Taehyung saß bereits im Speisesaal an ihrem Tisch, der mittlerweile nach den letzten Tagen zu ihrem Stammplatz wurde.
Sonst aßen sie immer zusammen mit Jimins Mutter in der Küche, die lieber selbst Hand anlegen wollte als das verhunzte Essen von der Essenausgabe zu essen.
Taehyung gab zu, dass das Essen von Mrs. Everblood besser schmeckte als das was die Köche hier zubereiteten, doch er konnte Jimin nicht verstehen, der sich schon regelrecht weigerte auch nur einen Bissen davon zu nehmen.
Es war immerhin genießbar.
Er schaufelte sich bereits gierig den Mund voll, als Jimin vor ihm Platz nahm.
"Wo warst du denn so lange?", fragte er mit vollem Mund.
Zu seinem Missfallen setzte sich Jungkook genau in dem Moment neben Jimin, der ihn aus schüchternen Augen ansah.
"Und was hat der hier zu suchen?", wollte er wissen und schaute ihn grantig an.
Jimin warf ihm einen mahnenden Blick zu.
"Wir haben noch weiterhin das Abrollen trainiert. Außerdem hatte er heute noch kein Frühstück gehabt, da darf er doch wohl Mittagessen haben."
Taehyung sah seinen Parabatai aus leeren Augen an. "Wenn's sein muss."
Missbilligend beobachtete er wie Jungkook und Jimin zur Essensausgabe gingen.
Allgemein lagen alle Blicke im gesamten Saal auf Jungkook. Sie fingen an zu tuscheln und flüsterten sich gegenseitig die wildesten Vermutungen zu, wer er sein könnte.
Er wollte einfach geradeheraus schreien, dass er ein Feenwesen ist, damit alle Bescheid wussten. Doch Taehyung konnte sein Verlangen unterdrücken, als die beiden sich wieder an seinen Tisch setzten.
Jimin warf einen Blick auf seinen Teller.
Eigentlich hatte er sich das abgewöhnen wollen und sich mehrfach vorgenommen: Denk nicht länger über das Essen nach. Iss einfach.
Aber er bekam es beim besten Willen nicht hin. Lieber sezierte er bei jeder Mahlzeit den Inhalt seines Tellers.
Das Essen heute schien aus einer Art Wokgericht zu bestehen, allerdings befanden sich Brotstücke darunter. Und Paprikawürfel. Und irgendwas Rotes.
Das war Pizza. Jemand hatte eine Pizza im Wok gebraten.
"Nein!", stieß Jimin fassunglos hervor.
"Was ist?", fragte sein Parabatai und aß seelenruhig weiter.
Jimin schüttelte nur seinen Kopf.
Taehyung ließ sich von solchen Dingen weniger irritieren als er selbst.
Vielleicht war einem der Köche ja eine Pizza auf den Boden gefallen oder beim Backen auseinandergebrochen, woraufhin er aus irgendeinem unerklärlichen Grund beschlossen hatte, die Reste in einen Wok zu hauen und einfach draufloszubraten.
Schulterzuckend versuchte Jimin die Mahlzeit trotzdem herunterzuwürgen.
Jungkook schien das Essen hervorragend zu schmecken, denn er schaufelte sich hungrig eine Gabel, voll mit dem Wokgericht, nach der anderen in seinen Mund.
"Jimin." Taehyung, dem bei dem Anblick der Appetit vergangen war, sah ihn eindringlich an. "Kann ich dich mal kurz sprechen?"
Froh darüber, dass Jimin eine Ausrede gefunden hatte dem Essen zu entfliehen, kam er seiner Bitte nach.
Sie ließen Jungkook, der zu beschäftigt mit seinem vollen Teller vor sich war, als das er gemerkt hätte, dass er alleine am Tisch saß, zurück.
Jimin hatte sich an die Wand gelehnt und musterte ihn aus sanften Augen.
So sah Jimin seinen Parabatai immer an. Sanft und gleichmütig.
Sie hatten sich in die Bibliothek zurückgezogen, wo um diese Uhrzeit normalerweise niemand war und sie in Ruhe miteinander sprechen konnten.
"Wir haben doch gestern darüber geredet! Wieso behandelst du Jungkook so freundlich?", fing Taehyung mit schnippischer Stimme das Gespräch an.
Der Grund war ganz einfach. Er hatte Mitleid mit ihm. Mitleid mit einem Halb-Feenwesen, dass wegen seines Blutes verurteilt wurde.
Als er Jungkook wecken sollte hatte er die eindeutige Tränenspur auf seinen Wangen gesehen und hörte wie er im Schlaf 'Mutter' flüsterte.
Er hatte sich den ganzen Morgen darüber den Kopf zerbrochen.
Jimin war seinem Vater zwar Rechenschaft schuldig, aber es war keine Rechenschaft, jemanden wegen etwas zu hassen, wofür er nichts konnte und ihn deshalb auch noch zu schikanieren.
In einer kleinen Pause, zwischen einem missglückten Sprung von Jungkook nach dem nächsten, hatte er sich zu Jungkook auf die Wiese gesetzt.
Sie haben geredet.
Zumindest hat Jungkook zum größten Teil geredet.
Er hat ihm von den letzten Instituten erzählt in denen er gehofft hatte bleiben zu dürfen, er hatte erzählt wie unfair er dort behandelt wurde und wie viel Angst er davor hat nie wieder ein richtiges Zuhause zu finden und wie glücklich er darüber war in einem richtigen Bett zu schlafen.
"Taehyung." Er ließ sich Zeit bevor er seine nächsten Worte gut durchdacht aussprach. "Ich weiß wie du dich fühlst. Ich weiß was du durchgemacht hast. Ich habe das selbe durchgemacht."
"Ja eben!", rief Taehyung aus. "Wenn du es weißt, wieso hintergehst du mich?"
"Ich hintergehe dich nicht!" Jimin stieß sich von der Wand ab und kam einen Schritt auf ihn zu, um seine Hand auf seine Schulter zu legen.
"Aber du weißt doch selbst, dass das Verhalten ihm gegenüber falsch ist! Er kann doch nichts dafür, dass er mit diesem Blut geboren wurde! Er war doch noch ein Kind vor 5 Jahren, genau wie wir!"
Taehyung schlug seine Hand von seiner Schulter.
"Er ist aber trotzdem ein Feenwesen und jedes Feenwesen ist ein potenzieller Feind! Sieh dir doch nur mal an was sie uns angetan haben! Sieh dir an wie viel Leid sie verursacht haben."
"Nicht alle Feenwesen haben dieses Leid verursacht, aber alle müssen jetzt dafür büßen." Verständnislosigkeit war in Jimins Augen zu erkennen.
Verständnislosigkeit die Taehyung nicht nachvollziehen konnte.
"Ja müssen sie! Sie haben uns hintergangen. UNS! Die Königin des Lichten Volks hat uns betrogen. Zahlreiche gute Schattenjäger haben ihr Leben verloren. Darunter auch meine Eltern und dein Vater! Wieso bist du so verdammt naiv?!"
"Ich bin nicht naiv! Ich sage nur, dass es falsch ist! Er ist nur zur Hälfte ein Feenwesen!"
"Und dennoch ist das Blut in ihm!", keifte Taehyung ihn an.
"Mag sein, aber es ist auch das Blut Raziels in ihm!"
"Das hat nichts zu bedeuten! Siehst du nicht, dass er dich schon in seinen Bann gezogen hat? Er will uns auseinander bringen!"
"Das ist doch albern! Bitte komm doch zur Vernunft!"
"Das könnte ich dir genauso sagen!"
"Du kennst doch die Geschichte über Helen Blackthorn! Wieso ist sie eine Ausnahme? Du kanntest sie nichtmal und hast ihr verziehen!"
Taehyung wusste nicht was er darauf antworten sollte.
Wütend schubste Taehyung Jimin von sich, der einen leidenden Gesichtsausdruck hatte, als Taehyung wutentbrannt an ihm vorbei stürmte und das Institut verließ.
"Verdammt.", flüsterte er in die Stille die ihn umgab und ließ sich mit seinem Rücken gegen die Wand sinken.
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Metanoia || Jikook
Fanfiction2012, Seoul Niemals wird er den Tag vergessen, an dem seine Eltern gestorben sind. Der 17-Jährige Taehyung war damals noch ein Kind und es herrschte ein furchtbarer Krieg, in dem die Schattenjäger, Erzfeinde der Dämonen, fast völlig ausgelöscht wurd...