"Du musst auf deine Abwehr achten, Junge. Lass den Feind niemals aus den Augen, wenn du ihn einmal aus deinem Sichtfeld verlierst ist es aus. Vergiss nicht, dein Feind ist dir mit seiner Schnelligkeit überlegen, doch wenn du ihn nicht aus den Augen lässt, kannst du seine Bewegungen voraus ahnen. Verlasse dich auf deinen Jägerinstinkt, auf deine Intuition, sie wird dich niemals im Stich lassen. Jetzt verteidige dich!", befahl der Mann, bevor er blitzschnell seine Klinge nach vorne stieß. Der Junge konnte genau sehen wie die Klinge auf ihn zuraste, als hätte sich die Welt um ihn herum verlangsamt. Der Junge machte einen Ausfallschritt und leitete mit seiner eigenen Klinge die Klinge des weitaus größeren Mannes in die Erde. Dann rammte er ihm intuitiv den Ellbogen in die Magengrube, stieg auf seine Klinge und drückte sie in die vom Regen noch nassen Erde. Durch den unerwarteten Stoß ließ der Mann die Klinge fallen. Er stolperte ein paar Schritte zurück, doch ehe er sich wieder fangen konnte, hatte der Junge seine eigene Klinge bereits auf dessen Kehle gerichtet. Er sah den Jungen einen Moment verblüfft an, bevor er anfängt zu lächeln. "Du lernst schnell.", meinte er stolz. Der Junge strahlte freudig. Da ertönte eine Stimme hinter ihnen. "Was hast du denn erwartet, der Junge kommt halt ganz nach seinem Vater." Die beiden wirbelten herum. Ein weiterer Mann war zu ihnen gestoßen. Sofort rannte der Junge auf ihn zu. "Dad! Hast du das gesehen, ich habe Onkel Raphael entwaffnet, nach nicht einmal einer Minute!", prahlte er zufrieden. Sein Vater lachte und wuschelte seinem Sohn durch die Haare. "Allerdings, du hast deinen Onkel fertig gemacht. Glaub mir, es dauert nicht mehr lange und du wirst der beste Jäger von allen sein, Killian."
"Erde an Killian, kannst du mich hören?" Killian wurde von John aus den Gedanken gerissen, der ungeduldig mit verschränkten Armen vor ihm stand. Er hatte einen Degen in der Hand, dessen Spitze zurzeit gegen Boden gerichtet war. Killian sah an sich selbst hinunter, auch er hielt einen Degen in der Hand. John kam einen Schritt auf ihn zu, in seiner Miene lag ein Hauch Besorgnis. "Alles in Ordnung? Es schien fast so als wärst du mit dem Gedanken irgendwo anders, und das mitten in einem Übungskampf, das hätte auch ins Auge gehen können, im wahrsten Sinne des Wortes.", murmelte John. Killian schüttelte nur den Kopf. "Schon ok, alles bestens. Lass uns weiter trainieren." John hob eine Augenbraue. "Sicher? Ich will nicht daran Schuld sein, dich umgebracht zu haben, weil du während eines Schwertkampfes vor dir her träumst.", meinte er trocken. Killian zog eine Augenbraue hoch. "Nicht einmal wenn ich im Tiefschlaf bin würde es dir gelingen mich zu töten, mach dir da mal keine Sorge.", widersprach Killian. John lachte. "Etwas arrogant für jemanden, den ich gerade fast geköpft hätte, weil er Traummännchen gespielt hat.", konterte John spöttisch. Killian grinste leicht. "Aber das hast du nicht, was meine Aussage nur bestätigt.", antwortete er selbstsicher. John hob seinen Degen. "Herausforderung angenommen.", murmelte er und schoss nach vorne. Killian sah genau wie Johns Degen auf ihn zukam. Reflexartig machte er einen Ausfallschritt und drückte Johns Degen nach unten. Einen Moment, nur für einen kurzen Moment, sah er nicht John vor sich, sondern Raphael, doch dieser kurze Moment reichte aus um ihn aus der Fassung zu bringen und anstatt John zu entwaffnen, brachte er ihn bloß ein wenig zum Straucheln. John hatte sich schnell wieder gefangen und richtete sich wieder auf. "Halte dich nur nicht zurück.", rief er und griff erneut an. Während Killian seine Schläge parierte erschienen immer wieder Erinnerungsfetzen vor Killians innerem Auge. Er, wie er mit Raphael trainierte, wie er mit Lydia, Neal und Marcel das Schießen übte, unter Luciens strenger Kontrolle, und sein Vater, wie der ihm lehrte, dass das Jägersein aus noch viel mehr besteht, als nur aus Waffen und Kämpfen. "Whoa, ich gebe auf, Killian! Ich gebe auf." Johns Rufe holten ihn zurück in die Realität und sein Blick klärte sich wieder. John lag mit schreck geweiteten Augen am Boden, sein Degen einige Meter von ihm entfernt, und Killians Klinge war direkt auf seine Kehle gerichtet. Killian sah auf seinen Cousin herab, ohne den Degen zu senken. Nun war auch Tessa aufgestanden, die vorher nur gelangweilt zugesehen hatte, und kam langsam auf Killian zu. "Killian, nimm den Degen runter. Du bist im Wahn, der Jäger hat die Kontrolle übernommen, aber das ist John der hier am Boden liegt. Dein Cousin.", redete sie auf ihn ein während sie sich ihnen vorsichtig näherte. Endlich hatte Killian wieder volle Kontrolle über seinen Körper und ließ benommen den Degen los, der Klirrend neben John zu Boden fiel, der ihn mit großen Augen ansah. "Ich bin wieder hier. Alles gut.", flüsterte Killian leise. Vorsichtig richtete sich John auf. "Was zum Teufel war das denn?", fragte er immer noch unter Schock. Killian sah ihn an. "Ich weiß es nicht.", flüsterte er leise. "Entschuldigt mich.", murmelte er und eilte aus dem Raum. Tessa und John sahen sich besorgt an. "Irgendwas stimmt in letzter Zeit nicht mit ihm.", meinte Tessa unruhig. John sah Killian hinterher. "Allerdings.", stimmte er ihr leise zu.
Der Rabe am Fensterbrett stieß ein heiseres Krächzen aus und breitete seine Flügel aus um sich in die dunkle Nacht empor zu schwingen. Er flog immer höher, den Wolken entgegen, immer weiter hinein in die Dunkelheit, bis diese ihn vollständig verschluckt hatte. Der Wind trug ein kaltes, grausames Lachen zu ihm. Es schien direkt aus der Dunkelheit zu kommen, von einem Ort jenseits dieser Welt, ein Ort im Verborgenen. Ein Ort wo kein Licht existierte, ein Ort den keiner ungeladen betreten konnte, und den auch niemand ohne Erlaubnis wieder verlässt. Das Lachen wurde von dem Wind verbreitet und schallte weitgehend in die Ferne, und doch schien es so, als könne es keiner hören, bis auf die schwarz gefiederte Gestalt die vom Winde getragen durch die rabenschwarze Nacht flog. Sie stimmte mit ihrem Krächzen in das gespenstige Lachen ein, welches nach einer gefühlten Ewigkeit endlich endete, und ersetzt wurde, durch ein paar wenige Worte, die wie eine unheilvolle Prophezeiung widerhallten. "Bald ist es soweit. Bald gehört er mir."
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Schattenwelt - Das nächste Kapitel
FantasyTeil 2 der Schattenwelt Saga Die Geschichte geht weiter. Ein Kampf zwischen Gut und Böse. Ein Kampf zwischen Licht und Dunkelheit. Die alles Entscheidende Schlacht. Ein weiteres Kapitel voller Verrat, voller Lügen, voller Zweifel. Und ein Einblick i...