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Jungkook stand in einem dunklen Raum, umgeben von Kleiderständern mit teuren Mänteln und Jacken.

Aus dem Saal fiel nur wenig Licht in diesen hinteren Teil der Garderobe, doch er sträubte sich nicht, als eine Hand hinter einem Ledertrenchcoat hervorschoss und ihn auf die andere Seite des Kleiderständers zog.

Jimin. Sein Haar schimmerte tiefschwarz, die Augen glühten in der Dunkelheit. "Was ist zwischen dir und Taehyung vorgefallen?", fragte er gerade heraus.

Jungkooks Augen weiteten sich und sie wurden erneut glasig, wie so oft an diesem Tag. Er musste ihm die Wahrheit sagen. Die ganze Wahrheit. Niemals konnte er Jimin etwas verschweigen.

Ohne weiter nachzudenken sprudelten die Worte aus ihm heraus. "Wir haben uns geküsst. Er ... hat mir gesagt, er liebt mich und ...", er geriet ins Stocken, "Jimin ich habe ... etwas gefühlt, aber ich wollte das nicht! Ich wollte es nicht, aber ich konnte mich nicht dagegen wehren!"

"Was?", fragte er aufgebracht und stieß Jungkook gegen die Wand. Der Bereich hinter den Mänteln war schmal, eng und stickig. Jungkook keuchte auf - und nicht nur wegen der Wucht, mit der sein Rücken gegen die Wand prallte.

Heiße Wut strahlte von Jimin ab wie Wogen, die Jungkook spüren konnte, sie wirbelten tief in seinem Inneren.

"Wieso konntest du dich nicht dagegen wehren, wenn dein Herz mir gehört und meines dir?"

"Ich ... weiß es nicht.", sagte Jungkook verzweifelt. Jimin drückte ihn fester gegen die Wand und zwängte ein Knie zwischen Jungkooks Beine. Seine Worte klangen wütend, aber Jimins Hände auf seinem Körper waren vertraut: schlanke, warme Finger, die an dem Reißverschluss seiner Monturjacke herumfummelten und sich unter sein T-Shirt schoben, um über seine Haut zu streicheln.

"Jimin." Jungkooks Stimme zitterte. "Ich liebe dich so sehr, aber ich ... ich kann mich nicht gegen das Verlangen wehren, dass ich gegenüber Taehyung habe."

In der Garderobe roch es wie in einer Parfümerie: hunderte von Aromen, die im Stoff der Mäntel und Jacken hingen und seine Nase reizten. Künstliche Duftstoffe, keine natürlichen: synthetische Tuberose, synthetischer Jasmin, synthetischer Lavendel.

"Ich dachte er hat dir etwas angetan.", erwiderte Jimin tonlos. "Ich dachte er hat dir wehgetan." Seine Augen funkelten enttäuscht und die erste Träne bahnte sich über Jungkooks Wange. Er legte seine Hand auf Jimins Brust. Sein Herz pulsierte wild.

Er hob den Kopf und schaute Jimin an. "Irgendwie hat er das." Jungkook sah den Sturm in seinen Augen.

Die Macht die seine Worte besaßen und welche Fehler er mit ihnen begangen hatte, prasselte auf ihn ein. Verzweifelt suchte er nach einem Weg Jimin zu beweisen, dass das mit Taehyung nichts Vollkommenes sei; niemals werden würde.

Ruckartig zog Jungkook ihn zu sich herunter und presste seine Lippen auf Jimins Mund.

Jimin erstarrte, rührte sich nicht vom Fleck, eine eher zögernde als teilnahmslose Reaktion. Jungkook hob die Hände und umfing sein Gesicht. Und erst in diesem Moment bewegte Jimin sich: Er presste sich an Jungkook und küsste ihn mit einer Leidenschaft, die Jungkooks Kopf erneut gegen die Wand schlagen ließ.

Jimin schmeckte nach Rosen und warmen Nachthimmel und er fühlte sich von einem Gefühl der Zärtlichkeit umwogen, die er bei Taehyung nicht empfunden hatte. Er ließ all seine Emotionen in den Kuss fließen und krallte sich an Jimin fest, er wollte ihn nie wieder los lassen. Er war die einzige Person, die er wirklich lieben wollte.

Nach einem Moment löste Jimin sich von ihm. Die Wut hatte Traurigkeit, Angst und Besorgnis Platz gemacht.

Jungkooks Atem ging stoßweise. "Ich liebe dich. Das ist keine Lüge."

"Ich weiß ... Aber ..." Jimin musterte ihn nachdenklich, fast verzweifelt. "Gilt dieser Funken in deinen Augen nur mir? Oder hat Taehyung ihn auch gesehen?"

"Nur bei dir habe ich solche Gefühle, dass ich denke sie könnten mich jeden Moment zerreißen.", antwortete Jungkook und ein trauriges Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Seine Tränen flossen noch immer über sein Gesicht.

Jimin hatte die Augen gesenkt. Seine Haare fielen ihm ins Gesicht. "Du darfst ihm nicht dein Herz schenken. Ich weiß, dass ich egoistisch bin, aber ich will dich nicht teilen."

Jungkook schluchzte auf. "Heißt das, du hasst mich nicht?"

"Wie könnte ich dich jemals hassen? Genauso wenig kann ich Taehyung dafür hassen ..."

Jungkook schob seine Hände in den Bund von Jimins Hose und zog ihn für einen weiteren Kuss zu sich heran - für einen Kuss und die Erinnerungen an ihre Liebe. Erinnerungen so süß wie Wein.

"Mein Herz gehört nur dir.", hauchte Jungkook zwischen ihrem Kuss und Jimin ließ seine Hände zu Jungkooks Hüften gleiten.

Ihre Küsse waren heiß, eng umschlungen standen sie zwischen den Kleidungsstücken. Jungkooks Hände fanden ihren Weg unter Jimins T-Shirt und zeichneten seine Wirbelsäule auf seinem Rücken nach.

Lächelnd trat Jimin einen Schritt zurück. "Wir sollten aufhören." Kurz strich er Jungkook die Tränen aus dem Gesicht. Seine Augen strahlten noch immer ein Gefühlschaos aus.

Und auch Jimin spürte noch diesen spitzen Stich in seiner Brust. Den verschleierten Dunst von Beklommenheit, der sich über sein Herz legte.

Doch das müssten sie auf später verschieben. In einigen Stunden hätten sie genug Zeit miteinander zu reden und ihre Gedanken komplett freizulegen, sich dem anderen zu öffnen und Frieden im Herzen zu finden.

Es dauerte nicht mehr lange.

Jetzt mussten sie sich erstmal um wichtigeres kümmern.

Metanoia || JikookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt