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Sie kamen in der Nacht, lautlos, wie Schatten. Der Wald lag friedlich und still vor ihnen, kein Lüftchen wehte, kein Laut war zu hören, die Welt hatte den Atem angehalten. Klingen blitzten im silbernen Licht des abnehmenden Mondes auf. Sie betrachteten die Gestalten vor ihnen, Männer, Frauen, Kinder, zusammengekuschelt um sich gegenseitig Wärme zu spenden, die Augen im friedlichen Schlafe geschlossen, der Atem ruhig und gleichmäßig. Die Gestalten teilten sich auf, umringten die schlafende Beute, und griffen an, lautlos, präzise, effektiv. So lautlos wie sie erschienen waren, verschwanden sie auch wieder, die bisher so friedliche Szenerie nun getränkt von Blut. Die Gestalt in den Schatten blieb jedoch unentdeckt. Die Jäger waren auf der Jagd, hatten ein anderes Ziel Im Blick, diese Wölfe waren nur ein Zeitvertreib. Sobald die Schattenjäger weit entfernt waren, die Gefahr vorüber, trat die Gestalt aus den Schatten und sank zusammen. Vor ihm lag sein Rudel, in Blut getränkt, seine Familie, abgeschlachtet, sein Leben, zerstört.

Als Tessa die Augen wieder öffnete hatte ihre Mutter sich von ihr abgewandt. Sie war damit beschäftigt Zauber auf die Gestalt zu schleudern, die nun mit wehenden Mantel auf sie zukamen. "Killian?", flüsterte Tessa leise, Erstaunen schwang in ihrer Stimme mit. Dieser Fremde Junge, so unscheinbar, kam auf die Hexen zu, ohne auch nur einen Hauch von Angst zu zeigen. Ihre Angriffszauber prallten wirkungslos an ihm ab, als wäre er immun gegen jegliche Art von Magie. Blitzschnell hob er die Hand und schon sauste der erste silberne Dolch durch die Luft und bohrte sich in die Seite der Hexe die ihm am nächsten stand. Mit weit aufgerissenen Augen sank sie auf die Knie. Kaum hatte der Dolch sie getroffen folgten in sekundenschnelle zwei weitere Wurfgeschosse, silberne Scheiben mit rasiermesserscharfen Kanten, durch die vier weitere Hexen zu Boden gingen. Binnen weniger Sekunden waren fünf Hexen außer Gefecht gesetzt, die restlichen von ihnen erkannten nun das wahre Ausmaß der Gefahr die von dem Jäger ausging und wichen zurück. Unbeirrt schritt Killian durch die Hexen durch und blieb vor Tessa und ihrer Mutter stehen. Als Tessa in sein Gesicht sah, gefror ihr Blut. Ein kalter, emotionslos Ausdruck lag darin, ein gefährliches Funkeln lag in seinen Augen. Es sah fast so aus, als wäre er nicht er selbst, als würde er von etwas anderem kontrolliert werden. Als er zu Tessa sah, verschwand das Funkeln aus seinen Augen. "Es sah so aus als könntest du Hilfe gebrauchen.", meinte er leise, der Anflug eines Lächeln lag in seinen Gesichtszügen. Tessa lächelte zurück und richtet sich auf. In diesem Moment sah sie aus dem Augenwinkel wie eine der Hexen den Dolch aufgehoben hatte und nun im Begriff war, auf Killian los zu gehen. Tessa wollte ihn warnen, doch sie bekam keine Gelegenheit dazu. Wie aus dem Nichts stand Damien hinter der Hexe und umfasste ihr Handgelenk. Langsam drehte er es um, bis es knackte und die Hexe mit einem Schmerzensschrei den Dolch fallen ließ. Achtlos stieß Damien sie zu Boden, wo sie liegen blieb und ihr gebrochenes Handgelenk umklammerte. "Mir ist klar das du keine Kontrolle hast wenn dich dieses alte Ego überfällt, aber das nächste Mal wäre eine kleine Vorwarnung ganz nett.", knurrte er und trat zu Killian während er sich umsah. "Schön, wo wir jetzt schon mal hier sind, lass sie uns töten und abhauen." Killian sah ihn schweigend an, ehe sein Blick zu Tessa wanderte. "Dein Zirkel, deine Entscheidung.", sagte er nur. Damien sah Killian genauso ungläubig an, wie Tessa sich fühlte. Ihre Entscheidung? Ihr Blick wanderte zu ihrer Mutter, die sie mit kalter Miene musterte, die Abscheu stand ihr ins Gesicht geschrieben, doch da war noch etwas. Sie versuchte es zu verschleiern, zu verstecken, doch Tessa konnte es sehen, Trauer. Trauer wegen den Verrat, den Tessa an ihr und den Zirkel begangen hatte. Langsam erhob sich Tessa. "Töte sie nicht.", flüsterte sie leise. "Oh komm schon!", rief Damien genervt, doch Killian nickte nur. "Das ist doch nicht dein Ernst? Du lasst sie am Leben? Lässt sie einfach so weitermachen?", fragte der Vampir fassungslos. Tessa wandte sich an ihn. "Sie sind nicht böse, nicht von Grundauf. Das kann ich einfach nicht glauben." Sie wandte sich ab und sah zu ihrer Mutter die nach wie vor schweigend dastand. "Ja, sie haben Fehler gemacht, doch sie können sich ändern. Hat nicht jeder eine zweite Chance verdient. Ich heiße nicht gut was sie getan haben, doch ich finde sie haben das Recht ihre Sünden wieder gut zu machen, und Abbitte zu leisten, bei den Ahnen und bei sich selbst. " In der Miene ihrer Mutter war keine Regung zu erkennen. Es war totenstill am Friedhof, keine der Hexen wagte es, ein Wort zu sagen. Das galt natürlich nicht für Damien." Ach, und du lebst jetzt glücklich weiter in deiner kleinen Fake Welt, mit dem Motto Friede, Freude, Eierkuchen solange ich die Augen vor der Wahrheit verschließe?", spottete er. Tessa schüttelte den Kopf. "Das kann ich nicht. Ich kann nicht hier bleiben, nicht nach dem was ihr getan habt. Vielleicht könnt ihr damit leben, ich kann es nicht." Sie sah entschuldigend zu ihrer Mutter, die den Blick abwendete. Tessa sah zu Killian der die Konversation interessiert verfolgt hatte, seine Miene war unmöglich zu deuten." Ich möchte mit euch mitkommen. ", flüsterte sie. "Pardon?", mischte sich Damien ein und sah entsetzt zu Killian, der nickte. "Wir sind keine offene Gesellschaft für verstoßene Hexen.", beschwerte er sich, doch Killians Blick brachte ihn zum Schweigen. Er sah zu Tessa, und diesmal war da wirklich ein Lächeln auf seinen Lippen. "Wilkommen im Team, Tessa LeFleur."

"Die Hexe kommt jetzt also mit uns?" Damien klang alles andere als begeistert. Killian sah dabei zu, wie Tessa gerade die letzten Sachen in ihren Koffer schmiss. Sie wollte weg sein, ehe ihre Mutter wieder kam, was er gut verstehen konnte. Es ist immer schwer der Familie den Rücken zu kehren, vollkommen egal wie schlecht sie auch sein mag. "Eine Hexe bei uns zu haben kann seine Vorteile haben.", antwortete er nur. Damien lachte verächtlich. "Zum Beispiel?", knurrte er und wich etwas weiter in die Schatten zurück als die Sonne begann aufzugehen. Killian grinste leicht. "Genau für so etwas. Es gibt Zauber, damit du im Sonnenlicht wandeln kannst." Damien zögerte kurz und sah dann zu Tessa die gerade aus dem Haus kam. "Na gut, vielleicht ist sie ja doch nützlich. Aber verlange nicht von mir mich mit ihr zu vertragen.", murrte er resigniert. Killian fing an zu lachen. "Das kommt schon noch."

Schattenwelt - Das nächste Kapitel Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt