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Wenn es nach Jungkook gegangen wäre, hätte er die nächste Woche oder auch gern die nächste Ewigkeit damit verbracht, mit Jimin eng umschlungen auf der Wiese zu liegen, dem leisen Gluckern des Wassers am Seeufer zuzuhören und sich in der Berührung seiner Hände und dem Geschmack seiner Lippen zu verlieren.

Doch statt der Ewigkeit beschränkte sich dieser unvergessliche Moment auf vier Stunden, bevor die Abenddämmerung angebrochen war und sie in einem langsamen Tempo zurück geritten waren.

Die ganze Nacht hatte er wach gelegen und nachgedacht: über sich, über Jimin und über ihre Zeit die sie miteinander verbracht hatten. Sein Herz hatte bei jedem Kuss an den er sich erinnerte schneller geklopft und die Röte war ihm in die Wangen gestiegen.

War das Liebe?, fragte er sich und hatte seine Hände an seine heißen Wangen gelegt.

Seine Mutter hatte ihm einst erklärt, was es bedeutete zu lieben und geliebt zu werden: Eine besondere Person zu lieben ist überwältigend. Liebe ist verbindend, inspirierend, heilend und letztendlich ist sie das, was einen zusammenhält. Man kann nicht mehr ohne diese bestimmte Person leben, sie macht dein Leben besser. Sie gibt dir Sicherheit, Sicherheit, dass sie für immer bei dir bleiben wird und dich niemals verlässt.

War es dieses Gefühl, was er für Jimin empfand?

Jungkook hatte die ganze Nacht versucht seine Gedanken und Gefühle zu sortieren, bis die Morgendämmerung angebrochen war. Er hatte sich angezogen, seine Fotos und die Stele für die Rückreise nach Seoul in einer kleinen Umhängetasche verstaut, das Kurzschwert an seinem Gürtel befestigt und ist nach draußen gegangen.

Celiné hatte beim gestrigen Abendessen erzählt, dass sie schon sehr früh am Morgen abreisen würden und Jungkook wollte noch etwas Zeit damit verbringen, sich Alicante einzuprägen.

Im Winter wirkte Idris mit seiner Landschaft und Stadt, ganz besonders prachtvoll. Die roten Schieferdächer waren fast vollkommen schneebedeckt und die gewundenen Straßen waren zugeschneit. Der Anblick erinnerte Jungkook immer an eines der Märchenbücher, das sein Vater ihm aus einer Buchhandlung der Irdischen mitgebracht hatte, wo es um das Weihnachtswunderland ging.

Er stand auf einer der Brücken, nahe am Haus, und blickte auf das plätschernde, eisblaue Wasser, das trotz der niedrigen Temperaturen nicht gefror.

Seine Erinnerungen an den gestrigen Tag passierten Revue, als er verträumt in das Wasser starrte.

Sie hatten an karamellisierten Erdnüssen und Popcorn geknabbert, während die Sonne hinter dem Horizont verschwand und die Wolken über ihnen eine zuckerwatterosane Tönung annahm. Die Küsse schmeckten süßer und wurden immer verlangender.

In der Ferne ragten die schneebedeckten Berge auf und die Bäume entlang der Straße vom See zurück nach Alicante waren kahl. Ihre laublosen Äste und Zweige bildeten spitzenartige Muster vor dem Hintergrund des rosaroten Himmels.

Jungkook saß hinter Jimin, seine Arme eng um seinen Brustkorb geschlungen, als sie zurück zu den Stallungen ritten.

Seine Finger zeichneten, auf dem Geländer, abstrakte Muster in den Schnee, wodurch Flocken auf den Boden rieselten, wo sich kleine Häufchen bildeten.

"Guten Morgen."

Erschrocken zuckte Jungkook zusammen.

"Taehyung?"

"Was machst du hier draußen?" Er hatte seinen Mantel fest um sich geschlungen und musterte Jungkook aus freundlichen Augen.

"Ich wollte nur noch etwas Zeit hier draußen verbringen, bevor wir abreisen."

Verstehend nickte er. "Idris im Winter ist vollkommen anders, als in Seoul. Es ist schöner hier."

"Aber du vermisst Seoul trotzdem oder?"

"Beides ist meine Heimat." Er lehnte sich am Geländer an, wodurch etwas Schnee in den Kanal herabfiel.

"Ich ..." Er wurde durch Celiné unterbrochen. "Da seid ihr ja." Sie stürmte heraus, dicht gefolgt von Jimin, bei dessen Anblick Jungkooks Haut anfing zu kribbeln.

Mit einem strahlenden Lächeln kam er auf die Beiden zu.

"Jimin? Wieso hast du Celinés Einrichtung eingepackt?", fragte Taehyung ihn mit einem belustigten Unterton in der Stimme.

Jimin trug einen riesen Karton in seinen Händen.

"Das sind einige Sachen von Jungkook." Er warf ihm einen Blick zu.

"Jungkooks?"

Ebenfalls überrascht schaute Jungkook zu dem Karton und spähte hinein. Er war sich sicher, dass der Stapel mit den Fotos in den Tiefen seiner Tasche versteckt war, wie konnte er noch andere Habseligkeiten haben, als diese?

Doch ihm blieb keine Zeit nachzufragen.

"Wir müssen los. Min Yoongi wird uns in Seoul empfangen.", sagte Celiné in kühlem Ton. Sie war in einen weißen Businessanzug gekleidet und wirkte wie immer wunderschön und beeindruckend.

"Was?!" Taehyung entglitten seine Gesichtszüge, als wäre ihm gerade wieder etwas furchtbares eingefallen, das er bisher aus dem Blick verloren hatte. Seine geweiteten Augen schnellten von Jimin zu Jungkook.

"Gibt es ein Problem?"

Taehyung presste seine Lippen zu einem dünnen Strich zusammen und schüttelte seinen Kopf, doch man sah ihm seine Beunruhigung an.

Der Pfad zur Garnison war steil und rutschig. Ein kalter Wind wehte ihnen entgegen, als sie den Hügel erklommen.

"Jimin.", zischte Taehyung hinter ihnen leise.

Verwirrt drehte Jungkook sich um. Taehyung biss sich durchgehend auf seine Unterlippe und seine Augenbrauen hatten sich zusammengezogen.

"Was ist?", verwundert blickte Jimin ihn an.

"Ich muss mit dir reden. Jetzt!"

"Hat das nicht Zeit bis wir wieder zurück in Seoul sind?" Jimin klemmte sich den Karton unter seinen rechten Arm.

"Nein hat es jetzt wirklich nicht. Es ist echt wichtig."

"Warum sagst du es dann nicht jetzt?", fragte Jimin verwirrt.

Stumm versuchte Taehyung sich eine Erklärung zurechtzulegen.

Sie kamen am oberen Ende des Hügels an und schritten durch die weit geöffneten Tore. Vor ihnen befand sich ein geräumiger Innenhof, der im Sommer wohl grasbewachsen war, jetzt aber kahl dalag und von den Innenmauern der Garnison umzäunt wurde.

Auf einer der Mauern leuchtete ein riesiges wirbelndes Rechteck aus flirrender Luft und völliger Leere.

Ein Portal.

Sie traten näher an das Portal heran.

"Nimm meine Hand.", flüsterte Jimin zu Jungkook.

"Jimin!", zischte Taehyung erneut, doch Jimin schien viel zu sehr auf Jungkook konzentriert zu sein. Darauf dass dieser schüchtern seine Hand ergriff, was Taehyung nicht entging, aber nicht weiter beachtete, denn in diesem Moment gab es etwas viel wichtigeres als das.

Ein kalter, mächtiger Wind wehte aus dem Portal, fegte durch Jungskooks Mantel und wirbelte seine Haare durcheinander, als sie auch schon einen Schritt nach vorn durch das flimmernde Portal traten.

Taehyungs verzweifelte Stimme verstummte, als er nervös nach ihnen das magische Tor betrat.


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Oh Oh was ist Taehyung wohl wieder eingefallen? :S

Metanoia || JikookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt