Kapitel 54

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Kapitel 54

Aurelia Bergmann

„Weihnachten dient einzig und allein dem Kapitalismus und darum feier ich es nicht.", ließ Theo mich wissen. „Das habe ich die letzten zehn Jahre nicht getan und fange dieses Jahr nicht damit an." Er lehnte sich an die Anrichte in Raphaels und meiner Küche, nahm einen Schluck aus seinem Kaffeebecher. „Man kann von Ragucci ja halten, was man will. Aber guten Kaffee weiß er scheinbar zu schätzen.", meinte er dann und warf einen Blick auf das Gebräu.

„Wir müssen nicht kommerziell Weihnachten feiern.", gab ich zurück. „Ich möchte nur nicht Heilig Abend allein verbringen müssen. Du weißt, zu meiner Familie kann ich nicht, meine Freunde sind bei ihren eigenen Familien und Raphael fliegt nach Wien."

„Heilig Abend ist ein Tag wie jeder andere auch Aurelia. Ich bin verplant, selbst wenn ich wollte könnte ich nicht hier sein." Er versuchte, ein wenig tröstend auszusehen.

„Achso. Und wo bist du?", fragte ich monoton. Vielleicht war ich kitschig und wenn man von dem ganzen Weihnachtszauber absah, hatte er auch recht. Man konnte auch jeden anderen Abend des Jahres miteinander verbringen. Aber dennoch war es mir wichtig, Weihnachten nicht allein zu sein und allem Anschein nach würde es wohl so kommen. Und das machte michtraurig. Noch nie hatte ich Weihnachten niemanden gehabt.

„Ich fliege nochmal weg, mit den Leuten mit denen ich im November auf den Kanaren war.", ließ er mich wissen und es traf mich wie ein Schlag.

„Schön, dass ich das auch mal erfahre. Verdammt nochmal wir führen eine Beziehung, du kannst nicht ständig einfach beschließen abzuhauen!", fuhr ich ihn an. „Wenn du wenigstens mit mir darüber sprechen würdest, ich würde dich nicht aufhalten. Aber einfach beschließen geht nicht! Wohin fliegst du denn?"

„Nach Koh Phangan.", meinte er leichthin.

Der zweite Schlag. „Oh. Und dir ist nicht in den Sinn gekommen, dass ich vielleicht auch gern nach Koh Phangan geflogen wäre?", fragte ich zynisch und schüttelte fassungslos den Kopf.

„Du bist in der...in welcher Woche bist du nochmal schwanger? Du kannst jetzt nicht mehr bis nach Thailand fliegen."

„In der fünfundzwanzigsten. Schön, dass du Bescheid weißt." Kurz kam mir in den Sinn, dass Raphael das wahrscheinlich selbst dann gewusst hätte, wen man ihn nachts um drei weckte und fragte. Eins musste ich ihm lassen- er interessierte sich für alles, was das Baby betraf, nahm sich sogar extra frei, um mich zu den Ultraschallterminen zu begleiten. War in seiner Freizeit damit beschäftigt, die perfekten Kinderzimmermöbel zu finden und sich zu überlegen, welche Outfits wir unserem Sohn bald anziehen würden. Seit guten drei Wochen wussten wir, dass wir einen Jungen bekommen würden, war auf dem Ultraschall ziemlich eindeutig gewesen. Dass Raphael nicht direkt eine Party geschmissen hatte war noch alles gewesen.

Raphael war mit John auf Tour, sollte am Abend dieses Tages wieder kommen. Bis dahin schickte er mir täglich mindestens zwanzig Namensvorschläge für unseren Jungen über Whats App und dreißig Sprachnachrichten, in denen er argumentierte, warum der Zwerg Ragucci und nicht Bergmann heißen sollte. Bekam aber auch dreißig Gegenargumente zurück, warum ich das nicht wollte. Aber wir stritten nie darum und ich wusste, am Ende würde er schon nachgeben.

„Aurelia, es ist nicht mein Kind.", sagte Theo wie zur Entschuldigung.

„Aber ich bin deine Freundin, du hast dich für mich mit Baby entschieden also kümmere dich gefälligst und lass mich nicht außen vor."

„Das Kind hat einen Vater, der sich drum kümmern soll.", entgegnete Theo und mir platzte die Hutschnurr.

„Spinn ich jetzt?", entfuhr es mir. „Du verpisst dich zum wiederholten Male, das über Weihnachten, interessierst dich einen Scheiß für mich.", entlud ich mich in meiner feinst vulgären Ausdrucksweise. Doch für Sachlichkeit fehlte mir die Geduld.

In between  /RAF CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt