Die gewölbte Decke des Raumes trug verschlungenen Muster aus blauen und silbernen Heilrunen.
In letzter Zeit sah Jungkook öfters an die Decke, als erwarte er, dass sie sich auftun würde und der Himmel mit seinen zahlreichen Wolken zum Vorschein kommen würde.
Durch die Spitzbogenfenster zwischen den Betten fielen breite Lichtstrahlen auf den Marmorboden. Der Tag neigte sich dem Ende.
Jungkook war am frühen Nachmittag aufgewacht, mit einem Stillen Bruder an seinem Bett, der ihm die Situation erklärte und ihn mit Heilrunen versehen hatte, wodurch nur noch blasse Striche auf seiner Haut auf die vielen dünnen Schnittwunden hinwies.
Nervös verkrampfte er seine Finger in dem Stoff seiner Hose, als er sich an den Nephilim erinnerte, der ihn immer und immer wieder verletzt hatte.
"Du verdienst dein Leben nicht.", "Verkaufst du dich in Seoul oder wieso nehmen die dich auf?" und "Kein Wunder, dass du keine Familie mehr hast, du bist an ihrem Tod Schuld." hatten sich wie ein Brandmal in seinem Gedächtnis eingeprägt.
Irgendwann hatte er sein Bewusstsein verloren und war in diesem Krankensaal aufgewacht. Ruckartig hatte er sich aufgesetzt, wobei er sich unter Schmerzen zusammengekrümmt hatte.
Bruder Jesaja stand direkt vor ihm und hätte er das Erscheinungsbild der Brüder der Stille nicht gekannt, wäre er wahrscheinlich schreiend aus dem Bett gefallen.
Jungkook saß auf dem Rand des Krankenhausbettes, eines in einer langen Reihe weiß bezogener Betten, die sich über die gesamte Länge des Krankensaals erstreckte.
In der Luft hing ein Geruch von Kräutern und seltsamen Salben. Doch aufeinmal war da ein Duft, der neu dazugekommen ist. Der Geruch nach einer frisch aufgesetzten Brühe.
Dann tauchte Jimin im Türrahmen des Saals auf, der seinen Blick auf die Schüssel in seinen Händen fixiert hatte.
Als er den Raum betrat sah er auf und fing Jungkooks Blick ein. Sanft lächelnd kam er zu ihm ans Bett. "Jungkook, dir geht es gut.", stellte er erleichtert fest.
"Ja, mir geht es prima." ... physisch vielleicht, dachte er, doch sprach es nicht laut aus.
Vorsichtig stellte Jimin die Schüssel auf dem kleinen Tisch, der neben dem Bett stand, ab und drückte Jungkook einen Silberlöffel in die Hand. Mit großen Augen sah er darauf.
"Also, das ist ein Löffel für die Suppe, die du schleunigst essen solltest, sonst wird sie kalt.", setzte er an. "Wenn sie nicht dampfen würde hätte ich das sogar vermutet, der Wind draußen ist eisig."
Dann holte er eine Tasche unter seinem Arm hervor, die er neben Jungkook abstellte.
Perplex schaute Jungkook von der Tasche zu Jimin und dann zur Suppe.
Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen und er nippte an dem Löffel, den er in die Suppe getunkt hatte. Sie schmeckte köstlich, sie sättigte und besaß einen sahnigen Nachgeschmack.
Gierig schlang er einen Löffel, voll mit der Flüssigkeit, nach dem nächsten herunter.
"Das ist zwar nicht das Wunderelexier von Bruder Jahasiel, aber es kommt ihm schon nahe."
Jimin ließ sich auf der gegenüberliegenden Seite auf dem benachbarten Bett nieder und beobachtete Jungkook, der sich auf seine Suppe konzentrierte.
Seine Ernährung war in letzter Zeit alles andere als ausgewogen, doch er hatte sich mittlerweile daran gewöhnt. Trotzdem freute er sich über jede Mahlzeit die er bekam.
"Tut dir noch irgendetwas weh?"
Jungkook schüttelte seinen Kopf. "Danke, dass du dich um mich kümmerst."
Jimin erwiderte darauf nichts. Er wirkte erschöpft, und unter seinen Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab.
Er fragte sich ob das etwas mit Taehyung zu tun hatte.
Bei dem Gedanken an ihn begann seine Brust zu schmerzen, als würde sich ein Knoten um sein Herz legen und es ganz langsam zerdrücken.
Gern hätte er Jimin gefragt, wieso Taehyung überhaupt hier war, doch vielleicht verwunderte ihn das Ganze genauso wie ihn.
Immer wieder gingen ihm seine Worte durch den Kopf: Dein Blut ist besudelt.
Eilig verwarf er diese Erinnerung. Taehyung ist nicht hier. Zumindest nicht in diesem Raum.
"Was ist eigentlich mit meinen Sachen?", fragte er stattdessen.
Jungkook war in einem weißen Pyjama aus Leinen aufgewacht.
"Die waren voller Blut. Ich habe gesehen wie Bruder Jesaja sie entsorgt hat.", sagte er mit einem verärgerten Unterton in der Stimme. Verärgert darüber, dass sie voller Blut waren.
Erleichtert darüber, dass sein Wollpullover noch immer im Institut in Seoul verborgen unter dem Bett lag, nickte er.
"Es tut mir Leid."
Überrascht sah Jungkook auf. "Was?", fragte er mit heiserer Stimme.
Doch Jimin wandte seinen Blick ab und eine unangenehme Stille trat ein. Jungkook traute sich nicht weiter nachzufragen.
Als er, mit einem unruhigen Gefühl in seiner Brust, fertig aufgegessen hatte, öffnete Jimin die Tasche und packte einige Kleidungsstücke aus.
"Draußen ist es noch kälter geworden.", erklärte er und gab Jungkook eine Schattenjägermontur und eine Jacke die er verwirrt entgegen nahm.
Unter dem Blick von Jimin zog er sich nervös um, wobei eben dieser Blick Jungkook die Röte in die Wangen trieb und er sich hastig die Kleidung überstreifte.
Sie waren Männer, es war nichts dabei sich vor ihm umzuziehen, hielt er sich immer wieder vor Augen.
Jimin zog Stiefel aus der Tasche und stellte sie Jungkook vor die nackten Füße, in die er solgeich hinein schlüpfte, während er sich die Hose zuknöpfte.
"Es findet gleich eine Versammlung statt über deinen Antrag im Institut in Seoul zu bleiben.", sagte Jimin und Jungkook hielt die Luft an.
Während er panisch Jimin anschaute, bückte sich dieser mit langsamer Präzision, um die Schuhriemen an Jungkooks Stiefeln zu schnüren.
Jungkook kam sich vor wie ein Kleinkind und knetete verlegen seine Hände.
"Wieso findet die Tagung jetzt gleich schon statt?", fragte er mit geröteten Wangen und beobachtete Jimins Bewegungen.
"Die Konsulin konnte eine Sitzung vereinbaren, in der nur die intimsten Mitglieder des Rates teilhaben. Sie will es so schnell es geht hinter sich bringen und wir haben vermutlich eine gute Chance deinen Aufenthalt in Seoul genehmigen zu lassen."
Erfreut über diese Tatsache stand Jungkook auf, als Jimin seine Stiefel fertig geschnürt hatte und streifte sich die dicke Daunenjacke über, die ihm viel zu dick erschien, wenn er Jimin betrachtete, der nur eine dünne Lederjacke übergezogen hatte.
Mit kleinen Schritten folgte er Jimin aus dem Krankensaal in einen schmalen, weiß getünchten Korridor, von dem auf beiden Seiten mehrere Türen abgingen.
Jungkook hielt die Luft an, als sie auf den Engelsplatz traten und zur Abkommenshalle marschierten. Der eisige Wind fegte ihm um die Ohren und das Blut in seinen Adern begann zu pulsieren, als sie die Abkommenshalle betraten und alle Blicke auf ihnen lagen.
Nervös lief Jungkook hinter Jimin auf eine Bank in der ersten Reihe zu, wo Celiné saß und ihn besorgt musterte.
Es waren nur sehr weniger Nephilim anwesend, die ihren Blick nach vorn gerichtet hatten, wo der Inquisitor stand und ungeduldig mit dem Finger auf dem Tisch tippte.
"Da nun alle anwesend sind, können wir ja nun beginnen.", hallte seine Stimme durch den Raum und bestätigte Jungkooks Vermutung, dass sie alle auf ihn gewartet hatten.
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Metanoia || Jikook
Fanfiction2012, Seoul Niemals wird er den Tag vergessen, an dem seine Eltern gestorben sind. Der 17-Jährige Taehyung war damals noch ein Kind und es herrschte ein furchtbarer Krieg, in dem die Schattenjäger, Erzfeinde der Dämonen, fast völlig ausgelöscht wurd...