Kapitel 53

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Kapitel 53

Raphael Ragucci

Relia hatte sich halb im Bett aufgerichtet, hatte ihr Haar zu einem unordentlichen Knoten gebunden, wie sie es meistens tat, wenn sie schlafen ging. Wie jedes Mal würde sie sich am Morgen dafür verfluchen, da ihr Haar unendlich wirr in alle Richtungen Abstand, wenn sie den Knoten löste und ich sah ihr frustriertes Gesicht bereits vor mir.

„Warst du?", harkte sie nach, als ich ihr nicht sofort antwortete, als ich abwog, was ich sagen wollte, denn ich wusste, je nachdem was ich sagte würde unser Gespräch in die eine oder die andere Richtung verlaufen. „Wäre nicht schlimm, du bist mir nichts schuldig.", murmelte sie dann. Sie gähnte hinter vorgehaltener Hand, legte sich zurück auf die Matratze, auf ihren Rücken und sah an die Decke.

Ganz leicht sah ich die Wölbung ihres Bauches darunter- er war tatsächlich noch recht klein und sie schaffte es, ihn zu verstecken, wenn sie es wollte. Manchmal störte mich das ein wenig.

„Wäre nicht schlimm, sagst du?", antwortete ich leise. Ich fuhr mir mit der Hand durchs Haar, löste den Haarreifen und versuchte, es halbwegs mit der Hand zu glätten ehe ich mich auf die Bettkante setzte.

„Nein.", log sie und seufzte. „Ist auch egal. Geh duschen, bevor du ins Bett kommst." Ich vernahm einen Hauch von Zynismus in ihren Worten. Die Aufforderung sagte so vieles aus.

„Hatte ich sowieso vor.", antwortete ich trocken. Unentschlossen, ob ich sie in ihrem Glauben lassen sollte oder nicht. Denn ich wusste nach wie vor nicht, was ich tun sollte.

„Dann los." Im Halbdunkeln sah ich, wie sie freudlos grinste, ihre Augenbrauen hochzog und sich dann auf die Seite von mir wegdrehte.

„Relia.", murmelte ich.

„Was?", fragte sie und ich schaffte es nicht, den Mund aufzumachen. „Gar nichts. Bin im Bad.", murmelte ich, ehe ich mich erhob und mich unter die Dusche begab.

Keine zehn Minuten später war ich frisch geduscht, trug nur eine graue Jogginghose und legte mich leise neben sie in das große Hotelbett. Ich war mir nicht sicher, ob sie wirklich schlief oder ob sie nur so tat, sie lag zu mir gedreht, die Augen geschlossen doch ihre Atmung ging zu schnell für Schlaf, ihre Gesichtszüge zeigten Anspannung.

Unsicher biss ich mir auf die Unterlippe. Hatte Abudi recht und ich musste ihr tatsächlich langsam reinen Wein einschenken? Ich war mehr als gespalten, wenn ich an das dachte, was ich für diese Frau fühlte. So viele Dinge waren schief gelaufen, so viel hatte ich verbockt. Es war schwer für mich, diese Situation auszuhalten, obwohl ich sie selbst verschuldet hatte. Ich hatte Relia mehr als einmal unglücklich gemacht, sie mehr als einmal zum Weinen gebracht ihr so viel angetan und dennoch war sie bei mir. Sah nicht über alles hinweg, was ich getan hatte aber irgendwie schaffte sie es, damit umzugehen. War bereits ein Kind mit mir zu bekommen.

Wahrscheinlich würden andere sie als dumm und naiv bezeichnen. Doch in meinen Augen war sie eine der stärksten Menschen, die ich kannte. Manchmal bewunderte ich sie für ihre Art, die Welt zu sehen. Wenn sie Dinge entschied tat sie das nie allein mit dem Kopf oder mit dem Bauch. Sie wog beides miteinander ab, sah über den Tellerrand. Konnte schwierige Situationen annehmen und mit erhobenem Haupt hindurch marschieren. Sie ließ sich nicht unterkriegen, hielt an ihren Entscheidungen fest und traf diese auch manchmal anders, als andere Menschen es getan hätten.

„Tu nicht so, als ob du schlafen würdest, Ginger.", sagte ich in die Dunkelheit und sah sie dabei an. Tatsächlich öffnete sie ihre blauen Augen, ihre Hand unter ihre Wange gelegt, wie es so typisch bei ihr war.

„Willst du jetzt doch noch nächtliche Philosophien mit mir führen?", fragte sie.

„Vielleicht.", antwortete ich vage.

In between  /RAF CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt