Kapitel 6

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Kapitel 6

Aurelia Bergmann

Für einen kurzen Moment überlegte ich. Mal im Ernst: Was ging er mich an? Ich wog ab. Noch weiter nach einem flexiblen, halbwegs gut bezahlten Job suchen oder erst mal das nehmen, was mir so quasi vor die Füße geworfen wurde? Ich brauchte die Kohle eigentlich wirklich. Wenn ich weiter suchte und dann in zwei bis vier Wochen wieder ging?

Ragucci war offensichtlich ein Arsch- zumindest der Teil, den er von sich preisgab war nur in Ansätzen irgendwie sympathisch. Ich sah ihn an, er musterte mich. Der Blick kühl aber wachsam, die Gesichtszüge ernst und ohne Mine. Ein klein wenig tat er mir sogar Leid, denn er sah wirklich müde aus. Aber wenn er seine Nächte lieber mit Dreiern verbrachte, als zu schlafen wunderte mich das nicht.

„Weißt du was.", meinte ich. „Die Bedingung ist, dass mir dein Besuch nicht mehr begegnet und du die Hinterlassenschaften beseitigst, wenn jemand da war. Die Zweite ist, dass ich nicht so scharf auf weitere Begegnungen mit dir bin. Wäre nice wenn wir uns so absprechen, dass du wirklich nicht zu Hause bist, wenn ich komme.", gab ich mich selbstbewusst.

Lässig lehnte ich mich an die Anrichte, hielt seinen Blick, während mein Herz vor Aufregung schneller schlug, so gespannt war ich auf seine Reaktion. In Momenten wie diesem war ich dankbar für das Sprechtraining, welches ich im Rahmen meines Studiums bekommen habe. Die Stimme kontrollieren, zu wissen, wann man sie wie einsetzt um souverän und melodisch zu klingen. Wenn ich wollte könnte ich damit Filme synchronisieren oder eine Radioshow moderieren. Ein bisschen war ich stolz darauf. Ragucci stand an den Türrahmen gelehnt.

„Deal fürs Erste. Das zweite...ich werde es versuchen. Aber wenn wir uns nicht mehr sehen, kann ich dir die Situation heute nicht mehr erklären." Ragucci zwinkerte mir zu. Ahja...jetzt versuchen wir also, den Fuchs so vor die Flinte zu locken.

„Ehrlich gesagt...es ist strange.", antwortete ich. „Aber es interessiert mich nicht." Irgendwo interessiert es mich doch... „ Weder, wer die Mädels waren noch wer oder was RAF Camora ist." Ich muss es wirklich geschafft haben, ernst zu klingen, denn er nickte und machte keinerlei Anstalten, von sich aus etwas zu erzählen. War auch in Ordnung.

Soll ich Rahel absagen?", fragte er stattdessen ernst und brachte mich damit dazu, künstlich aufzulachen. Gern hätte ich mit „Ja" geantwortet. Für mein Ego. Aber nein, diese Blöße wollte ich mit nicht geben.

„Nein, wenn du es brauchst, nimm sie mit." Ich stieß mich ab von der Anrichte, ging auf ihn zu, blieb vor ihm stehen. Rahel war strahlend auf dem Weg zu uns zurück. Ich musste mich auf Zehenspitzen stellen, damit ich so nahe an ihn heran kam, dass wirklich nur er mich hören konnte. Scheiße, er roch gut...

Es ist mir egal, wen du fickst. Ich will nur, dass du sie respektvoll behandelst.", machte ich ihm deutlich. Ein bisschen nutze ich einen bedrohlichen Unterton. Schauspielern konnte ich. War schließlich Teil meines Berufs

Wir sahen uns in die Augen. „Versprochen.", antwortete er. Dann sah ich ihn das erste Mal tatsächlich Lächeln, ein winziges und dennoch fast schon spitzbübischen Grinsen, welches es für einen Moment schaffte, die Kälte aus seinen braunen Augen zu vertreiben.

„Du riechst gut, Ginger.", meinte er rau, legte den Kopf ein wenig schief.

„Tja. Pheromone.", entgegnete ich selbstbewusster, als „Vielleicht solltest du mich mit nach Hause nehmen." Es war an mir zu zwinkern, während ich innerlich zitterte. Es hätte mir klar sein müssen, dass er nichts Nettes darauf zu erwidern hatte.

„Sorry, bestimmt nicht. Nicht mein Typ.", antwortete er, zog eine Augenbraue hoch und sah auf mich herunter. Es war so klar. Natürlich war ich das nicht. Vor allem nicht, wenn man die schöne Rahel neben mich stelle. Es war nicht mal so, dass Ragucci mich groß anzog, dass ich hätte mit ihm nach Hause gehen wollen. Nachwievor hielt ich ihn für ein Arschloch. Es war einfach das Prinzip. Ich war nie von irgendjemandem der Typ.

In between  /RAF CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt