht, die selbst seinen Jäger dazu veranlasste, umdrehen zu wollen, doch John kämpfte dagegen an. Killian brauchte seine Hilfe, er würde ihn nicht im Stich lassen. "Folgt mir, ich weiß wo er ist.", murmelte er und eilte los, ohne sich zu versichern, dass die anderen ihm folgten. Während er so durch die Stadt lief, auf diese seelenfressende Dunkelheit zu, genau in das Auge dieses kalten Todessturm, aktivierte er wie von selbst sein Jäger Alter Ego, überließ ihn jedoch nicht ganz die Kontrolle. Es schien ihn so einfach zu sein, als hätte er in seinem ganzen Leben noch nie was anderes gemacht. Als wäre es seine Bestimmung, als wäre er nur dafür geboren worden, um ein Schattenjäger zu sein.

Schattenwelt - Das nächste Kapitel Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt