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Wenige Sekunden später, als sie schweigend weitergegessen hatten, kam Jimin zurück, einen Gegenstand in den Händen der in schwarzen Stoff gewickelt war.

Vorsichtig legte er ihn auf den Tisch und klappte das Tuch auseinander, sodass ein schimmerndes, zauberstabartiges Objekt aus hellem, lichtundurchlässigem Kristall zum Vorschein kam. Eine Stele.

Stelen werden von Schattenjägern benutzt um auf ihrer Haut, ihren Waffen und anderen Dingen Runen aufzutragen. Sie werden aus, dem himmlischen Material, Adamant, von den Eisenen Schwestern gemacht.

"Jeder Schattenjäger sollte eine eigene Stele besitzen, du auch."

"Sie ist wunderschön, aber ... ist das nicht deine?", fragte Jungkook erstaunt.

Jimin schüttelte den Kopf.

"Wir haben alle eine eigene.", sagte Taehyung.

"Eine Stele hat eine Art Aura, ein geisterhafter Abdruck der Persönlichkeit ihres Besitzers.", erklärte Jimin.

Jungkook nahm die Stele in die Hand. Sie fühlte sich kühl an, aber er wusste, dass sie sich bei Gebrauch stark erhitzte, bis sie glühte. Irgendwie fühlte sie sich an, als wäre sie eine Verlängerung seines Arms, als würde sie zu ihm gehören.

"Und ich kann sie wirklich haben?"

"Jungkook. Du bist jetzt ein angehöriger Schattenjäger am Institut in Seoul. Du brauchst eine Stele." Celiné hatte sich erhoben und blickte aus sanften Augen auf ihn herab.

"Da ist noch eine Sache." Jimin lehnte sich gegen die Tischkante. "Diese Stele gehörte deinem Vater."

Jungkooks Augen weiteten sich und seine Finger, die das kalte Adamant umschlossen hatten, verkrampften sich. "Meinem Vater?", wiederholte er ungläubig. "Wie?"

"Sie war in deinem alten Haus. Anscheind hatte man sie dort verstaut, weil es ein älteres Modell ist."

Fassunglos schaute er auf die Stele die glitzernd in seiner Hand lag. Erinnerungen an seinen Vater erschienen vor seinen Augen, seine Brust zog sich schmerzlich zusammen.

Als er ihn vor sich sah, wie er sich mit dieser Stele Runen auf seine Haut zeichnete, wie er damit Schutzrunen an die Wände ihres Hauses auftrug und er seine Bolzen der Armbrust damit versah, bevor er auf Patrouillie ging.

"Natürlich gibt es verfeinerte Modelle, die besser sind, aber sie funktioniert immernoch.", sagte Taehyung.

Doch das war Jungkook nicht wichtig, viel wichtiger war es, dass er eines der wichtigsten Gegenstände seines Vaters in den Händen hielt und es nun seins nennen durfte. Für ihn war es die beste Stele, die er je haben könnte.

"Danke.", hauchte Jungkook fast lautlos.

Eine Hand legte sich auf seine Schulter und blinzelnd schaute er zu Jimin hoch, der ihn lächelnd und sanftmütig ansah.

Taehyung rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum, während er Jungkook beobachtete, wie er die Stele wie einen Dirigentenstab hielt und damit unsichtbare Muster in die Luft zeichnete.

Seine Augen leuchteten und er versprach seinem Vater diese Stele in Ehren zu halten, während eine Träne sein Auge verließ. Er würde sie niemals verlieren.

Jimin drückte nochmal seine Schulter, als er seine Hand von ihm nahm. "Lass uns shoppen gehen, es wird Zeit für deine eigene Waffe."

"Eine eigene Waffe?" Überrascht ließ Jungkook seine Hand sinken.

"Wir haben zwar viele Waffen in der Waffenkammer, aber normalerweiser hat jeder Schattenjäger eine bestimmte Waffe, die er immer mit sich trägt.", antwortete Celiné.

Jungkook wollte gerade etwas erwidern als Jimin sagte: "Wir machen uns direkt auf den Weg."

"Aber ..."

Doch Jimin hatte Jungkook schon eine Jacke zugeworfen. Seine Bewegungen hatten etwas Ungeduldiges an sich, etwas Lauerndes und Wachsames, das ein Prickeln über Jungkooks Haut jagte.

"Ich wollte ohnehin schon längst an die frische Luft. Also lass uns einfach direkt jetzt gehen."

Jungkook nickte, steckte sich die Stele in seine Hosentasche und zog sich seine Jacke über, als er aufstand und mit Jimin den Raum verließ.

"Wartet ich komme ...", setzte Taehyung an und erhob sich von seinem Stuhl.

"Nichts da. Du kannst deiner Strafe entgehen, aber dafür musst du den Abwasch machen."

Man hörte noch Taehyungs leises Fluchen, als die Beiden die Wohnung verließen.

Als sie sich vom dem Haus entfernten, sah Jungkook zu Jimin, der seinen Blick nach vorne gerichtet hatte.

"Wieso ... also ... wieso bekomme ich die Stele meines Vaters und jetzt sogar eine eigene Waffe?"

Ein Schmunzeln schlich sich auf Jimins Lippen, doch sein Blick war immernoch geradeaus gerichtet.

"Du bist nun ein anerkannter Nephilim. Du gehörst jetzt zu uns und als ein anständiger Nephilim benötigst du eben solche Dinge, die dir vorher nicht anvertraut worden sind."

Fragend hob Jungkook seine Augenbrauen. "Aber wieso wurden sie mir nicht anvertraut?"

Kurz überlegte Jimin, um die richtigen Worte zu finden. "Ich denke mal das liegt daran, dass du von einem Institut ins nächste geschickt wurdest. Du wurdest nie als richtiger Nephilim angesehen und deshalb brauchtest du auch keine Waffe, um sie ihm Kampf einzusetzen."

"Das verstehe ich nicht."

Sie schlenderten über den schmalen Weg, der sich neben dem Oldcastle-Kanal entlangzog.

Die Abenddämmerung hatte inzwischen eingesetzt und in den Straßen wimmelte es von Passanten, die mit verschlossenen Gesichtern und in dicken Umhängen gehüllt durch die Kälte hasteten.

Die ersten Sterne waren bereits zu erkennen, kleine Lichtpunkte am östlichen Himmel. Ihr Schein spiegelte sich in Jimins Augen wieder, als er sich verwundert Jungkook zuwandte.

"Es sind Nephilim gewesen, die dir nicht erlaubt haben der zu sein, der du bist. Du musst sie nicht verstehen."

Sie überquerten gerade einen kopfsteingepflasterten Platz, an den Jungkook sich erinnerte.

In der Mitte stand ein Brunnen, der nun jedoch mit einer Steinabdeckung versehen war, vermutlich damit das Wasser darin nicht gefror.

"Ich weiß ... aber wieso alles heute?"

"Weil wir übermorgen zurück nach Seoul reisen werden."

Überrascht hielt Jungkook die Luft an. "Ich dachte wir werden länger hierbleiben."

Jimin schüttelte langsam seinen Kopf. "Leider nicht."

Jungkook zog eine traurige Miene, zu gern wäre er noch länger in Alicante geblieben, vielleicht hätte er dann noch das Grab seines Vaters besuchen können, ihm berichten was in seinem Leben passiert war.

"Ich möchte dir morgen einen besonderen Ort zeigen.", sagte Jimin und hatte seinen Blick wieder nach vorne gerichtet.

"Einen Ort?", fragte er, während sie an einer Bäckerei vorbeikamen, in deren Schaufenster sich die Brotlaibe stapelten.

"Das bleibt geheim." Zwinkernd hatte er ihm in die Schulter geknuft und Jungkooks Wangen nahmen einen roten Ton an.

Ein geheimer Ort, einen besonderen Ort, alleine mit Jimin. Sein Herz schlug bei diesen Gedanken schneller, doch er wusste nicht wieso.


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Uppps, da kam noch ein Update heute reingeschneit :D

Mögt ihr eher die Länge von Kapiteln wie dieses hier oder habt ihr noch längere Kapitel lieber?



Metanoia || JikookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt