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"Du sitzt schon wider vor einer Karte. Das heißt dann wohl, wir bleiben doch nicht in Paris, die Anderen werden enttäuscht sein. Sie haben sich schon so darauf gefreut." John lachte halbherzig, versuchte die unangenehme Stille im Raum zu durchbrechen. Doch Killian ging nicht darauf ein. Ohne von der Karte aufzusehen meinte er ruhig. "Unsere Reisepläne sind doch nicht wirklich das, worüber du reden willst, habe ich Recht?" Auch wenn es als Frage formuliert war, war es eine Feststellung. John seufzte resigniert und ließ sich neben Killian auf der Couch nieder. "Wir müssen reden.", murmelte er. "Darauf wäre ich nie gekommen.", gab Killian nur spöttisch zurück, ehe er seinen Blick von der Karte abwendetet und seinen Cousin erwartungsvoll ansah. "Was gibt's?", fragte er auffordernd. John holte tief Luft ehe er es wagte, das Thema anzuschneiden, das ihm nun schon die gesamte Zeit über auf dem Herzen gelegen hatte. "Was ist mit dir dort am Friedhof passiert?", schoss es aus ihm heraus. Killian sah ihn verwirrt an. "Wovon redest du?", fragte er nur, ernsthaft irritiert. "Das dort, am Friedhof, als Tessa kurz davor war ihren Zirkel zu töten. Du hast nicht versucht sie aufzuhalten. Du standest einfach nur da, mit diesem eiskalten Blick in den Augen. Und dann als Skylar gefragt hat, ob sie es zu Ende bringen soll. Du wolltest ja sagen. Du warst kurz davor den Befehl zu geben, all diese Menschen umzubringen." Killian sah ihn kurz schweigend an ehe er seinen Blick abwandte. "Es waren keine Menschen, es waren Hexen, und sie haben Unschuldige getötet.", verteidigte er sich. John schüttelte fassungslos den Kopf. "Du hörst dich an wie Onkel Lucien.", murmelte er. Killian sprang wütend auf. "Ich bin keinen Deut wie Lucien. Nicht im Geringsten.", rief er aufgebracht. "Ach ja? Hast du dich da gesehen, am Friedhof. Diese Dunkelheit in deinen Augen, das warst nicht du. Das war jemand anderes. Etwas anderes!" Auch John war aufgesprungen. In dem Moment klopfte es an der Tür. Killian und John, die sich eben noch wütend anfunkelnd gegenüber gestanden hatten, drehten sich beide zur Tür."Was?", riefen sie unfreundlich im Chor. Die Tür öffnete sich einen Spalt und Davina lugte hinein. "Ich habe euch streiten gehört, und wir wollten nachschauen ob alles in Ordnung ist.", murmelte sie, ihr stand das Unwohlsein ins Gesicht geschrieben. "Wir?", fragte John nur kurzabgebunden und Davina stieß die Tür ganz auf. Hinter ihr standen Damien, Scott und Tyler, die sofort voller Interesse Wand, Boden und Decke betrachteten. Killian seufzte nur. Die Wut war verschwunden, er war genau so ruhig wie immer. "Alles in Ordnung. Nur eine kleine Meinungsverschiedenheit. Kommt rein.", meinte er nur und ließ sich wieder auf das Sofa nieder, um sich wieder seiner Karte zu widmen. Die anderen kamen herein und verteilten sich im Raum. Nur Skylar und Jax fehlten. "Wo sind Bonnie und Clyde?", fragte Scott in die Runde, doch alle zuckten nur mit den Schultern. "Ich hätte erwartet sie wären die ersten die hier sind. Ernähren sich die beide nicht von Streit und Zwietracht?", fügte er hinzu und sah sich erneut um Raum um, als würde er erwarten das sie plötzlich aus einer Wand traten, oder wie aus dem Nichts im Raum erschienen, was nicht unbedingt überraschend wäre. Doch von ihnen fehlte jede Spur. Das machte auch John misstrauisch. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren ging er zu Skylars Zimmertür und hämmerte dagegen. Doch es kam keine Antwort. Ohne auf die fragenden Blicke der anderen zu warten stieß er die Tür auf und stürmte hinein. Dort blieb er wie erstarrt stehen. "Leute, das müsst ihr euch ansehen.", murmelte er fassungslos. Die anderen lugten nun ebenfalls in den Raum hinein. Vor ihnen lagen Sklylar und Jax reglos am Boden, ihre Köpfe waren unnatürlich verdreht, ihre Augen starrten leer ins Nichts. "Sie sind tot."

Es war unnatürlich still in dem dunklen Raum. Ansonsten konnte man immer von weit her die Schreie und Hilferufe der verlorenen Seelen hören, die um Gnade oder Erlösung flehten. Als Skylar und Jax den Raum betraten, stand Lucifer einfach nur da, vor dem Fenster, ihnen den Rücken zugekehrt, die Arme verschränkt, und starrte hinaus in das absolute Nichts. Und da war Nichts, keine Feuer, kein Inferno, keine geschundenen und gequälten Seelen, nur reine Finsternis. Die beiden blieben in gebührende Abstand von dem großen Tisch stehen und warteten. Warteten darauf, dass ihr Fürst das Wort an sie richtete, die Stille durchbrach, doch dieser regte nicht einmal einen Finger, beinahe so, als hätte er gar nicht mitbekommen, dass sie den Raum betreten hatten. Jax und Skylar wechselten unsichere Blicke, sollten sie was sagen? Sich entschuldigen, um Gnade bitten? Oder würde das Durchbrechen des eisigen Schweigens ihre Lage noch verschlimmern? Konnte sich ihre Lage noch verschlimmern? Skylar holte Luft, wollte riskieren, die Stille zu durchbrechen, trotz Jax eindringlichen Kopfschütteln. Er wusste, würde sie das Wort erheben, würde sie, so provokant wie sie war, Lucifer direkt dazu bringen sie in einen Haufen Asche zu verwandeln, genau hier und jetzt. Also kam er ihr zuvor. "Wir haben versagt, Meister, und wir sind uns dessen bewusst. Wir sind bereit jede erdenkliche Strafe für dieses Vergehen auf uns zu nehmen, doch sollten Sie bereit sein, uns noch eine letzte Chance zu geben, werden wir Ihnen beweisen, dass wir Ihnen lebend weitaus nützlicher sein können. Denken Sie nur an all die Seelen, die wir Ihnen bereits beschafft haben, keiner Ihrer Untergebenen hat so viele Erfolge zu verzeichnen wie wir." Skylars Blick schoss ungläubig zu ihm, doch ehe sie etwas sagen konnte, ergriff Lucifer doch das Wort. "Ich habe euch schon mehr Chancen gegeben, als jeden anderen meiner Kinder.", flüsterte er, ohne sich umzudrehen. "Und wir haben jedes Mal wieder bewiesen, dass die Entscheidung die richtige war.", antwortete Skylar mit fester Stimme. Nun drehte sich Lucifer doch um, und voller Überraschen mussten die beiden feststellen, dass er lächelte. Kein freundliches, offenes Lächeln, nein, ein böses Lächeln, das einen durch Mark und Bein ging. Aber es war ein Lächeln. "Für wahr, das habt ihr.", murmelte er leise. "Und ich habe einen Weg gefunden, wie ihr mir beweisen könnt, das ihr mir immer noch nützlich sein könnt."

Schattenwelt - Das nächste Kapitel Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt