Kapitel 28

4.3K 128 83
                                        


Kapitel 28

Aurelia Bergmann

Juli 2019

Über meine Kopfhörer wurde ich von Ed Sheeran und Camilla Cabellos South oft the Border beschallt, während ich leichtfüßig die Treppen von der U- Bahnstation hinauflief. Nichts tief gehendes, ein Popsong aber die Leichtigkeit passte zu meiner Stimmung. Es war Juli geworden, einer der heißen Tage des Jahres und die Sonne schien auf die Stadt und mich herab, als die Bahnstation verließ. Ein wenig reckte ich mein Gesicht in Richtung Sonne, schob mir meine Sonnenbrille auf die Nase und beeilte mich, noch schnell über die grüne Fußgängerampel zu kommen, gemeinsam mit einem kleinen Pulk Menschen.

Ich war auf dem Weg zu einem Eiscafé, um mich mit Abudi und Shaho zu treffen. Insgesamt das dritte Mal, dass ich Abudi privat traf, was einfach unseren überfüllten Terminkalendern geschuldet war. Shaho hatte ich seit März nicht mehr gesehen aber er war noch in Berlin und Abudi hatte ihn mit angekündigt- ich hatte ihn gemocht und damit auch kein Problem damit, dass er dabei war.

Meine Laune war gut, im Vorbeigehen checkte ich mein Outfit in einer verspiegelten Außenfassade eines Hauses. Kurze, hochgeschnittene Hose in beige, weißes Top mit Spitzenausschnitt, einen dünnen, schwarzen Blazer darüber, eine große, goldene Kette und als Stilbruch ein paar weiße Nikes. Das Haar hatte ich lässig hochgesteckt, das Make up dezent. Ich war zufrieden mit mir, wie ich es lange nicht gewesen war. Erwischte mich dabei, wie ich mein Spiegelbild anlächelte und freute mich über diese Selbsterkenntnis. Viel hatte sich an meinem Körper nicht verändert- zwar hatte ich vier oder fünf Kilo abgenommen und besaß nachwievor Kurven- aber ich sah mich anders, nachdem ich endlich aus meinem Loch herausgekrochen war.

Meine letzte Nacht mit Raphael Ragucci, dieser katastrophale Abend Anfang Mai hatte damit geendet, dass zwei Tage später die Nerven mit mir durchgegangen waren und ich heulend in unserer Küche zusammen klappte. Denn erst da hatte ich realisiert, was wirklich passiert war, welche Abgründe sich aufgetan hatten und wie tief Raphael eigentlich in seiner Kriese steckte, in die er mich so eiskalt hineingezogen hatte.

Ich war froh, dass Mila dagewesen war, die mich aufgefangen und der ich alles anvertraut hatte. Allein für meine Vernunft hatte ich zwei Gespräche mit einer Ärztin gehabt – doch diese und ich waren zu einem Schluss gekommen: Ich hatte zwei Wege. Entweder, ich verbuddelte mich oder ich lernte, damit umzugehen und ich hatte mich für den zweiten Weg entschieden. Mir half es, zu wissen, dass er nicht er selbst gewesen war, in dem Moment, in dem er mich so angegangen war. Es überwog doch, dass er die anderen Male, die vielen Male, in denen ich freiwillig mit ihm geschlafen hatte ein rücksichtsvoller und achtsamer Mann gewesen war, der stets meine Grenzen eingehalten hatte und respektvoll zu mir gewesen war, wenn ich mich ihm hingegeben hatte.

Es gab nachwievor keine Entschuldigung und ich suchte auch keine Begründung für diesen Abend. Raphaels Schicksal war an vielen Stellen mies zu ihm gewesen und dennoch war er ein eigenständiger Mensch, der verantwortlich für seine Handlungen war. Ich hasste ihn nicht, ich war nicht mehr wütend auf ihn, denn es gab nichts, mit dem er sich irgendwie hätte vor mir rechtfertigen können. Ich stellte mir nicht die Frage nach dem Warum – ihm war die Sicherung durchgebrannt, er hatte sich nicht kontrollieren können und dieses Problem würde er nur mit eine intensiven Auseinandersetzung mich sich selbst loswerden können. Ich wusste nicht, ob der das inzwischen mit einer Therapie tat, denn ich sprach mit Abudi nicht über Raphael. Es ging mich schlicht nichts an, was er machte und i Grunde war es mir auch egal. Er sollte sein Leben leben- denn dafür, dass ich ihn vermissen könnte, waren meine Wunden zu frisch geheilt, die Zeit war zu kurz gewesen.

Ich konnte lächeln, wenn ich an die schönen Momente dieser Affäre zurück dachte. Die hatte es durchaus gegeben. Zeitweise waren wir beinahe vertraut miteinander gewesen, hatte gelacht und gute Gespräche geführt. Ich hatte es gemocht, wenn Raphael mich hatte hinter seine kühle Fassade blicken lassen und manchmal liebevoll und lustig gewesen war. Wäre dieser Abend nicht gewesen- wahrscheinlich hätten wir uns weiterhin getroffen, ohne, dass es je ernster zwischen und geworden wäre. Ich hatte ihn gern gehabt, mit der Zeit wirklich gern und wahrscheinlich hätte ich frühe oder später doch mein Herz an ihn verloren. Vielleicht war es gut, dass es geendet hatte bevor ich mich hatte völlig verrennen können. Denn, um mich wirklich in ihn zu verlieben war er mir noch immer suspekt geblieben, nie hatte ich ihm völlig über den Weg getraut.

In between  /RAF CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt