Kapitel 56
Aurelia Bergmann
Raphael schlief tief und fest, als ich meine Augen öffnete. Grau schien das Morgenlicht durch die Jalousien. Es war schon spät, zumindest für seine Verhältnisse, wie ich mit einem Blick auf mein Smartphone feststellte. Halb zehn am Morgen und er machte noch keinerlei Anstalten aufzuwachen. Er sah so entspannt und friedlich aus, so hatte ich ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen. So typisch für ihn, lag er auf der linken Seite zu mir hingedreht, sein Arm um mich geschlungen. Ich musste Lächeln, als ich einen Tritt in meiner Seite spürte. Klein Raphael war also auch schon wach.
Schnell rückte ich mich ein wenig zurecht. Es wurde gefühlt von Tag zu Tag schwieriger, eine bequeme Liegeposition zu finden. Auf dem Rücken war schlecht, auf dem Bauch sowieso und die Seiten taten mehr und mehr weh, weil ich immer auf einer lag. Ich drehte mich nach rechts, war noch ein wenig müde. Hätte von Raphael wegrücken können aber ich wollte nicht. Stattdessen kuschelte ich mich an ihn, mein Gesicht an seiner Brust. Er wurde kurz wach, als ich mich bewegte, verschlafen ließ er es zu, dass ich mich in seine Arme kuschelte, zog mich noch ein wenig näher zu sich. Mein Bauch war ein wenig im Weg aber das war nicht schlimm.
Ich hatte mich inzwischen ganz gut damit arrangiert, mochte ihn mittlerweile. Fand es mehr und mehr faszinierend, dass tatsächlich ein kleiner Mensch in mir heranwuchs. Ein kleiner Mensch, der mir noch zwei, drei weitere kleine Tritte verpasste.
„Kannst du nicht mehr schlafen?", murmelte Raphael leise. Seine Stimme wie sooft am Morgen noch ein wenig rau.
„Geht so, mir tut die linke Hüfte weh. Und das Baby tritt. Schlaf weiter." Ich schob meinen Arm um ihn, federleicht strich ich mit den Fingern über seinen Rücken, er hingegen rutschte mit der Hand ein Stück nach vorn.
„Da.", wisperte ich, wusste, was er wollte und legte seine Hand auf die Stelle, an der ich unser Baby spürte. Ließ die meine aus seiner liegen, legte meinen Kopf ein wenig in den Nacken und sah ihn an. Er war beinahe süß, wenn er so verpennt war und gleichzeitig fast schon verliebt lächelte. Die braunen Augen inzwischen beinahe immer warm, in der Farbe von flüssigem Honig, wenn er mich ansah. So sehr verändert, vor allem in den letzten Wochen. Seit unserem letzten Besuch Wien war seine so kühle Fassade mehr und mehr gefallen , mir gegenüber gar nicht mehr vorhanden– doch es war mir erst in den letzten Tagen so wirklich klar geworden. Seit Theo Geschichte war und ich wieder Augen für ihn hatte. Mehr und mehr sah ich, was ich immer schon irgendwo in ihm zu sehen geglaubt hatte. Zu Beginn war es vielleicht nur Unterbewusst gewesen- aber er war ein Anderer geworden. Vielleicht nicht ganz ein anderer, korrigierte ich mich in Gedanken. Aber eine bessere Version von sic selbst. Oder vielleicht wieder die bessere Version von sich selbst. Der Mann, der er gewesen war, bevor das Schicksal ihm sein Kind genommen hatte. Der Mann, der er gewesen war, bevor er sich für eine Zeit lang selbst verloren hatte. Er war auf einem guten Weg, da war ich mir sicher.
Und dennoch blieben letzte Zweifel in mir und auch letzte Zweifel an mir selbst. Ich hatte nicht vergessen, welch düsteren Kapitel wir in unserer Geschichte durchlebt hatten. Was er mir angetan hatte. Und wahrscheinlich würde ich es auch nie vergessen obwohl ich ihm verziehen hatte. Dann seine Ablehnung in Kroatien. Ich fragte mich, wie naiv ich war, dass ich ihm irgendwo vertraute, obwohl noch immer Sorge in mir war, dass es schief gehen könnte. Wie viele Frauen vor mir hatten das geglaubt und waren damit auf die Nase gefallen? Ich würde es nicht beantworten können, wenn ich es nicht versuchte.
War ich wirklich diejenige, für die er sich geändert hatte? Für mich und am Ende für unser Kind? Eigentlich glaubte ich nicht an solche Geschichten und ich erinnerte mich, einst gedacht zu haben, dass die Geschichten der Frauen, die ich in Romanen immer so sehr belächelt hatte, nicht die meine war. Ich war nicht diejenige für eine Cinderellastory aber dennoch schien sie mir zu passieren.
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In between /RAF Camora
FanfictionAurelia ist eine einfache, junge Frau und sucht nicht mehr, als einen weiteren Job als sie auf Raphael Ragucci trifft. Nach und nach erfährt sie, wer dieser große, athletische Mann, der so selten die Miene verzieht, tatsächlich ist. Und weiß nich...