Kapitel 47

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Kapitel 47

Aurelia Bergmann

Es war Mitte September und ich inzwischen in der zehnten Woche schwanger, als ich endlich den Kopf dafür hatte, mich erneut mit Theo zu treffen. Das letzte Mal hatten wir uns privat gesehen, bevor ich von meiner Schwangerschaft wusste und ich hatte ihn mit seinen Versuchen in den letzten Wochen immer wieder hingehalten – inzwischen war ich bereit, mich wieder zu treffen. Hatte den Schock verarbeitet und mich mit dem Gedanken angefreundet, ein Baby zu bekommen. Ein Baby von Raphael Ragucci. Noch immer kam bei dem Gedanken daran keine überschwängliche Freude in mir auf- aber es war okay, ich war mir sicher, dass das noch kam.

Raphael hatte ich in den vergangenen Wochen kaum sehen können. Er war kreuz und quer in Europa unterwegs und kam nur zwischendurch kurz nach Berlin. Dennoch- er erkundigte sich täglich nach mir und dem Baby, rief sogar an, um kurz mit mir sprechen zu können. Irgendwie war es schon süß. Und gleichzeitig tat es weh, weil ich wusste, dass es nie mehr werde würde. Ich verdrängte den Gedanken an die Frauen, die er wahrscheinlich traf, während er in Wien war. Die, die er mit in seine schicke Hotelsuite nahm, in der er residierte. An die Frauen, die er mitnahm, wenn er auf Festivals gespielt hatte. Wahrscheinlich war es so, dass es diese Frauen in seinem Leben inzwischen wieder gab. Ich fragte ihn nicht danach, denn ich wollte die Antwort nicht aus seinem Mund hören.

Seit geschlagenen zehn Minuten wartete ich vor dem Restaurant, in dem wir uns treffen wollten, auf Theo. Es war recht schwül draußen, die Stadt unter einer drückenden Wolkendecke verborgen, die ein ordentliches Sommergewitter versprach. Mir ging es ganz okay- das Wetter schlug mir auf den Kreislauf, mir war warm und ich sehnte mich nach einem Glas Wasser, während ich hoffte, dass ich die Essegerüche im Restaurant ertragen konnte. Denn meine Nase und mein Magen waren nachwievor empfindlich und ich musste mich immer wieder übergeben. Einigeln wollte ich mich auch nicht, zumal ich weder in der Oper noch bei meinen anderen Arbeitsstellen von meiner Schwangerschaft erzählt hatte. Auch Theo wusste nichts davon.

Raphael und ich waren uns einig, dass wir die diese magische Grenze der zwölf Wochen einhalten und somit warten wollten, bis die Schwangerschaft als gesichert galt, ehe wir alle Leute damit wahnsinnig machten. Er hatte John und Abudi davon erzählt bisher nicht einmal seiner Mutter und seiner Schwester. Das war für mich auch völlig okay.

Suchend sah ich von meinem Smartphone auf, Theo ließ noch immer auf sich warten. Genervt seufzte ich, denn ich hasste Unpünktlichkeit. Auf meinem Handy blinkte eine Nachricht von Raphael auf und zügig öffnete ich sie.

„Ja, ich will mit. Lande morgen Abend in Berlin und hole dich Donnerstag um halb elf ab.", schrieb er mir und unwillkürlich musste ich lächeln. Ich wollte ihn teilhaben lassen an der Schwangerschaft, denn auch er sollte eine Bindung zu dem Baby aufbauen. Kein Paar aber Eltern sein- das wollte ich wirklich mit ihm schaffen, denn jegliche andere Hoffnung war so oder so eine Utopie. Es stand die erste, große Ultraschalluntersuchung an und ich wollte ihm zumindest die Möglichkeit geben, dabei zu sein, falls es ihn interessierte. Und das tat es offensichtlich wirklich.

Alles klar, bis übermorgen.", tippte ich zurück, als mir von hinten an die Schulter gegriffen wurde. Ich zucke erschrocken zusammen und drehte mich herum, sah in ein paar grau blaue Augen.

„Aurelia es tut mir leid, ich habe die Bahn verpasst.", entschuldigte Theo sich, ehe er mich links und rechts auf die Wange küsste.

„Schon gut.", meinte ich, ehe wir uns in Richtung Eingang bewegten und er mir die Tür aufhielt.

„Schön siehst du aus.", machte er mir ein Kompliment und ich lächelte. „Danke, du auch.", gab ich zurück und hoffte, dass es nicht so halbherzig klang, wie es sich in mir anfühlte. Wir betraten das kleine, italienische Restaurant- Gehobene Mittelklasse aber den Luxusitaliener konnten wir uns nicht leisten- und brauchten ihn auch nicht. Theo hatte reserviert, wir setzten uns an den passenden Tisch und er studierte die Weinkarte.

In between  /RAF CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt