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"Nein!" Der Raum erbebte und die Flammen loderten auf, als Lucifer seinem Zorn freien Lauf ließ. Der Lakai, der ihm eben noch eine Botschaft überbracht hatte, zog den Kopf ein und wich langsam zurück bis er mit dem Rücken zur Wand stand, doch Lucifers Zorn bezog sich nicht auf die jämmerliche Kreatur in der Ecke, sondern auf etwas völlig anderes. Er hatte durch die Augen seines Spiones alles mitbekommen. Er hatte bereits fühlen können, wie der Jäger auf seine Seite gezogen wurde, wie er der Dunkelheit die der Fürst der Hölle im Geheimen in ihn eingepflanzt hatte, die Kontrolle übernommen hatte, und ihn direkt in seine Arme geführt hätte. Doch dann geschah etwas, mit dem Lucifer nicht gerechnet hatte, etwas, das ihn vollkommen überrumpelt hatte, der Junge, der andere Jäger, so unscheinbar und schmächtig, brach seinen Bann, durchdrang die Dunkelheit und drang bis zu der noch intakten Seele des Jägers vor, und holte ihn zurück ins Licht. Und sie stand einfach nur da und ließ zu, dass dies geschah, ließ zu, dass sein Plan durchkreuzt wurde. Sie hatte versagt. Mit einem erneuten Wutschrei, brach das Glas, die spärlichen Möbel in dem Raum wurden gegen die Wand geschleudert und die arme Kreatur die eben noch wie ein Häufchen Elend in der Ecke gekauert war, ging mit einem Schmerzensschrei in Flammen auf, bis nur noch ein Häufchen Asche von ihm über war. Doch darauf achtete der Fürst gar nicht. Stattdessen richtete sich sein Blick wieder in die Ferne, auf der Suche nach seinem Spion, um durch dessen Augen die Person zu finden, auf die sich seine Wut richtete. Und da stand sie. Standen sie beide. Der Junge, der seine Plan durchkreuzte, und das Mädchen, welches es zugelassen hatte. Das Mädchen, welches er doch wie eine Tochter behandelt hatte, und doch hatte sie ihn so schändlich verraten. Da stand sie, und sah dabei zu, wie sein Plan dabei war, zu Asche zu werden. Unwillkürlich griff er in die Luft und in seiner Hand erschien eine Pergament Rolle. Das Schriftstück, dass ihm seine Kinder gebracht haben, das Schriftstück, verfasst in einer bereits lang vergessenen Sprache, welches ihm offenbart hatte, wie er sein Ziel erreichen konnte, wie er den Jäger auf seine Seite bekommen konnte. Doch es hat versagt. Das Pergament fing Feuer und mit kaltem Blick beobachtete Lucifer, wie es langsam verbrannte. Die Asche rieselte lautlos zu Boden, wo sie liegen blieb. Der letzte Rest eines gescheiterten Planes. 

Skylar konnte einfach nicht fassen was sie da hörte. Sie hatte ihn fast dort, wo ihr Meister ihn haben wollte, und dann funkte dieser Amateur von einem Jäger dazwischen, schwang eine ihrer Meinung nach viel zu sentimentale Rede, und durchkreuzte mit nur ein paar Worten Lucifers Plan. Er würde nicht erfreut darüber sein, wenn er es herausfand. Vorausgesetzt, er wusste es nicht schon längst. Ihre Augen suchten den Himmel ab, ihre Umgebung, und wirklich, da saß er. Sein schwarzes Federkleid verschmolz mit der Dunkelheit der Nacht und seine leeren Knopfaugen waren auf Skylar gerichtet. In ihnen schienen Flammen zu lodern. Ein kalter Schauer lief Skylar den Rücken hinunter. Ihr Meister war wütend, allem Anschein nach. Sobald sie wieder bei Jax war, mussten sie nach unten, und es klären. Sie musste an die letzten Worte denken, die Lucifer ihnen gesagt hatte, ehe er sie entlassen hatte. Sie hatte ihn enttäuscht, hatte versagt. Wenn sie nicht schnell etwas unternehmen würde, wäre es womöglich ihr Ende. Sie wusste, sie durfte sich viel erlauben, weitaus mehr als wohl jegliche andere Kreatur auf dieser Welt, doch selbst sie wusste, wann eine Grenze überschritten war, und dies war nun definitiv der Fall. Während sie so ihren Gedanken nach hing hatte sie gar nicht bemerkt wie Killian, John und Tessa sich von ihr entfernt hatten und nun um den Altar herum standen. Schnell beeilte sie sich, ihnen hinterher zu kommen. Als sie neben Killian trat, konnte sie gerade noch die letzten seiner Worte hören: "...ist die Verbindung getrennt." Nun lagen alle Blicke auf ihr. Skylar hob eine Augenbraue. "Je suis désolé, ich habe abgeschaltet nach, wir werden sie nicht töten.", säuselte sie provokant, um ihre Abgelenktheit zu überspielen. Mit Erfolg, denn sie bekam die typisch vorwurfsvollen Blicke, ehe Killian alles für sie wiederholte. "Der Altar ist der Brennpunkt ihrer Macht, er dient als Übergang für die Magie zu den Ahnen. Wenn wir ihn zerstören, und diesen Ort hier entweihen, wird die Verbindung zu den Ahnen gekappt, und dann können sie so viele Menschen opfern wie sie wollen, es wird ihnen nichts mehr bringen.", fasste er ungeduldig zusammen. Skylar runzelte die Stirn. "Klingt ja alles schön und gut, aber wieso seid ihr der Meinung, das würde sie davon abhalten weiterhin Unschuldige zu ermorden. Man braucht keine Ahnen um Opfermagie zu betreiben. Es gibt auf dieser Welt weitaus mächtigere Quellen die man durch Opfermagie anrufen kann.", erinnerte Skylar sie trocken. Sofort schüttelte Tessa den Kopf. "Mein Zirkel mag grauenvolle Dinge getan haben, doch sie taten es immer im Namen der Ahnen. Wenn die Verbindung zu den Ahnen getrennt wird, werden sie auf Naturmagie umsteigen.", widersprach sie selbstsicher. Skylar zog eine Augenbraue hoch. "Was macht dich da so sicher?", fragte sie herausfordernd. Tessa erwiderte ihren Blick standhaft. "Nicht jeder ist von Grund auf bösartig. Ich kenne meinen Zirkel." Skylar öffnete den Mund um etwas darauf zu erwidern, wurde aber von Killian unterbrochen, der eine Hand hob. "Ihr könnte so viel diskutieren wie ihr wollt, es ist entschieden. Wir werden den Altar zerstören.", meinte er in einem Tonfall, der keinen Widerspruch zuließ. "Doch solltest du Recht haben, und sie töten weiterhin Unschuldige, werden wir wiederkommen, und das wissen sie auch.", fügte er hinzu und warf den Hexen einen drohenden Blick zu, die langsam wieder zu sich gekommen waren und nun aufstanden. Doch keine wagte es, ihnen zu nahe zu kommen. Ob es an der Tatsache lag, dass sie gesehen haben, wozu Skylar im Stande war, oder ob die Armbrust sie beunruhigte, die Killian wie aus dem Nichts in den Händen hielt, ließ sich nicht sagen. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem. Mit einem resignierten Augenverdrehen streckte Skylar Tessa die Hand hin. Diese sah misstrauisch auf die dargebotene Hand, doch nach einem kurzen Blickwechsel mit Killian ergriff sie doch Skylars Hand, und im nächsten Moment ging bereits ein Teil ihrer Magie auf Skylar über. Diese lächelte bösartig und hob eine Hand Richtung Altar. "Sagt Au Revoire zu euren Ahnen.", murmelte sie leise, ehe sie die geballte Macht der Hexen die sie vorher absorbiert hatte, sowie Tessas Macht, auf den Altar losließ, welcher mit einem gewaltigen Donnern zerbrach. Eine Welle der Magie überflutete den Friedhof, welche den Hexen durch Mark und Bein ging, dann lag der Friedhof wieder still und dunkel da, als wäre nichts passiert. 

Schattenwelt - Das nächste Kapitel Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt