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"Damals schien alles so viel einfacher." Jax hob überrascht eine Augenbraue. "Damals? Meinst du damals als du ein Kind warst, ausgestoßen, verachtet oder damals als du im Zuge deines Rachefeldzuges gegen deine Familie ein Hexenmassaker veranstaltet hast?" Skylar lachte leise. "Beides irgendwie.", flüsterte sie. "Wer wird denn hier plötzlich sentimental?", zog Jax sie auf, doch ehe sie etwas erwidern konnte, verstummte die Geräuschkulisse um sie herum und der Wald versank in eisiger Stille. "Er ist hier.", wisperte Skylar. Im selben Moment trat Killian zwischen den Bäumen hervor auf die Lichtung. Skylar lächelte leicht und breitete die Arme aus. "Killian, schön das du uns endlich gefunden hast! Wir haben dich schon erwartet." Killian ging nicht auf Skylars Spielchen ein. Ohne eine einzige Gefühlregung stand er da, mit eiserner Miene, die Armbrust geladen in den Händen. "Eine Armbrust? Wie süß. Du hast wohl nach wie vor nicht begriffen wer dein Gegner ist.", meinte Jax spöttisch. Unbeeindruckt sah Killian zu ihm. "Ich weiß ganz genau mit wem ich es zu tun habe." Seine Stimme war eisig, sein Blick emotionslos. "Worauf wartest du dann?", fragte Skylar herausfordernd und kam langsam auf ihn zu. "Ich bin unbewaffnet, meine Magie kann dir nichts anhaben. Das ist deine Chance. Erschieß mich doch.", flötete sie provokant. "Wozu, um einen Pfeil zu verschwenden? Nur damit dein Meister dich wieder zurück schickt, nein." Ungewöhnlich ruhig ließ Killian die Armbrust sinken. Etwas überrascht blieb Skylar stehen, doch das süffisante Lächeln umspielte weiterhin ihre Lippen. "Wenn du nicht gekommen bist um uns zu töten, weshalb bist du dann hier?", fragte sie leise. Killian sah ihr ausdruckslos in die Augen. "Ich gab mich noch nie mit Lakaien zufrieden. Wo ist er? Hat er es wirklich nötig sich hinter euch zweien zu verstecken? Wagt er es etwa nicht, sich mir persönlich zu stellen?" Skylar und Jax erstarrten bei seinen Worten. Niemand hatte es jemals gewagt Lucifer so offen herauszufordern. Noch nie. Plötzlich verdunkelte sich die Umgebung. Alle drei richteten ihre Blicke nach oben. Ein Schwarm Raben hatten den Mond verdeckt, durch ihr schwarzes Federkleid drang kein einziger silberner Strahl. Ihr Krächzen wurde vom Wind zu den drei Gestalten getragen, die auf der Lichtung in absoluter Dunkelheit standen. Dann begann das Lachen. Zuerst hätte man meinen können, ihr Verstand spiele ihnen einen Streich, das es bloß der Wind wäre, der durch die Blätter streicht, und sich mit den krächzenden Singgesang der schwarzen Vögel vermischte, doch dann wurde es lauter, deutlicher. Ein böses, grausames Lachen, dass einen durch Mark und Bein ging, dass direkt in ihre Seele einzudringen schien, und eine unglaubliche Kälte hinterließ, vermischt mit eisiger Angst, welche die Herzen der Anwesenden umschloss und lähmte. Skylar und Jax wichen zurück, doch Killian blieb wo er war, wie ein Fels in der Brandung. "Ist das alles was du kannst? Ich bin nicht beeindruckt." Obwohl er nur flüsterte, übertönten seine Worte irgendwie das grausame Lachen. Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, legten die Raben ihre Flügel an und kamen im Sturzflug auf die Lichtung, sie bewegten sich wie ein einziger gigantischer schwarzer Vogel. Kaum verdeckten ihre Flügel nicht mehr den Mond, wurde die Lichtung erneut in silbernes Licht getaucht, doch trotzdem blieb diese lähmende Dunkelheit, die Killian einschloss, als wäre er mitten im Auge eines Sturmes, bestehend aus Kälte, Dunkelheit und Tod. Kurz bevor die Raben den Boden erreichten stoppten sie, doch sie stoben nicht auseinander, sondern schienen beinahe miteinander zu verschmelzen. Die Dunkelheit, die eben noch Killian eingeschlossen hatte, schien auf die Raben zuzufließen, verwob sich mit ihren Federkleid, begannen einen langen schwarzen Mantel zu bilden, die Schatten formten sich zu einer hochgewachsenen Gestalt, die langsam das leichenblasse Gesicht hob. Es war der alte Mann, den Killian bereits kannte, doch da war etwas anders an ihm. Es waren die Augen. Sie waren absolut schwarz, tief in ihnen lag ein feuriger Schein, als wären sie Pforten direkt hinein in die tiefsten Tiefen der Hölle. Das grausame Lachen erstarb und die erdrückende Stille kehrte in den Wald zurück. Es schien, als hätte sich die Erde aufgehört zu drehen, als wäre die gesamt Welt vor Angst erstarrt. Als die Gestalt anfing zu reden, gefror Killian das Blut in den Adern. Die Stimme war eisig, wie klirrendes Glas und doch hatte sie eine hypnotische Wirkung, abstoßend und doch vertrauenserweckend. "Du wolltest mich sehen, hier bin ich." Killian lächelte leicht. "Lucifer. Ich hätte es wissen müssen.", flüsterte er, seine Stimme schien beinah unwirklich in dieser erdrückenden Stille. Lucifers schmale Lippen verzogen sich zu einer Grimasse, die durchaus als spöttisches Lächeln durchgehen konnte. "Wir sehen oft nicht das was direkt vor unserer Nase ist.", wisperte er und sein Blick wanderte kurz zu Skylar und Jax, die mit gebührenden Abstand hinter Lucifer ihren Platz eingenommen hatten, ehe er wieder Killian ansah, der jedoch keine Miene verzog, angesichts der versteckten Provokation. Teilnahmslos verschränkte er nur die Arme und legte den Kopf schief. "Du bist ganz anders als ich mich dir vorgestellt habe. Keine Hörner, kein flammender Dreizack, und ach ja, kleiner." Lucifers Miene verfinsterte sich einen Moment angesichts Killians Respektlosigkeit, doch er hatte sich schnell wieder im Griff und lächelte nur amüsiert. "Dein Verhalten könnte man durchaus als wagemutig ansehen, doch es ist nichts weiter als Naivität." Killian zuckte nur mit den Schultern. "Nenn es wie du willst, doch ich bin immer noch nicht beeindruckt." Einen Moment hielten alle auf der Lichtung den Atem an. Skylar und Jax wichen unwillkürlich einen Schritten zurück, bereiteten sich innerlich auf ein flammendes Inferno vor, dass geschürt von Lucifers Zorn sich ausbreiten würde und den gesamten Wald und alles was sich darin befindet verschlingen würde, und nichts überlassen würde, als Asche und Staub. Doch Lucifer begann zu lachen. Skylar und Jax sahen ihn ebenso überrascht an wie Killian, dem für einen Moment die emotionslose Maske entglitt, ehe er sich wieder im Griff hatte. Immer noch lachend begann Lucifer in die Hände zu klatschen. "Ich bin entzückt. Noch nie hat es jemand gewagt so mit mir zu reden. Killian Hunter, du überrascht mich immer wieder aufs Neue. Es wird mir eine große Freude sein, dich endlich mein Eigen nennen zu können." Killian hob den Kopf. "Ich werde nie dein Eigen sein.", knurrte er. Lucifers Lachen wurde leiser, doch seine Augen funkelten immer noch amüsiert. "Oh, so mutig unser Schattenjäger. Denkt er könne sich alles erlauben, denkt er hätte nichts zu verlieren. Doch da irrst du, mein Jäger der Schatten. Du magst es noch nicht sehen, doch du hast jede Menge zu verlieren."

Schattenwelt - Das nächste Kapitel Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt